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Nr. 7634.

Deutschland

31. März1880.

spruch genommene Zeit bei der Frist, nach deren Ablauf Tonnengelder zu bezahlen sind, in Anrechnung gebracht werden. Den chinesischen Behörden und China. steht das Recht zu, in dieser Beziehung die erforderlichen Feststellungen vorzunehmen. Zeigt es sich jedoch hierbei, dass es sich nur um einen Vorwand und um die Absicht handelte, gesetzmässige Zahlungen an die Zollkasse zu umgehen, so soll das betreffende Schiff in eine dem doppelten Betrage der Tonnengelder, deren Entrichtung es zu umgehen gesucht hat, entsprechende Geldstrafe genommen werden.

§ 5. Schiffe aller Art, welche chinesischen Unterthanen gehören, dürfen sich nicht der deutschen Flagge bedienen. Liegen bestimmte Verdachtsgründe vor, dass dies dennoch geschehen ist, so wird die betreffende chinesische Behörde an den deutschen Consul eine amtliche Mittheilung darüber richten, und stellt sich bei der in Folge dessen eingeleiteten Untersuchung heraus, dass das Schiff in der That nicht zur Führung der deutschen Flagge berechtigt gewesen ist, so sollen das Schiff sowie auch die darauf vorgefundenen Waaren, soweit dieselben chinesischen Kaufleuten gehören, sofort den chinesischen Behörden zur weiteren Veranlassung ausgeliefert werden. Zeigt es sich, dass deutsche Staatsangehörige von dem Sachverhalt Kenntniss und an der Ausübung dieser Ungehörigkeit Theil gehabt haben, so verfallen die auf dem Schiffe vorgefundenen, ihnen gehörigen Waaren sämmtlich der Confiscation, sie selber aber der gesetzmässigen Strafe. Falls ein deutsches Schiff unberechtigter Weise die chinesische Flagge führt, so soll, falls die von den chinesischen Behörden geführte Untersuchung feststellt, dass das Schiff in der That nicht zur Führung der chinesischen Flagge berechtigt gewesen ist, das Schiff sowie die darauf vorgefundenen Waaren, soweit dieselben deutschen Kaufleuten gehören, sofort dem deutschen Consul zur weiteren Veranlassung und Bestrafung der Schuldigen ausgeliefert werden. Zeigt es sich, dass deutsche Waaren-Eigenthümer von dem Sachverhalt Kenntniss und an der Ausführung dieser Ungehörigkeit Theil gehabt haben, so verfallen die auf dem Schiffe vorgefundenen, ihnen gehörigen Waaren sämmtlich der Confiscation seitens der chinesischen Behörden. Die Chinesen gehörigen Waaren können von den chinesischen Behörden sofort mit Beschlag belegt werden.

§ 6. Wenn bei dem Verkauf des abgebrochenen Materials eines seeuntüchtig gewordenen deutschen Schiffes in einem der geöffneten chinesischen Häfen der Versuch gemacht wird, zu der Ladung desselben gehörige Waaren mit unterzuschieben, so sollen diese Waaren der Confiscation unterliegen und ausserdem eine dem doppelten Betrage des Eingangszolles, welcher sonst zu entrichten gewesen sein würde, entsprechende Strafe erhoben werden.

§ 7. Wenn deutsche Staatsangehörige mit fremden Waaren ins Inland gehen oder Reisen in das Innere des Landes unternehmen, so sollen die ihnen ausgestellten Pässe oder Bescheinigungen nur eine Gültigkeit von dreizehn chinesischen Monaten, vom Tage der Ausstellung an gerechnet, haben und nach Ablauf dieser Frist nicht mehr benutzt werden dürfen. Die abgelaufenen Pässe

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Nr. 7634. und Bescheinigungen müssen behufs Cassirung an diejenige Zollbehörde, in deren und China. Amtsbezirk sie ausgestellt worden sind, zurückgegeben werden.

31. März1880.

Bemerkung: Wird eine Vergnügungsreise in so weite Gegenden unternommen, dass eine einjährige Frist nicht ausreichend erscheint, so muss dies zu der Zeit, wo der Pass ausgestellt wird, auf Grund einer Verständigung zwischen dem Consul und der chinesischen Behörde, auf demselben bemerkt werden.

Unterbleibt die Rückgabe, so soll dem Betreffenden, bis dieselbe erfolgt ist, kein Pass wieder ausgestellt werden. Geht der Pass verloren, so muss der Betreffende, gleichviel ob dies innerhalb der Frist oder nach Ablauf derselben geschehen, alsbald bei der nächsten chinesischen Behörde eine wahrheitsgemässe Aussage darüber zu Protokoll geben. Der betreffende chinesische Beamte wird dann das Weitere, die Ausserkraftsetzung des Passes betreffend, veranlassen. Stellt sich die zu Protokoll gegebene Aussage als unwahr heraus, so werden, falls es sich um den Transport von Waaren handelt, die Waaren confiscirt; falls es sich dagegen um eine Reise handelt, so wird der Reisende zu dem nächsten Consul geführt und diesem behufs Bestrafung übergeben werden.

§ 8. Materialien für deutsche Docks geniessen nur, insofern sie wirklich für die Reparatur von Schiffen zur Verwendung kommen, die Vergünstigung der zollfreien Einführung in geöffnete Häfen. Der Zollbehörde steht das Recht zu, sich durch zu diesem Zweck in das Dock entsandte Beamte von der Art und Weise der Verwendung dieser Materialien durch den Augenschein zu überzeugen. Handelt es sich um den Neubau eines Schiffes, so wird für die darauf verwandten Materialien, insofern dieselben in dem Import- oder ExportTarif namentlich aufgeführt sind, der tarifmässige Zoll, für die im Tarif nicht aufgeführten Gegenstände aber ein Zoll von 5 Procent ad valorem berechnet und der betreffende Kaufmann angehalten werden, diesen Zoll nachträglich an das Zollamt zu entrichten. Wer ein Dock anlegen will, hat bei dem Zollamt einen kostenfreien Concessionsschein zu entnehmen und eine schriftliche Verpflichtung zu unterzeichnen, deren Inhalt und Wortlaut von dem betreffenden Zollamte in geeigneter Form festzustellen ist.

§ 9. Auf die durch die gegenwärtige Zusatz-Convention festgesetzten Geldstrafen soll der Artikel 29 des Vertrages vom 2. September 1861 Anwendung finden.

So geschehen zu Peking den einunddreissigsten März im Jahre unseres Herrn Eintausend Acht Hundert und Achtzig, entsprechend dem einundzwanzigsten Tage des zweiten Monats des sechsten Jahres Kuangsü.

M. von Brandt. Shên-kué-fên. Ching-Lien.

Thronreden, Adressen etc.

Nr. 7635. DEUTSCHLAND.

Erklärung der Secessionisten über

ihren Austritt aus der nationalliberalen Partei.

Deutschland.

„Die Erfahrungen der letzten zwei Jahre haben in steigendem Maasse Nr. 7635. uns die Ueberzeugung aufgedrängt, dass die nationalliberale Partei gegenüber 30. Aug. 1880. den wesentlich veränderten Verhältnissen nicht mehr von der Einheit politischer Denkart getragen wird, auf der allein ihre Berechtigung und ihr Einfluss beruhten". In dieser Ueberzeugung erklären die Unterzeichneten hiermit ihren Austritt aus der nationalliberalen Partei. Eine in sicheren Bahnen ruhig fortschreitende Entwickelung unserer in Kaiser und Reichsverfassung ruhenden Einheit wird nur aus der Wirklichkeit eines wahrhaft konstitutionellen Systems hervorgehen, wie es die deutsche liberale Partei seit ihrer Existenz unverrückt erstrebt hat. Das einige Zusammengehen der liberalen Partei in den wesentlichen Fragen, das Aufhören verwirrender und aufreibender Kämpfe verschiedener liberaler Fraktionen erscheint uns aber als die unerlässliche Voraussetzung für das erstrebte Ziel. || Fester Widerstand gegen die rückschrittliche Bewegung, Festhalten unserer nicht leicht errungenen politischen Freiheiten ist die gemeinschaftliche Aufgabe der gesammten liberalen Partei. Mit der politischen Freiheit ist die wirthschaftliche eng verbunden; nur auf der gesicherten Grundlage wirthschaftlicher Freiheit ist die materielle Wohlfahrt der Nation dauernd verbürgt. Nur unter Wahrung der konstitutionellen Rechte, unter Abweisung aller unnöthigen Belastungen des Volks und solcher indirekten Abgaben und Zölle, welche die Steuerlast vorwiegend zum Nachtheil der ärmeren Klassen verschieben, darf die Reform der Reichssteuern erfolgen. || Mehr als für jedes andere Land ist für Deutschland die kirchliche und religiöse Freiheit die Grundbedingung des inneren Friedens. Dieselbe muss aber durch eine selbstständige Staatsgesetzgebung verbürgt und geordnet sein. Ihre Durchführung darf nicht von politischen Nebenzwecken abhängig gemacht werden. Die unveräusserlichen Staatsrechte müssen gewahrt und die Schule darf nicht der kirchlichen Autorität untergeordnet werden. Wir sind bereit, einer Einigung auf dieser Grundlage zuzustimmen. Für uns aber als Mitglieder der liberalen Partei werden unter allen Umständen diese Anschauungen die leitenden sein.

Nr. 7636. Deutschland.

Nr. 7636. DEUTSCHLAND.

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Erklärung der nationalliberalen

Partei, beschlossen auf dem Parteitage derselben zu Berlin am 29. Mai 1881.

Die am 29. Mai in Berlin versammelten, der nationalliberalen Partei 29. Mai 1881. angehörenden Mitglieder des Reichstages und der Volksvertretungen deutscher Einzelstaaten haben beschlossen, die nachstehende Erklärung der Oeffentlichkeit zu übergeben. || Die nationalliberale Partei steht in unverbrüchlicher Treue zu Kaiser und Reich. Bei voller Wahrung der verfassungsmässigen Rechte der Einzelstaaten wird sie nach wie vor der weiteren Entwickelung der Reichs-Institutionen in nationalem und freiheitlichem Sinne ihre Dienste widmen. Was für diese Entwickelung unter entscheidender Mitwirkung der Partei geschehen ist, bezeugt die Geschichte und die Gesetzgebung des Reiches in den ersten zehn Jahren seines Bestehens. Die nationalliberale Partei hält es für ihre nächste und wichtigste Aufgabe, das auf diesem Wege Geschaffene in seinen wesentlichen Grundlagen ungeschmälert zu erhalten, ohne der bessernden Abhülfe sich zu versagen, wo einzelne Mängel in der Erfahrung hervorgetreten sind. || Ihr Vertrauen zu der das Ansehen Deutschlands und den Frieden Europas sichernden Leitung unserer auswärtigen Angelegenheiten besteht unerschüttert fort. || Ueber die veränderte Richtung, welche die innere Politik der Reichsregierung zur Zeit verfolgt, giebt sich die Partei eben so wenig einer Täuschung hin, wie über die Veränderung, welche ihre eigene Stellung zur Reichsregierung dadurch erfahren hat. Aber die Zurückhaltung, welche hierdurch der nationalliberalen Partei auferlegt ist, wird sie nicht abhalten, alle Vorlagen der Regierung auch auf dem Gebiete der inneren Gesetzgebung unbefangen und sachlich zu prüfen und dem als nützlich Erkannten ihre Unterstützung zu leihen. Dies gilt namentlich auch von den Vorschlägen, welche für die arbeitenden Klassen die Förderung der Wohlfahrt und den Schutz gegen die Folgen von Unglücksfällen im Auge haben. Getreu der natürlichen und übernommenen Verpflichtung, werden wir der sozialistischen Bewegung nicht lediglich durch die Niederhaltung drohender gewaltsamer Ausbrüche, sondern vor allem auch durch positive Maassregeln für das Wohl der arbeitenden Klassen entgegenzutreten bemüht sein. || Alle Bestrebungen, gleichviel von welcher Seite sie kommen, welche auf die Schmälerung der verfassungsmässigen Rechte der Volksvertretung und auf die Rückkehr zu abgestorbenen Formen unseres wirthschaftlichen Lebens gerichtet sind, wird die Partei mit Entschiedenheit bekämpfen. Sie ist jederzeit bereit, dazu beizutragen, dass ein friedliches Verhältniss zwischen Staat und Kirche wiederhergestellt und aufrechterhalten wird. Sie weiss auch sehr wohl die grosse Bedeutung des kirchlichen Lebens für unser Volk zu würdigen. Aber den nothwendigen und unveräusserlichen Rechten des Staates gegenüber der Kirche wird sie keinen Abbruch geschehen lassen, namentlich auch nicht auf den Gebieten der Schule und der Ehegesetzgebung, wo Uebergriffe kirchlicher Reaktion gerade in Deutsch

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land stets am peinlichsten empfunden sind und am unheilvollsten gewirkt Nr. 7636. haben. Entschlossen, die bestehende gewerbliche Gesetzgebung und die auf 29. Mai 1881. ihr beruhende wirthschaftliche Freiheit gegen reaktionäre Angriffe zu vertheidigen, halten wir an der Ueberzeugung fest, dass entgegenstehende Meinungen über Schutzzoll und Freihandel nicht zur Grundlage politischer Parteibildung dienen dürfen. Die Verschiedenheit der landschaftlichen Interessen, je nach dem Vorwiegen von Handel und Schifffahrt, von Ackerbau oder von Industrie, erfordert dringend, dass innerhalb unserer Partei abweichenden Anschauungen über Zollfragen Raum gelassen wird. Ein Aufgeben dieser Freiheit würde eine über ganz Deutschland sich erstreckende nationalliberale Partei unmöglich machen. Kaum vollständig zurückgedrängte politische Gegensätze von Norden und Süden, von Osten und Westen müssten in unserem noch so jungen deutschen Reiche auf das gefährlichste immer von neuem hervorbrechen, wenn grosse wirthschaftliche Interessen zugleich als politische Parteien sich bekämpften. Die Steigerung der eigenen Einnahmen des Reiches und die ausreichende Befriedigung seiner finanziellen Bedürfnisse gehört zu dem alten Programm der Partei. Sie ist einer entsprechenden Vermehrung der indirekten Reichssteuern zu diesem Zwecke nicht entgegengetreten. Gegen das Projekt des Tabaksmonopols hat sie aus wirthschaftlichen wie politischen Gründen entschieden Widerspruch erhoben. Vor dem Eingehen auf weitere umfassende Pläne, welche die Steuerkraft des Landes in höherem Maasse in Anspruch nehmen, muss zunächst das volle und nachhaltige Ergebniss der vom Reichstage im Jahre 1879 bewilligten Zölle und Verbrauchssteuern abgewartet werden. In Preussen wird die Partei bei einer Reform der direkten Steuern mitwirken, welche die Entlastung der weniger bemittelten Klassen von einem Theile der ihnen auferlegten direkten Steuern herbeizuführen bestimmt ist. Einer Zerstörung des direkten Steuersystems oder einer wesentlichen Schmälerung seiner Erträge zu Gunsten ungemessener Vermehrung indirekter Steuern werden wir uns widersetzen. Für die Ueberweisung eines Theils der Grund- und Gebäudesteuer in Preussen an Kommunen und Kommunalverbände eine alte Forderung der liberalen Partei werden hoffentlich die im Jahre 1879 bewilligten Reichssteuern in ihren nachhaltigen Erträgen unter normalen wirthschaftlichen Verhältnissen einer umsichtigen Finanzverwaltung die Mittel bieten. || Gegen eine übermässige Centralisation der Staatsgewalt werden wir die Selbständigkeit und die Selbstverwaltung der Gemeinden vertheidigen und weiter entwickeln. Nach schmerzlichen Erfahrungen und Prüfungen der Vergangenheit ist die nationalliberale Partei aus der Ueberzeugung unseres Volkes hervorgegangen, dass eine über ganz Deutschland ausgebreitete, unabhängige, reactionären wie radicalen Tendenzen gleichmässig sich fernhaltende, durch die Unterordnung individueller Ansichten unter die grossen gemeinsamen Ziele starke liberale Partei eine Nothwendigkeit ist. Ohne eine solche Partei würde ein fortdauernder, die Grundfesten des Staates erschütternder Kampf zwischen extremen Richtungen, an dem andere Völker kranken und nicht zur Ruhe

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