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Reichs-Geseß-Blatt

für das

Kaiserthum Desterreich.

Jahrgang 1858.

XIII. Stück.

Ausgegeben und versendet am 7. April 1858.

44.

Erlaß der oberßten Rechnungscontrols-Behörde vom 17. März 1858,

wirksam für das lombardisch-venetianische Königreich,

womit eine provisorische Vorschrift über die Einrichtung theoretischer Prüfungen aus der Staatsrechnungs-Wissenschaft kundgemacht wird.

S. 1.

Es ist von der obersten Rechnungscontrols-Behörde im Einvernehmen mit dem Finanzministerium und dem Ministerium des Cultus und öffentlichen Unterrichts beschlossen worden, nach den Aenderungen, welche bezüglich des Studiums der Staatsrechnungs-Wissenschaft in Folge des Erlasses des legtgenannten Ministeriums vom 18. October 1857, Nr. 199-des Reichs-Gesez-Blattes, mit dem Studienjahre 1857-58 an den Universitäten zu Pavia und Padua ins Leben zu treten hatten, zur Abhaltung von Prüfungen aus der StaatsrechnungsWissenschaft eine provisorische Vorkehrung für das lombardisch-venetianische Königreich zu treffen und für diesen Zweck eigene Prüfungscommissionen aufzustellen, wie solche in den übrigen Kronländern des österreichischen Kaiserstaates in Folge des Erlasses des vorbestandenen GeneralRechnungsdirectoriums vom 17. November 1852, Nr. 1 des Reichs-Gesetz-Blattes vom Jahre 1853, schon seit längerer Zeit bestehen.

S. 2.

Diese Commissionen werden zu bestehen haben: in Mailand für die lombardischen und in Venedig für die venetianischen Provinzen.

S. 3.

Vor diesen Commissionen haben, in soweit nicht für besondere Diensteszweige eigene Einrichtungen oder Vorschriften Geltung haben, die Prüfung aus dem erwähnten Lehrfache alle Diejenigen abzulegen, welche durch ihr schon bestehendes Dienstesverhältniß, oder zum Behuse einer beabsichtigten Dienstesbewerbung in der Verpflichtung stehen, über die Zurücklegung dieses Lehrfaches mittelst eines staatsgiltigen Prüfungszeugnisses sich auszuweisen.

S. 4.

Candidaten, welche in einer Universitätsstadt

a) im Dienste stehen, oder auch nur domiciliren, oder

b) daselbst die Oberrealschule oder das Obergymnasium besucht, oder c) rechts- und staatswissenschaftliche Studien betrieben haben, können zu dieser Prüfung von der Prüfungscommission nur dann zugelassen werden, wenn sie sich ausweisen, daß sie die Universitätsvorlesungen über die Staatsrechnungs-Wissenschaft einen ganzen Jahrescurs hindurch mit genügendem Fleiße besucht haben. Es wird aber auch in anderen Fällen Bewerbern um Anstellungen im Comptabilitäts- oder Cassadienste zur Empfehlung gereichen und ihnen einen Vorzug einräumen, wenn sie die bemerkten Vorlesungen gehört, und nach bewiesener Frequertation die Prüfung aus jenem Fache mit gutem Erfolge abgelegt haben.

S. 5.

Es können jedoch auch solche Candidaten, welche die Vorlesungen über Staatsrechnung8Wissenschaft an einer öffentlichen Lehranstalt nicht gehört haben, von den Commissionen zur Prüfung zugelassen werden, wenn sie sich darüber ausweisen, daß sie wenigstens das Untergymnasium oder die Oberrealschule mit gutem Erfolge zurückgelegt haben, oder daß sie sich im Cassen- oder Comptabilitätsdienste der öffentlichen oder einer städtischen Gemeindeverwaltung bereits verwenden.

Solche Prüfungscandidaten haben übrigens in ihren Gesuchen um Zulassung zur Prüfung die theoretischen Hilfsmittel anzugeben, mittelst welchen sie sich das Lehrfach angeeig= net haben, worauf bei der Prüfung geeigneter Bedacht genommen werden wird.

Andere Fälle der Zulassung solcher, welche überhaupt zu Folge ihrer nachgewiesenen Vorbildung und ihrer bisherigen Civil- oder Militär-Dienstleistung zur Erwartung berechtigen, daß sie sich, ohne Vorlesungen besucht zu haben, mit Erfolg die Staatsrechnungs-Wissenschaft eigen gemacht haben, sind der obersten Rechnungscontrols-Behörde vorbehalten.

S. 6.

Jede Prüfungscommission besteht aus einem Präses und zwei Eraminatoren. Bei der Prüfungscommission in Mailand ist stets der Professor der Staatsrechnungs-Wissenschaft an der Universität zu Pavia, und bei der Prüfungscommission in Venedig jener zu Padua Mitglied der Prüfungscommission und prüft immer zuerst.

Der Vorstand und die Eraminatoren werden, und zwar Lestere in einer, der Menge der Prüfungscandidaten und dem Bedürfnisse eines Wechsels entsprechenden Anzahl von der obersten Rechnungscontrols-Behörde ernannt.

S. 7.

In der Regel ist die Prüfung bei der Prüfungscommission in Mailand abzulegen, wenn der Candidat im lombardischen Gebiete, und bei jener in Venedig, wenn der Candidat im venetianischen Gebiete domicilirt.

Auch die in Folge von Reprobationen wiederholten Prüfungen müssen in der Regel bei derselben Commission abgelegt werden, bei welcher die erste (mißlungene) Prüfung stattfand.

Die Commissionsvorstände haben sich bei solchen Candidaten, welche erst seit Kurzem ihr gegenwärtiges Domicil inne haben, oder wo sich überhaupt der Verdacht einer Umgehung der unter §. 17 gegebenen Bestimmungen ihnen aufdringt, auf die ihnen geeignet scheinende Weise, allenfalls auch durch Correspondenz mit der Prüfungscommission des Krønlandes, in welchem der Candidat früher domicilirte, zu vergewissern, ob der sich meldende Candidat nicht schon vorher von einer anderen Commission wiederholt reprobirt worden sei.

Ausnahmen von den hier aufgestellten Regeln aus besonders rücksichtswürdigen Gründen zu bewilligen, ist der obersten Rechnungscontrols-Behörde vorbehalten.

S. 8.

Zur Ablegung der Prüfung ist ein schriftliches, gehörig gestämpeltes Gesuch bei dem Vorstande der betreffenden Prüfungscommission einzureichen, und es sind diese Gesuche mit den in den SS. 4 und 5 vorgeschriebenen Nachweisungen zu belegen.

S. 9.

Der Commissionsvorstand hat das Gesuch und dessen Beilagen genau zu prüfen, und wenn er sie anstandslos findet, dem Candidaten Ort, Tag und Stunde der Prüfung zu bestimmen.

S. 10.

Bei geringen Anständen, welche von dem Candidaten behoben werden können, hat der Commissionsvorstand diesen zu belehren, in zweifelhaften Fällen aber ist über die Zulassung zur Prüfung in der Prüfungscommission zu berathen, und entweder nach den Bestimmungen dieser Vorschrift der Beschluß nach Stimmenmehrheit zu fassen, oder die Entscheidung der obersten Rechnungscontrols-Behörde einzuholen. Gegen einen abweislichen Bescheid der Prüfungscommission steht die Berufung an die oberste Rechnungscontrols-Behörde offen.

S. 11.

Die im §. 5 erwähnten Prüfungsbewerber und nur diese sind zum Erlage einer Prüfungstare von acht Gulden Conventions-Münze verpflichtet, die unter die Mitglieder der Commission nach besonderen Bestimmungen getheilt wird. Diese Tare ist von den Prüflingen spätestens 24 Stunden vor Vornahme der Prüfung bei der von dem Commissionsvorstande bezeichneten Casse zu erlegen, und es ist sich über die bezahlte Prüfungstare durch Beibringung der Quittung auszuweisen.

S. 12.

Bei der Zuweisung der Prüfungstage hat sich der Commissionsvorstand in der Regel an die Ordnung zu halten, in welcher sich bei ihm die Candidaten gemeldet haben.

S. 13.

Zu der für die Abhaltung der Prüfung festgesetzten Stunde tritt die Commission an dem dazu bestimmten Orte zusammen, und nimmt vor Allem Einsicht in das, über die bestellten

Candidaten angelegte, ihre Nachweisungen, ihre Studien und die Tarentrichtung, wo sie eintritt, darstellende Verzeichniß, worauf der Commissionsvorstand die für den Tag bestellten Prüfungsbewerber in der Regel in alphabetischer Ordnung zur Ablegung der Prüfung vorruft.

S. 14.

Ist ein Vorgerufener nicht anwesend, und erscheint derselbe auch nicht später, noch vor Schluß der Prüfung, so erhält er die Note „bei der Prüfung nicht erschienen“ und muß, wenn ein entschuldigendes Hinderniß nicht von dem Vorstande der Prüfungscommission unmittelbar anerkannt wird, neuerlich um Zulassung zur Prüfung einschreiten.

S. 15.

Die Prüfung wird in der Regel zugleich mit zwei, bei größerem Andrange aber zugleich mit drei Prüfungsbewerbera, und nur ausnahmsweise je mit Einem Prüfungsbewerber vorge= nommen. Sie soll im ersten Falle mindestens fünfviertel Stunden, im zweiten Falle mindestens anderthalb Stunden, und im legten Falle mindestens dreiviertel Stunden andauern.

S. 16.

Die Prüfung ist mündlich, es wird dabei der Prüfling von den zwei Prüfungscommissären aus sämmtlichen Haupttheilen der Wissenschaft geprüft, und es soll hiedurch sowohl der Umfang der von ihm darin sich angeeigneten Kenntnisse, wobei übrigens auf die benüßten Lehrmittel angemessene Rücksicht zu tragen ist, als auch insbesondere die Gewandtheit in der Auffassung, und die Schärfe im Urtheile erprobt werden.

Auch der Vorstand soll dem Prüflinge zum Schluß eine oder die andere Frage insbesondere dann vorlegen, wenn er aus den vorausgegangenen Antworten des Candidaten die beruhigende Ueberzeugung, mit welchem Calcül der Prüfling zu betheilen sei, nicht erlangt zu haben meint.

S. 17.

Nachdem die gleichzeitig geprüften Candidaten abgetreten sind, wird von den Commissionsgliedern zum Behufe der Abstimmung die Berathung gepflogen.

Zuvörderst stimmen sie über die Frage ab: ob der Prüfling nach Maßgabe der abgelegten Prüfung für den Comptabilitäts- und Cassedienst als „befähiget" sich erwiesen habe und im bejahenden Falle: ob dieß mit Auszeichnung geschehen sei.

Ist die Frage der Befähigung verneint worden, so wird weiter erkannt, in welcher frühestens nach zwei Monaten festzusehenden Frist die Wiederholung der zum ersten Male

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mißlungenen Prüfung zu bewilligen sei.

Der Beschluß in der einen und anderen Nichtung wird durch Stimmenmehrheit gefaßt. Hiebei stimmen zuerst die Prüfungscommissäre in der Ordnung, in welcher sie geprüft haben, und zuleßt der Vorstand. Nach zweimaliger Reprobirung kann eine unmittelbare Wiederholung der Prüfung von der Prüfungscommission nicht bewilliget werden, sondern es haben in der Regel sowohl Autodidakten, als solche Candidaten, welche die öffentlichen Vorlesungen über die Staatsrechnungs-Wissenschaft besucht haben, wenn sie nochmals einer Prüfung sich zu unterziehen wünschen, vorher die Vorlesungen des Lehrfaches an einer öffentlichen Lehranstalt durch ein ganzes Jahr zu hören, wobei es bezüglich jener Candidaten, die sich im Staatsdienste befinden, der ihnen vorgeseßten obersten Behörde anheimgestellt bleibt, zu entscheiden, ob es

gestattlich sei, ihnen den Besuch der Vorlesungen zu ermöglichen, oder sie zur nochmaligen Prüfung ohne einen Besuch der Vorlesungen zuzulassen.

S. 18.

Der über den Prüfungsbefund gefaßte Beschluß wird von einem Prüfungscommissäre in das angelegte Verzeichniß eingetragen, und daselbst von allen Commissionsmitgliedern durch eigenhändige Namensunterschrift bestätiget.

S. 19.

Sind auf solche Weise sämmtliche für eine bestimmte Periode zur Prüfung zugelassene Bewerber der Prüfung unterzogen worden, so wird vom Commissionsvorstande der Schluß der Prüfungen für die betreffende Periode ausgesprochen.

§. 20.

Hiernach veranlaßt der Commissionsvorstand die Ausfertigung der mit dem vorschriftmäßigen, von dem Prüflinge beizubringenden Stämpel versehenen Zeugnisse, wobei diese Zeugnisse von sämmtlichen Commissionsgliedern unterzeichnet, mit dem ämtlichen Siegel des Commissionsvorstandes versehen, und an die Betreffenden gegen Bescheinigurg ausgefolgt werden. Den Reprobirten werden keine Zeugnisse ausgestellt.

S. 21.

Es versteht sich übrigens, daß weder die bisherigen geseglichen Bestimmungen über die Erfordernisse zur Anstellung bei Staatscassen, Buchhaltungen und Rechnungsämtern, noch jene speciellen Prüfungen, die in diesen Dienstzweigen eingeführt sind, durch die gegenwärtige Vorschrift irgend eine Veränderung erleiden.

15.

Graf Wilczek m. p.

Verordnung der Ministerien der Justiz und der Finanzen vom 21. März 1858,

wirksam für Oesterreich ob und unter der Enns, Salzburg, Steiermark, Kärnthen, Krain, Küstenland, Tirol, Vöhmen, Mähren und Schlesien,

über die theilweise Abänderung des §. 39 der Verordnung vom 16. November 1850, Nr. 448 des Reichs-Geseß-Blattes.

Mit Rücksicht auf eine wünschenswerthe Erleichterung in der Erhebung des baren Caffestandes der Waisencassen wird die Bestimmung des §. 39 der Verordnung vom 16. November 1850, Nr. 448 des Reichs-Gesetz-Blattes, über die cassenmäßige Behandlung des Waisen-, Curanden- und Depositen-Vermögens dahin abgeändert, daß das für die Pflege befohlenen in Papiergeld oder Scheidemünzen eingehende bare Geld mit dem in gleicher Beschaffenheit vorhandenen baren Gelde anderer Pflegebefohlenen gemeinschaftlich aufzubewahren ist. Hiedurch bleibt die Verwahrung der eigentlichen gerichtlichen Depositen in abgesonderten Umschlägen in allen Kronländern, für welche die gegenwärtige Verordnung Geltung hat, unberührt.

Graf Nádasdy m. p. Freiherr von Bruck m. p.

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