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gang genommen; freilich geschah diess in dem Sinne, dass die Meinungen noch nicht genügend abgeklärt seien und einem spätern materiellen Entscheide in keiner Weise vorgegriffen sein solle. Seither ist diese Angelegenheit auf sich beruhen geblieben.

Die Entschädigung der Mitglieder des Nationalrathes wird gemäss Art. 79 der Bundesverfassung von der Bundeskasse getragen. In Folge eines Bundesbeschlusses vom 22. Dezember 1874 beträgt das Taggeld 20 Fr.*) und gemäss Bundesgesetz vom 16. August 1878 die Reiseentschädigung 20 Rappen für jeden zurückgelegten Kilometer, sowohl für die Hin- als die Rückreise, mit Zulage von 10 Rappen per Kilometer für die Reise über einen schweizerischen Alpenpass, auf welchem eine erhöhte Posttaxe bezogen wird.**)

C. Der Ständerath.

§ 7. Wahl des Ständerathes und dessen Geschäftsordnung. In Bezug auf die zweite Abtheilung der Bundesversammlung, den Ständerath, enthält die Bundesverfassung in Art. 80-82 folgende Bestimmungen :

Der Ständerath besteht aus 44 Abgeordneten der Kantone. Jeder Kanton wählt zwei Abgeordnete, in den getheilten Kantonen jeder Landestheil einen Abgeordneten. Die Mitglieder des Nationalrathes und des Bundesrathes können nicht zugleich Mitglieder des Ständerathes sein. Der Ständerath wählt für jede ordentliche oder ausserordentliche Sitzung aus seiner Mitte einen Präsidenten und Vizepräsidenten. Aus den Abgeordneten desjenigen Kantons, aus welchem für eine ordentliche Sitzung der Präsident gewählt worden ist, kann für die nachfolgende ordentliche Sitzung weder der Präsident noch der Vizepräsident gewählt werden. Abgeordnete des gleichen Kantons können nicht während zwei auf einander folgenden ordentlichen Sitzungen die Stelle eines Vizepräsidenten bekleiden. Der Präsident hat bei gleich getheilten Stimmen zu entscheiden; bei Wahlen übt er das Stimmrecht aus wie jedes Mitglied.

Während die Wahl des Nationalrathes, sowie die Amtsdauer dieser Behörde durch die Bundesverfassung und das zu Ausführung derselben erlassene Bundesgesetz genau geregelt ist, bleibt es da

*) A. S. n. F. I. 496. **) A. S. n. F. III. 656.

gegen ganz den Kantonen überlassen, über die Wahlart und die Amtsdauer der Mitglieder des Ständerathes die nöthigen Verfügungen zu treffen. Obgleich letztere in beiden Beziehungen den Mitgliedern des Nationalrathes völlig gleichstehen, gibt es dagegen im Ständerathe Mitglieder, welche vom Volke gewählt sind, neben andern, welche die Grossen Räthe der Kantone ernannt haben, und neben Abgeordneten, welche gleiche Amtsdauer mit dem Nationalrathe haben, gibt es sehr viele, die bloss für ein Jahr gewählt sind, und noch andere, welche jeden Augenblick abberufen werden können. Bei den Revisionsberathungen in den Jahren 1871/72 und 1873/74 suchte man dies abzuändern, indem beantragt wurde, bei der Gesammterneuerung des Nationalrathes jeweilen auch den Ständerath auf gleiche Amtsdauer von 3 Jahren wählen zu lassen, und zwar gleichfalls durch das Volk. Beide Anträge wurden jedoch abgelehnt. *) Auch Bundesbeamte und Geistliche sind in den Ständerath wählbar (bezüglich ersterer wurde im Jahr 1874 erneut hieran festgehalten, trotz entgegengestellten Antrages), während Bundesbeamte und Geistliche vom Nationalrathe ausgeschlossen sind und gewiss ganz die nämlichen Gründe für deren Ausschluss, vom einen wie vom andern Rathe, aufgeführt werden könnten.

Nach dem Sinn und Geist des Zweikammersystems sollte der Ständerath das konservative Element repräsentiren, wobei wir nicht an eine bestimmte Parteimeinung oder an die Tendenzen, welche gewöhnlich unter jenem Ausdrucke verstanden werden, sondern an einen nothwendigen Faktor im Verfassungsleben eines Volkes denken; aber wie kann jener Zweck erreicht werden, wenn unter den Mitgliedern des Ständerathes ein unaufhörlicher Wechsel stattfindet? Ferner liegt es in der Natur der Sache, dass, wenn eine weniger zahlreiche Behörde der zahlreichern gegenüber sich gleich stark fühlen soll, die äussere Stellung der Mitglieder gewisse Vorzüge darbieten muss, um in qualitativer Beziehung zu ersetzen, was in quantitativer Hinsicht fehlt. Diess Ansehen könnte freilich dadurch gehoben werden, wenn auch die Wahl der Ständeräthe durch das Volk geschähe, da die Volkswahlen im Allgemeinen höher gewerthet werden als die Wahlen durch Behörden. Wenn die Bundesverfassung gleichwohl von einer solchen Bestimmung Umgang genommen hat, so geschah es freilich aus dem zutreffenden

*) Pr. E. R. 1873, S. 358, 359. Pr. Nat. R.-Komm. 1871, S. 396.

Grunde, der Selbständigkeit der Kantone nicht zu nahe zu treten und es ihnen zu überlassen, ihre Vertreter in den Ständerath in der Weise zu ernennen, wie sie es nach ihren eigenen verfassungsmässigen Einrichtungen für zweckmässig erachten. Auch nach Nordamerikanischem Bundesstaatsrechte hängt es von der Verfassung jedes Einzelstaates ab, wie derselbe die Wahl seiner Vertreter in den Senat treffen wolle. *) Dagegen würde es sich jedenfalls empfehlen, für den Ständerath mindestens eine eben so lange Amtsdauer als für den Nationalrath vorzuschreiben und überdiess die Wahl in den Ständerath von gewissen persönlichen Requisiten (z. B. ein Alter von 30 Jahren oder einer gewissen Stellung in den kantonalen Behörden) abhängig zu machen. Wir schweigen von der nordamerikanischen Einrichtung, nach welcher der Senat als selbständige Behörde, d. h. ohne das Haus der Repräsentanten, theils für sich, theils in Verbindung mit dem Präsidenten wichtige Befugnisse ausübt, da eine so weit gehende Höherstellung des Ständerathes in der Schweiz wohl keinen Anklang fände. Gewiss ist, dass durch die von uns angedeuteten Aenderungen das konservative Element (im oben bezeichneten Sinne) im Ständerathe wesentlich an Kraft gewinnen würde, und mit ihm zugleich auch das Element der kantonalen Selbständigkeit gegenüber zu weit gehenden Centralisationsbestrebungen. Sollten in letzterer Beziehung die von uns gewünschten Bundessatzungen auch nicht volle Beruhigung gewähren, so stände es nur bei den Kantonen, ihre Abgeordneten, welche sie nicht mehr mit Instruktionen versehen dürfen, wenigstens zur regelmässigen Berichterstattung über die Verhandlungen des Ständerathes und ihre dabei abgegebenen Voten anzuhalten. Schon jetzt sind die Lücken der Bundesverfassung zum Theil auf zweckmässige Weise von den Kantonen ergänzt worden; so z. B. ist durch manche Kantonsverfassungen dafür gesorgt, dass Mitglieder der Regierungen nicht in den Nationalrath, sondern bloss in den Ständerath gewählt werden dürfen, oder dass eine beschränkte Zahl von Regierungsgliedern dem Nationalrathe, andere hingegen dem Ständerathe angehören sollen. Es ist nämlich in der That einleuchtend, dass es gerade der Bestimmung des Ständerathes vorzugsweise entspricht, wenn sich in ihm diejenigen Kenntnisse und Erfahrungen vorfinden, welche nur durch die Theil*) Rüttimann, Nordamerik. Bundesstaatsrecht I. § 132.

nahme an einer kantonalen Verwaltung erworben werden können. Wir können uns auch nur darüber freuen, wenn es in einzelnen Kantonen Sitte wird, von Mitgliedern des Ständerathes, welche eine allzufreie Stellung einzunehmen scheinen, auf dem Wege der Interpellation im Grossen Rathe über ihre Stimmgebung Auskunft zu verlangen; *) denn nur auf diesem Wege ist es möglich fürzusorgen, dass die kantonalen Interessen von Denjenigen, welche sie zu wahren berufen sind, wenigstens nicht auf die Dauer ausser Acht gelassen werden. Ueberhaupt ist in den Kantonen die Einsicht, wie wichtig die Stellung des Ständerathes in unserm bundesstaatlichen Leben sei, bedeutend gewachsen; man ersieht diess auch daraus, dass man bei den Wahlen gegenwärtig sorgfältiger verfährt und in den meisten Kantonen die Mitglieder nicht mehr so häufig wechselt als es früher der Fall war. So geschieht es eben nicht selten, dass das richtige Verständniss des Geistes einer Verfassung über die Mängel und Gebrechen ihres Buchstabens hinweg helfen muss!

Das Geschäftsreglement des Ständerathes, welches unterm 7. Dezember 1849 erlassen wurde, unterscheidet sich nicht wesentlich von demjenigen des Nationalrathes. Statt 4 Stimmenzähler hat der Ständerath deren nur zwei, welche mit dem Präsidenten das Bureau bilden. Das Protokoll führt der Stellvertreter des eidgenössischen Kanzlers. Die Motivirung der Kommissionsanträge, wenn letztere nur mündlich gehalten werden, sowie die gefallenen Voten, wenn auch in deren summarischem Inhalt, sind nicht in das Protokoll aufzunehmen, sondern ausschliesslich die in Abstimmung gefallenen Vorschläge, nebst den gefassten Beschlüssen. Auch die Anführung der Namen der Redner ist wegzulassen. **) Die Versammlung wählt die Kommissionen entweder selbst in offener oder geheimer Abstimmung oder überlässt die Bezeichnung der Mitglieder dem Bureau; im letztern Falle ist der Erstbezeichnete

*) Nach dem Verantwortlichkeitsgesetze (wovon später) sind allerdings die Abgeordneten zur Bundesversammlung für ihre Voten rechtlich nicht verantwortlich, d. h. sie können desshalb weder strafrechtlich verfolgt noch für allfällig entstandenen Schaden civilrechtlich belangt werden. Allein es ist klar, dass dadurch eine moralisch-politische Verantwortlichkeit gegenüber ihren Wählern keineswegs ausgeschlossen ist.

**) Beschluss des Ständerathes vom 23. Januar 1860.

der Präsident der Kommission. Nimmt der Rath die Wahl der Kommission vor, so bestellt er selbst aus den Gewählten in besonderer Abstimmung den Präsidenten. *) Der Präsident des Ständerathes hat dafür zu sorgen, dass vor jeder Session die Kommissionen sich versammeln und ihre Berichte und Anträge soweit vorbereiten, dass bei Beginn der ersten Sitzung mehrere spruchreife Traktanden vorhanden sind. **) Der Antrag auf eine geheime Sitzung muss von 5 Mitgliedern unterstützt werden, um in Berathung zu fallen, und der Namensaufruf bei der Abstimmung findet auf das Begehren von 10 Mitgliedern statt. Bei Interpellationen ist nach deren Beantwortung den Interpellanten gestattet, sich zu erklären, ob sie durch die erhaltene Auskunft befriedigt seien oder nicht; eine weitere Verhandlung findet dagegen darüber nicht statt. ***) Endlich kann im Ständerathe Schluss der Debatte nicht erkannt werden, sondern es hat dieselbe so lange fortzudauern, als ein Mitglied das Wort verlangt. ****) Hervorzuheben ist noch, dass nach einem Beschlusse des Ständerathes vom November 1848 es nicht zulässig ist, dass die Kantone für ihre Abgeordneten auch Ersatzmänner wählen. Das Nämliche wurde auch in Bezug auf den Nationalrath verfügt†), wo sich solches indessen noch weit mehr von selbst versteht.

Die Entschädigung der Mitglieder des Ständerathes geschieht gemäss Art. 83 der Bundesverfassung durch die Kantone, soweit es die Sitzungen des Ständerathes betrifft. Für Kommissionssitzungen und dadurch veranlasste Reisen erhalten sie dagegen gemäss Bundesbeschluss vom 24. Dezember 1874 und Bundesgesetz vom 16. August 1878 die Entschädigung aus der Bundeskasse und zwar zu den gleichen Ansätzen, wie die Mitglieder des Nationalrathes. D. Befugnisse und Geschäftsgang der beiden gesetzgebenden Räthe.

§ 8. Geschäftskreis der eidgenössischen Räthe.

Die Bundesverfassung stellt in Art. 84 den Grundsatz auf, dass die beiden Räthe alle Gegenstände zu behandeln haben, welche in

*) Beschluss des Ständerathes vom 18. Dezember 1884. **) Beschluss des Ständerathes vom 4. Februar 1878. ***) Beschluss des Ständerathes vom 4. Dezember 1879. ****) A. S. II. 1–13. †) Bdbl. 1849, I. 109, 110.

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