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gebrauchtesten Sammlungen der römisch päbstlichen Kirchen. rechtslehre übergegangen. Dieses pseudisidorische peccatum war dadurch eine gefeßlich scheinende... Veranlassung gewor den, kirchliche Wahlen, Streitigkeiten und Geldabgaben je länger je umfassender, von der nahen bischöfflichen Wirk; famkeit weg und an römisch, päbstliche Gerichts: barkeit zu ziehen.

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Die zweite Stufe war, daß Hildebrand, Innocenz III., Bonifaz VI. eine Theorie, um selbst die Oberaufsicht und Gerichtsbarkeit über die Regierungen unter das Oberhaupt der Kirche zu stellen, und „beide Schwerdter" zu gebrauchen, mit vleler Consequenz und mit einem alle Loca. fitäten benußenden Ueberblick der gesammten chriftlichen Staaten von Portugal an bis zu den Maroniten und Nestorianern auf dem Libanon und nach Persien hin, auszubilden und mit einer burch den Aberglauben der Menge unterstügton Machtvollkom menheit sofort in Wirklichkeit zu sehen wußtem

Da nun aber Frankreich dieses System, wenigstens in Rücksicht auf sich, am besten durch das Zurückbehalten der Päbste zu Avignon zu brechen verstanden hatte, so entstand daraus eine dritte Stufe von selbst genommenen päbstlicher Rechten, welche meist das Geldbedürfniß und das Providiren für päbstliche Anhänger bezweckte. Der Mangel am Hofe de Päbste, während jener Captivität in Frankreich, vergrößert durch die Sittenverderbniß und die dafür ins Unersättliche stei gende Bedürfnisse der Herrschsucht und Immoralität, führt. zum Aussinnen und zum dictatorisch fordernden Vorschreiben der Annaten, Dispensationsgelder, Indulgenzen und so vieler andern dem Zweck der Kirchengemeinschaft mehr schädlichen als förderlichen sogenannten Kirchenabgaben und Reservaten.

Diese dritte Stufe des Uebels führte fast unvermeidlich auf die pierte. In Frankreich, wo man die llebel in der Nähe fah, und wo überhaupt der lebhafte practische Scharfsinn de: Nation gewöhnlich das Nußbare klarer Verstandeseinsichten schneller ins Leben überzufeßen pflegt, hatte man auch die hie

nur in großen Zügen angedeuteten Abweichungen der neuern vom römischen Apostolicus meist nur zu eigenem Vortheil con. ftruirten, hierarchischen Verfassung von den älteren zweckdiens licheren Kirchenordnungen am schnellsten bemerkt und durch. schaut. Man hatte sich gegen einen großen Theil derselben, in so fern er zunächst die Regentenmacht und den Beutel deß Clerus und der Lapen zugleich betraf, von Zeit zu Zeit, vor. nehmlich 1268 schon unter Ludwig dem Heiligen, und dann mit Benutzung des Constanzer und Bas'ler Concils auf der Ständeversammlung zu Bourges 1438 unter Karl VII. durch sanctiones pragmaticas (durch Verordnungen, welche die Regierung mit den einheimischen Vorständen der Landeskirche aus dem Pragmatischen, was die Local, und Zeitumstände über alle streitige Theorien hinaus zu erfordern scheinen, schöpft und fancirt) zu verwahren gesucht. Diese von der Regierung und Landesversammlungen bewirkte Anordnungen über die Landestirche aber mußten, im Streben nach einem universell ‹ mächtis gen und universell einträglichen Kirchenregiment der päbstlichen Hierarchie äußerst unangenehm seyn. Sie verstand sich deß. wegen lieber zu gewissen von der Herzensvereinigung (concordia) benannten Uebereinkommnissen zwischen sich und den Re. genten unmittelbar. Und so entstand das erste Muster eines Concordats dieser Art für Frankreich 1516, welches der wür. dige Bischoff Gregoire in feinem wahrhaft historischen Essai hist. s. 1. lib. de l'égl. gallicane etc. als eine antichristliche Berhandlung (transaction antichrétienne, qui désole notre église) characterisirt. Macht paciscirte mit Macht zu wechsel. seitigem Vortheil über das was nur nach dem geistigen Wohl der Kirchenmitglieder, nicht nach Art der Pfründen und Sine: cures, geordnet werden sollte. Macht mit Macht paciscirte de lana alterius, nicht caprina, aber ovium.

Merkwürdig ist folgender Versuch der römischen Universal Souveränetát, der einer erzbischöfflichen Kirche ohne Ein, willigung des irremoorbein Erzbischoffs, des canonischen Sponsus ecclesiae, einen General Bicarius zu geben. Das Breve lautet also:

Venerabili fratri Francisco Archiepiscopo olim Albiensi Pius P. VII.

Ven. Fratri Salutem et benedictionem. Imposita ihumilitati nostrae universi dominici gregis custodia postulat, ut de animarum salute impense solliciti utiliori procurationi illarum ecclesiarum, quae ob diuturnam Antistitum absentiam plurimum caperent detrimenti, opportune consulamus, praesertim ubi de illustrioribus sedibus, amplioribusque dioecesibus res sit, quae pastoris praesentiam multis nominibus requirunt. Cum itaque dilectus filius noster, Joseph Tituli S. Mariae de Victoria S. R. E. Presbyter Cardinalis Fesch, archiepiscopus Lugdunensis, quarto fere abhinc anno ab illa Metropolitana sede sit absens, gravissimaeque causae intercedant, quominus ad eandem redire, ac dioecesin gubernare possit, Nos ad quaelibet praecavenda discrimina atque incommoda eidem dioecesi impendentia, quae in Christi fidelium perniciem contingerent, illius regimini utili decrevimus ratione prospicere. Quapropter re mature perpensa, auditoque consilio selectae congregationis a Nobis specialiter deputatae, Romanorum Pontificum Praedecessorum nostrorum vestigiis inhaerentes, qui ex locorum, temporum ac personarum natura pari remedio pro necessitate vel utilitate ecclesiac usi sunt, ex certa scientia, apostolica auctoritate nostra, supradicto Cardinali Archiepiscopo exercitium Archiepiscopalis jurisdictionis in memorata ecclesia interdicimus et ne ultra in regimine et administratione ejusdem ecclesiae omnino se immisceat, apostolica auctoritate inhibemus; ac te, de cujus fide, doctrina et prudentia plurimum in Domino confidimus, administratorem praedictae Archiepiscopalis Ecclesiae Lugdunensis in spiritualibus et temporalibus ad nostrum et apostolicae sedis Beneplacitum vigore praesentium eligimus, constituimus et deputamus cum omnibus et singulis facultatibus, juri

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bus, praerogativis, honoribus et oneribus, quae ad hujusmodi officium de jure, usu, consuetudine, privilegio spectant et pertinent. Plenam idcirco tibi auctoritatem et facultatem tribuentes, ea omnia et singula gerendi, quae sunt ordinis, quaeque sunt jurisdictionis, facta etiam tibi potestate unum vel plures idoneos vicarios deputandi cum iis facultatibus, quas magis expedire censueris, Mandamus itaque, in virtute Obedientiae, dilectis filiis, Capitulo et Canonicis Metropolitanae ecclesiae Lugdunensis, Clero et populo illius civitatis et dioecesis, ut Te in Administratorem auctoritate apostolica *) deputatum recipiant et admittant, tibique plenam obedientiam et reverentiam exhibeant. Non obstantibus Nostra et Cancellariae apostolicae Regula de jure non tollendo ac quibus vis etiam in Universalibus conciliis **) editis constitutionibus et ordinationibus Apostolicis, privilegiis quoque et indultis quibus vis personis etiam cardinalitiae dignitate fulgentibus caeterisque in contrarium facientibus, quamvis specifica et individua mentione dignis, quibus omnibus et singulis illorum tenores praesentibus pro expressis habentes, illis alias in suo robore. permansuris, ad praemissorum effectum hac vice duntaxat derogamus. Caeterum ne memoratus Cardinalis congrua sustentatione careat, opportune providebimus.

Datum Romae apud S. Mariam Majorem sub annulo

*) Ueber ein auch für den Staat so wichtiges Amt entscheidet eine fremde Macht. Sie fordert von einer Stadt und Kirche beilige Obedien; in Beseßung einer Stelle, welche, wenn alte Canones gelten, der Clerus und das Volk von Lyon eft besehen sollten, oder wenn nach dem Concordat verfahren wer den soll, der Landesregent zu besehen bat. Die fremde Aucto rität aber gibt sogar Vollmacht, daß der von the Bevollmäch tigte wieder andern Vollmacht ertheilen dürfe.

**) ZA da geseßliche Stätigkeit, wo der, welcher unter den Uni verfalconcilien leht, sie durch ein non obstantibus ungültig machen dürfte?

Piscatoris die

ma Octobris anno 1817. Pontificatus

nostri anno decimo octavo.

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Dem Kardinal Fesch wurde dieses Breve durch ein Schreiben des Kardinal Staats Secretärs Confalvi, d. d. 2. Oct. 1817, mitgetheilt. Jener antwortete unter dem gten October: Er sehe nicht die Unmöglichkeit, auch von Rom aus ferner die Kirche von Lyon zu leiten; Kardinal Bernis, Erz. Bischoff von Albi, Oherm des jezt vom Pabst ernannten Ad: ministrators, habe, als französischer Minister zu Rom ange. stellt, bis an sein Lebensende Gleiches gethan... Er, der Kardinal, habe gegen die Zerstückelung des Erzbisthums Lyen sich verwahren zu müssen geaubt durch ein Schreiben an Se. Heiligkeit d. d. 10. Aug. Er könne nach Ehre und Pflicht nicht. refigniren, nicht einen Administrator anerkennen. Bis zum 12. Jan. war der päbstliche neuernannte Administrator zu Lyon noch nicht eingetroffen. Man bezweifelte seine baldige Ankunft. Und wäre dieses Bezweifeln nicht gerecht, was würde anders klar werden, als daß der römische Stuhl, zur nämlichen Zeit, wo das Concordat von 1516 erneuert, also die Nomi nation solcher hohen Kirchenämter dem Regenten überlassen feyn soll, durch die päbstliche Curie eine neue, die fünfte Stufe der Macht, ipso facto einzunehmen suche, uämlich hier einen Erzbischoff von aller Ausübung seines 2mtes blos ex certa conscientia und apostolica (?) auctoritate (chne canonisches Urtheil und Straferkenntniß) auszuschließen und einen Amtsverwalter ad nostrum et apostolicae sedis beneplacitum zu wählen, zu bestellen und abzuordnen. Gerade dieses wäre die weiteste Anwendung der pseudoisidorischen Er. findung, daß der Pabst in der ganzen Kirche sey, was jeder Bischoff in der Seinigen, oder daß er in jeder Kirche Bischoff fey. Alsdann möchte es wohl consequent seyn, daß er ohne den Willen des Regenten, des Clerus und der Kirchengemeins den Administratoren wählte und Deputirte, wie sie irgend gegen das kirchliche Römerthum gehorsam genug zu finden

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