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des Lehensherrn dieser gemäß der Rechtssitte sein Eigenthum an den Vasallen verwirkte. Denn zur damaligen Zeit war die Ansicht vom getheilten Eigenthume noch keineswegs durchgedrungen. Eine intéressante Bestätigung unsrer Auffassung von dem allmählichen Heranwachsen des vasallitischen Besizrechtes zu Eigenthum finden wir in der in Tit. 47 ebend. referirten Streitfrage. Daß durch keine Felonie der Lehensherr jein Eigenthum verwirken könne: diese älteste Meinung milderte sich später durch Statuirung einer Ausnahme für große Felonie; schließlich siegte der Grundsaß, daß solche Felonie, welche, vom Vasallen begangen, diesen des Lehens beraube, gleichmäßig auch auf Seite des Lehensherrn wirke. Obwohl hierdurch nur gleichsam die Ebenbürtigkeit des gegenseitigen Treu verhältnisses ausgesprochen war, der Rechtsverlust als bloße Strafe erschien: so mußte dieß doch auch auf die privatrechtliche Entwickelung der Anschauung über das vafallitische Besizrecht günstig influiren. Als Consolidation erscheint die Wirkung dieses Falls im preuß. L.-N. I. Tit. 18 §. 640.

Segt man nun zunächst, wie billig, die römische Auffassungsweise bei Seite, und hält sich an das Thatsächliche jener deutschen Rechtsgestaltungen: so besteht das Unter- oder nugbare Eigenthum in einer Leihe zu Nug und lediglicher (unvollkommner, nicht eigentlicher) Gewer (Eichhorn, Einl. §. 160). In letrer ist der „Eigenthums"-Charakter belegen. Was die römischen Juristen für den einfachen Nießbrauch verwarfen dessen Verbindung mit utilis rei vindicatio das finden wir im deutschen Recht für diesen potenzirten (erblichen, auf „außerordentliche“ Nußungen erstreckten u. s. w.) Nießbrauch anerkannt, der demnach zwischen römischen Eigenthum und römischem Nießbrauch die Mitte hält.

Prüfen wir schließlich die Ergebnisse dieser Auffassung im preußischen Landrecht. 1) Daß grade nur der Körper der Sache Eigenthumsgegenstand sei, war mit der Duplizität des Eigenthums

1) Bei der Conzeption des L.-R.'s fehlte es nicht an Monenten, welche die innere Untheilbarkeit des Eigenthums behaupteten. Die Gründe, aus welchen Suarez sie widerlegt, sind sehr oberflächlich: 1) im dominium seien mehrere Rechte begriffen, also könne auch das eine einer oder der andern Person ausschließend, ein andres beiden gemeinschaftlich zukommen.

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nicht vereinbar. ← Diese Duplizität zugegeben, war kein Grund vorhanden, nur über körperliche Sachen von Eigenthum zu reden. Fiel diese Schranke, so stand jedes (substanzielle) Vermögensrecht im Eigenthum des Berechtigten, so hatte auch der Nußnießer das Eigenthum seines Nießbrauchs, der Gläubiger das Eigenthum seines Forderungsrechts. 1) So ist denn auch nach L.-N. I tit. 18 §. 2 Alles, was einen ausschließenden Nußen gewährt, Gegen= stand des Eigenthums, 2) und nach §. 1 Eigenthümer, wer befugt ist, über die Substanz einer Sache oder eines Rechts zu verfügen. Hier wird Jeder fragen, was ist nun aber Sacheigenthum? Denn daß mit jener Begriffserweiterung lediglich ein vulgärer Sprache gebrauch sanktionirt, juristisch aber Nichts gewonnen ist, leuchtet ein. 3) Statt dessen finden wir nur den Schlüssel zum getheil ten Sacheigenthum, in § 16: „Das Eigenthum einer Sache ist getheilt, wenn die darunter begriffenen verschiedenen Rechte verschiedenen Personen zukommen. Aber wo bleibt da das Sacheigenthum selbst? Offenbar hört es auf; jene verschiedenen Personen sind Nichts als Rechtseigenthümer (§. 4). Dieß ist auch von den Redaktoren vollkommen begriffen: §. 17: Insofern meh rere Personen an einem dieser Rechte theilnehmen, ist das Recht, nicht aber die Sache selbst, ihr gemeinschaftliches (römisches Mit [SS 14, 15]) Eigenthum.“ -- Schlimmer ist, daß, damit auch die Elastizität des Eigenthums im getheilten Eigenthum zu Grundé bhore boht 19:

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2). Die Theilung sei einmal rezipirt. 3) Man könne unmöglich den dominus. utilis als einen bloßen Nugnießer behandeln u. s. w. Vgl. Bornemann, System, 2. Aufl. (1838) Bb. 4 §. 287 S. 73, Anm,

lezteres vgl. Delbrüd Uebernahme fremder Schulden (1853) in der Einleitung. Die Theorie des röm.' Eigenthums darf man hierauf

nicht anwenden.

2) Dieß geht offenbar noch weiter wie Eigenthum im Sinne von Gewere in älteren deutschrechtlichen Zeugnissen (# dingliches Recht: Beséler gem. deutsch. Priv.-R. Bd. II [1853] .40). R 897 198 199

...! 3), und› ist sgefühlt, im Desterreich. G.-B. §. 353,Alles, was Jemanden zugehört, alle seine körperlichen und unkörperlichen Sachen, heißen sein Eigenthum." §. 354: „Als ein Recht betrachtet, ist Eigenthum das Befugniß, mit der Substanz und den Nutzungen einer Sache nach Willkühr zu schalten und jeden Andern davon auszuschließen.“ Vgl. Win i warter: System, ' 2. Aufl. (1839), Th. II, zu §. 353, S. 106 sur

Pagenstecher: Eigenthum.

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geht, 1) so sehr sie Jedem für sich (vgl. auch §. 3) innerhalb› seiner Rechtssphäre, sowie bei Erlöschen des Rechts des Anderen zuerfannt ist. Arg. §§. 23, 24; auch Tit. 9 §. 96.vv.: „Das freie Eigenthum", und die Fassung im Tit. 18 §. 7: „Auch außerordentliche Nußungen, welche sonst (nämlich bei ungetheiltem Eigenthum) nur dem wirklichen Eigenthümer der Sache gehören, kommen dem nugbaren Eigenthümer zu“, d. h. in dessen ungetheiltes Eigenthum; so der Erbkur (II. Tit. 16, §. 119), der Schazantheil des „Grundeigenthümers“: 2) I. Tit. 9, §§. 94-96 (ebenso bair. L.-R. Th. II, Kap. 3, §. 4). Zwar, soweit Oberund Unter-Eigenthümer eines Sinnes sind zu Verfügungen über die Sache (Proprietät“: preuß. L.-R. I. Tit. 18, §. 2), repräsentirt dieser gemeinsame Wille den Sacheigenthümer. Aber dieser Gemeinsamkeit entspricht kein Realtheilungsanspruch, welcher die verschieden. Gesinnten auseinanderseßte, ihre Willensfreiheit und ihren Sachanspruch gleichmäßig wahrte. Ja, nicht einmal Veräußerungsfreiheit steht dem nugbaren Eigenthümer immer zu. So muß. ihm das Obereigenthum persönlich und fachlich als ein ungerechter Druck erscheinen, so lange dessen Unablösbarkeit gilt.

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Die Fälle getheilten Eigenthums sind nur wenige im L.-R. Bei Erbpacht tritt so wenig Theilung des Eigenthums ein, wie durch Ausseßung von Grundstücken zu Berußung und Kultur (L.-R. I Tit. 21, Abschn. 4). So steht die Erbpacht im 21. Titel hinter dem Nießbrauch, und mit demselben unter den Rechten zum Gebrauche oder Nuzung fremden Eigenthums. Nicht dagegen ist S. 201: „Die Erbpachtsgerechtigkeit ist das volle Eigenthum, des Pächters u. s. w." Denn hier ist nicht Sacheigenthum gemeint; das Beiwort volle" deutet auf die Idee, daß man sich auch das Nugungsrecht fremden Eigenthums ebenso „getheilt“ denken könne

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1) D. h. die Rechtsvermuthung der Fülle der rechtlichen Macht über die Sache steht bei Keinem von Beiden.

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2) Wogegen der Erbpächter auch hier gar nicht, der Superfiziar nur über die ihm zustehende Oberfläche als Eigenthümer gilt, und von diefen daher nur (I Tit. 9. §. 97) lettrer, und auch dieser lediglich den über der Erde in seinem Rechtsbereich gefundnen Schaß erwirbt: §. 98. Diese Be schränkung des Superfiziars gegenüber der ältreu falschen: Theorie enthält eine Rückkehr zu richtigerer Auffassung.

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wie das Sacheigenthum (arg. der gleich darauf folgende Abschnitt desselben Titels, rubr. „Von dem eingeschränkten Gebrauchsund Nugungs-Recht fremder Sachen“).

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Jm Begriff des Lebens liegt nach 2.-R. I, Tit. 18, §. 13 das nugbare Eigenthum. Dagegen der Zinsgutbesizer 1) ist präsumtiv ächter Sacheigenthümer unter Reallast: §. 681 (ebenso im bair. L.-R. TH. IV, Kap. 7, §. 33; im königl. sächsischen Recht: eod. Augustens [ünig I,, S. 98 f.], vgl. Haubold, Lehrb. 2. Abth. [3. Aufl. 1848] §. 459 a. E.; und in den herzoglich sächsischen Rechten, vgl. Heimbach, Lehrb. §. 355); insofern hat hier also bereits die eine objektive Rechtsanschauung gesiegt. 2) Möglich_indeß bleibt, daß er Nichts vom Sacheigenthum hat: §. 682, oder, was erst zu allerlegt geglaubt wird, daß das Eigenthum getheilt ist: §. 683. Die Verleihungsumstände, welche nach FF. 685-687 auf Theilung des Eigenthums schließen lassen" Abgabe zu Anerkenntniß des Obereigenthums; unkultivirtes Land, unter Be dingung der Kultivirung, gegen Kanon, insbesondere wenn einer juristischen Person verliehen - weisen auf die römische Emphyteuse hin, die von der deutschrechtlichen Erbpacht um so schärfer zu sondern ist. Bei solchergestalt getheiltem Eigenthum ist technisch von Erbzinsgut, Erbzinsmann und Erbzinsherr die Nede. Endlich hat nach L.-R. II, 4, §§. 72. 73 der jedesmalige Familienfideikommißinhaber das nugbare, die Familie das Obereigenthum. Die lettere Auffaffung, obwohl auch in der bairischen und östrois: chischen Gesetzgebung vertreten, kann vom neuesten Standpunkte deutscher Rechtswissenschaft aus als eine richtige nicht mehr zuge geben werden. Beseler: gem. deutsch. Priv.-R. Bd. III (1855), §. 176, Nr. V ff. Bað. L.-R.'ssaß 577 c e.: „Der jeweilige Stammherr hat am Stammgut ein unzertheiltes Eigenthum, das aber, in seinem Gebrauch beschränkt und in seinem Genuß belastet ist." Zwar die Rubrik des Kapitels lautet noch, dem her

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1) §. 680: Wenn Jemanden der Besitz und Genuß eines Grundstücks gegen eine davon zu entrichtende gleichförmige und beständige Abgabe, verliehen worden: so wird ein solches Grundstück ein Zinsgut genannt.

1:2), Ausdrückliche Berufung auf „Billigkeit“ als Grund dieser Rechtsvermuthung finde ich bei Lünig a. a. D. XXXIX. *་

kömmlichen Namen zu lieb: „Von Familieneigenthum oder Stammgut." Beffer wäre: „Von sogenanntem Familieneigenthum." Der Ausdruck unzertheilt" ist treffender als der andere gewöhn= liche „ungetheilt“, da ja das Sacheigenthum in der Theilung des Rechtsinhalts erlöscht. Die Familie ist in der Regel nicht einer juristischen Person gleich zu achten. Das Lehenswesen hat nur noch eine trümmerhafte Existenz. Die Ablösung des Obereigenthums überhaupt ist in Preußen durch Gesetz vom 2. März 1850 geschehen. 1). Die Emanzipation des Grundeigenthums durch dessen

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1) Bair. Gesetz 13. Juni 1848; dazu Pözl ́in Dollmann's Gefeßg. des K.-R.'s Bayern, I, 1 S. 155 ff. (1855). Die Ablösbarkeit gegen Entschädigung, durch einseitigen Willen des Belasteten, wird Regel. „Für das bloße D.-E., mit dem das Recht, eine Besigänderungsabgabe zu erheben, nicht verbunden ist, wird keine Entschädigung geleistet. Wo daher nur ein solches bis jetzt bestand, da erlischt der Grundverband mit dem Tage der Publikation des Gesetzes": Pözl a. à. D. S. 208 f., in Auslegung von Art. 15. Andrenfalls konsolidirt sich nach Art. 16 mit der nach Maßgabe des Gesezes erfolgten Firirung der Besigänderungsabgaben das Eigenthum in der Person des Grundholden. Nach Art. 17 darf in Zukunft keine Verleihung unter Vorbehalt des Obereigenthums mehr stattfinden. Vgl. d. preuß. Ges. §. 91. Dieß paßt auch auf offerirte Güter, denn als juristische Form hierfür gilt stets Uebertragung des vollen, Rückempfang des nußbaren Eigenthums. Ueber Lehengüter aber ist für Bayern maßgebend das besondre Gesetz vom 4. Juni 1848 (Pözl a. a. D. S. 335–373): Ablösbar=^ keit des Lehenverbandes durch Erlegung einer Entschädigung, welche geset=" lich normirt ist (Ausnahmen in Art. 2), aber wegfällt (Art. 3) bei oblata und emtitia feuda. Für Baden vgl. das fünfte Constitutionsedikt (1807),, enthalten in der vollständigen Sammlung aller badischen Gesetze" (Karlsruhe 1826. I. Theil. S. 603 ff.), wo es unter 1) heißt: „Obwohl die Verfassung 'längst untergegangen ist, aus welcher die Lehenverträge ihren Ursprungnahmen Ursprung nahmen...; so hat doch die Lehensverbindung in den dadurch begründeten Eigenthums verhältnissen . . . einen noch bleibenden Grund der Fortdauer"; unter 2): Das Wesen des Lehensverbandes, wie er fort bestehen bleibt, ruhet darin, daß in Bezug auf ein gewiffes Gut oder Recht der Unter eigenthümer.. nach vorgeschriebenen Formen anerkenne, ein Anderer (nämlich der Ober eigenthümer . .) fei derjenige, von welchem sein Eigenthums genuß herrühre und an den er nach Endigung des Untereigenthums zurückkehre." Ebendaselbst ist auch vom "Genußrechte“ des Vasallen die Nede, Das L.-R. schiebt ein besonderes Capitel „vöm Grundund Nuß-Eigenthum" ein (L.-R.'ssatz 577 aa-ar); ferner einen besondren Titel „von Erbdienstbarkeiten" (L.-R.'ssatz 710 a-ka). ́ ́ ̈Béides -ist' 'aufge-hoben durch Gesetz vom 10. April 1848; die hier vorbehaltene Entschädigungsbestimmung erfolgte durch Gesetz vom 13. Febr. mit Vollzugsverordnung/

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