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drucker, der nichts wagt, der nur das commodum fich zueignet, ohne das incommodum zu tragen.

Wenn bei dem Vergleich zwischen Fabrikanten und Nachdruckern nichts weiter in Erwägung zu ziehen wäre, als das Nachahmen eines Gegenstandes, so mögte der Vergleich immerhin gelten; allein der Gegenstand selbst begründet oft, und auch hier, den himmelweiten Unterschied. Wenn irgend ein Luchfabrikant ein Privilegium erhält, eine gewisse Gattung Tuch ausschließlich zu liefern, so wird ihm vielleicht die Industrie einer ganzen Gegend aufgeopfert; wenn aber ein Lafontaine allein das Recht hat, die Copien seiner Fabeln zu vervielfältigen, so hindert das La Motte keinesweges, auch Fabeln zu dichten.

Folglich ist auch unpassend das von Nachahmung eines Kunstwerks hergenommene Gleichniß. Freilich wird da auch der Gedanke oder, wenn man will, der Geist des Kunstwerks dargestellt. Doch nie so, wie der Künstler ihn aufgefaßt. Ein Gemählde, eine Bildsäule lassen sich nie genau so copiren, wie die Buchstaben. Ein Gemählde ist das Kunstwerk selbst, ein Buch hingegen nur das Mittel, es dem Geiste darzustellen. Wer dem Mahler die Pinselstriche nachahmt, der liefert darum sein Kunstwerk nicht; wer aber dem Schriftsteller die Zeichen nachmacht, durch die er sich verständigt hat, der eignet dessen Werk sich ganz so zu, wie es aus dem Geiste des Vers fassers entsprang. Nachahmungen von Kunstwerken liefern nicht das Original, welches von Kennern doch immer vorgezogen wird; wohl aber thut es der Nachdruck. Es giebt viele schlechte Porcellainfabriken, über welche die Fabrik zu Meissen sich nie beklagen wird, denn die Feinheit ihres Grundstoffes sichert ihr den Absaß; es giebt aber keinen einzigen schlechten Nachdruck, der nicht auch den Grundstoff des nachgedruckten Werkes lieferte. Mögen hundert Dichter, Jeder eine Marie Stuart schreiben, das bringt dem Absatz von Schillers Werken keinen Nachtheil.

Die Sophisten sprechen viertens:

Wenn der Nachdruck unrechtmäßig wäre, wozu bedürfte es der Privilegien?

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Hier muß gefragt werden: was ist ein solches Privilegium? eine Zusicherung der Obrigkeit, den Verleger bei seinem Verlagsrecht zu schüßen. Dieses Recht (das Eigenthum) hat folglich die Obrigkeit schon anerkannt, denn über ein Gemeingut würde sie kein Privile gium ertheilen. Es ist weiter nichts, als was im Mittelalter das Geleite war, welches man auf unsichern Landstraßen sich auswürkte. Niemals haben die Obrigkeiten jener Zeiten dadurch ein gewisses Recht der Straßenräuber anerkennen wollen, den Reisenden zu plündern, wenn er ohne Geleite daher zöge; eben so wenig als in unfern Lagen eine Sauvegarde ein Plünderungsrecht feindlicher Truppen begründete.

Als die Buchdruckerkunst erfunden wurde und jedes damals vorhandene Buch schon in Abschriften in mehreren Händen war, da konnte Jeder, der eine solche Abschrift rechtlich besaß, auch mit Recht sie drucken, wenn der Verfasser oder dessen Erben nicht mehr lebten. Aber daß man auch damals schon den ausschließlichen Verlag als ein wohl zu verleihendes Eigenthumsrecht betrachtete, das beweisen die Privilegien, die schon seit 1494 ers theilt wurden. Die damaligen Regierungen traten also gleichsam an die Stelle des nicht mehr lebenden Schriftstellers, indem sie das Eigenthumsrecht an dessen Schrift dem Buchhändler verkauften oder schenkten und den Nachdrucker eines solchen Werkes mit namhafter Strafe belegten. Wenn damalige Regierungen ihr, vielleicht noch zweideutiges Recht übertragen und die Beachtung ihres Verbots fodern konnten, wie dürften die heutigen sich entziehen, dasselbe, aber unzweideutige Recht des Schrifts stellers zu schüßen?

Ein ganz ähnlicher Fall, wo auch die Regierung die Rechte des Schriftstellers übt, ereignet sich noch täglich mit den sogenannten Hofzeitungen, deren Verlagsrecht, gegen eine Abgabe oder Pachtzins, (ein wirkliches Honorar) dem Herausgeber überlassen wird. Wie, wenn Jemand eine solche Zeitung in derselben Stunde, in wels cher sie erscheint, nachdruckte und, da ihn das Verlagsrecht nichts kostet, wohlfeiler verkaufte? würde die Regierung den Nachdruck nicht verbieten? und hat sie ein anderes, besseres Recht dazu, als der Schriftsteller? Würde sie nicht, gleich diesem, auf den Schaden sich bes rufen, der dem rechtmäßigen Verleger dadurch zugefügt werde? Was sie verbieten darf, wenn es ihr Schaden bringt, darf sie es erlauben, selbst wenn es ihr Vortheil brächte?

Bücherprivilegien sind, in Beziehung auf das Recht, überflüssig, und der Nachdruck wird nicht erst durch ein einem Werke ertheiltes Privilegium unrechtmäßig. Er ist es schon an sich, und durch das Privilegium soll, wie in manchen andern Fällen, nur ein schon gegründetes Recht noch mehr befestigt werden.

Wenn der Nachdruck eines nicht privilegirten Buches rechtmäßig wäre, warum findet man ihn nie in demselben Lande, in welchem das Original gedruckt worden? Warum erbittet sich so selten ein Verleger von seinem eignen Landesherrn ein Privilegium, wenn gleich der Nachdruck durch die Geseße eines Landes nicht ausdrücklich verboten ist? Darum, weil er in einem solchen Falle ohnehin bei seinem Rechte geschützt werden würde. Wie könnte aber ein Staat sich weigern, den Unterthanen eines fremden Staates dieselbe Gerechtigkeit angedeihen zu lassen, die er für seine eignen Unterthanen fodert? und die er selbst in der Natur der Sache für gegründet hielt ?

Der fünfte und leßte Scheingrund der Sophiz ften ist:

Die gefürchtete Vertheuerung der Bücher.

Diese Furcht ist leer. Gesetzt auch, alle Buchhändler verbänden sich, die Bücherpreise zu steigern, wie leicht könnten polizeiliche Maßregeln einem solchen Unfug steuern? Man hat Polizeigeseße für die leibliche Speise, das Brod, warum sollte die geistige Speise, die cultivirten Natio nen eben so unentbehrlich ist, nicht ähnlichen Geseßen unterworfen seyn?

Schon Pütter sagt: wenn der wohlfeile Preis den Nachdrucker rechtfertigen könnte, so dürfte man auch den Hehler und Stehler für gemeinnüßig halten. Er führt sogar mehrere Beispiele an, wo der Nachdruck theurer verkauft wurde, als das Original.

Wenn die Klage einiger hundert Personen, die, ohne Rücksicht auf Recht, Billigkeit und allgemeinen Vors theil, gern ihre Bücher um einige Groschen wohlfeiler kaufen mögen, auch nur das kleinste Gewicht in die Wagschale werfen könnte, so hätte man überhaupt die Buchdruckerkunst schon im Entstehen unterdrücken müssen, denn Lausende von Abschreibern verloren durch diese Erfindung, nicht einige Gröschen, sondern ihr Brod. Jene Käufer werden, wenn sie Künste und Wissenschaften aufrichtig lieben, die Kleinigkeit künftig an andern Liebhabereien ersparen, diese Abschreiber hingegen, wenn sie keinen andern Nahrungszweig hatten, geriethen an den Bettelstab. Dennoch achtete man ihre Klagen nicht, denn sie wurden verschlungen von dem allgemeinen Jubel über den Nußen der neuen Erfindung, gleichwie die Klagen der Wohlfeilkäufer verhallen würden in dem allgemeinen Zujauchzen aller rechtlichen Leutschen, wenn die hier vorgetragenen Wünsche nicht unerfüllt bleiben.

Sollte den Käufer eines Nachdrucks, indem er mit Vergnügen das Werk las, nie der Gedanke in seiner Lust gestört haben: „Durch Ersparung einer Kleinigkeit habe ,,ich dazu beigetragen, daß vielleicht derjenige, der mir ,, eben jezt durch sein Geisteswerk einen angenehmen Ge

,,nuß gewährt, mit einer von Sorgen beklemmten Brust ,, auf seine Kinder blickt und seufzend, unmuthsvoll die ,,Feder wegwirft, die er so eben wieder ergriffen hatte, um mir einen neuen ähnlichen Genuß zu bieten?" Was wäre die Wiedergeburt unserer Zeit, wenn der heillose Egoismus, den man mit Recht uns vorwarf, unvertilgt bleiben sollte ?

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Freilich kann der Nachdrucker wohlfeiler verkaufen, denn sein Gewissen ist umsonst ihm feil, und die auf den Druck verwandten Kosten bezahlen nur die Schale, nicht den Kern.

Es ist bekannt, daß der Verleger oft mehrere hundert Eremplare abseßen muß, ehe er nur das Honoras rium des Schriftstellers gewinnt; der Nachdrucker hinges gen, der nur die Auslage eines einzelnen Exemplars zu machen hat, sobald die geringen Druckkosten erseßt worden sind, zicht reinen Gewinn von jedem nachgedruckten Exemplar, ohne zu fragen, ob der Schriftsteller, dessen Werk ihn bereichert, für seine Mühe, seinen Fleiß, sein Genie belohnt werden kann oder nicht. Ohne zu säen verkauft er das Korn, ehe noch der Säemann den Bes trag seiner Aussaat wieder geerndtet hat.

Man bedenke ferner, daß bei vielen und gerade bei den nüßlichsten Werken, der Verleger selten auf schnel len Absaß rechnen kann. Allein er kennt den Werth des von ihm gedruckten Buches, er betrachtet es als ein Kas pital, das, wenn auch erst nach Jahren, ihm Zinsen tragen wird, in dieser Ueberzeugung schießt er ansehnliche Summen vor und fördert ein Werk an's Licht, wels ches, ohne solchen Vorschuß, vielleicht nie hätte erscheis nen können; er macht sich folglich hoch verdient um das Publikum und um die Wissenschaften: und siehe da, plößlich raubt ihm ein Fremder Kapital und Zinsen. Soll das sein Dank seyn?

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