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einzig die Gnade des dabei interessierten Souveräns anflehen, nicht aber an den Richterstuhl eines unparteiischen Schußherrn sich wenden durften.“ Dieselben machen dann Vorschläge über besseren Rechtsschuß ihrer Sustentation behufs Aufnahme „in die Urkunde des neuen Bundesvertrags“. Die Bitte war vergebens; die Fürsten wollten nicht ihr seither verübtes Unrecht anerkennen. Von anderer Seite ging man noch mehr prinzipiell auf dem Wiener Kongreß vor.

Generalvikar Freiherr v. Wessenberg überreichte am 27. November 1814 eine Denkschrift, die zwar als Endziel eine deutsche Nationalkirche anstrebt; in derselben findet sich für die Beurteilung der Folgen der Säkularisation folgende Stelle: „Die Veranlassung der Säkularisation, nämlich der Verlust der deutschen Länder auf dem linken Rheinufer, ist durch die Wiedervereinigung dieser Länder mit Deutschland beseitigt. . Seit 12 Jahren befindet sich die deutsche Kirche, die bis dahin des höchsten Glanzes genoß, in einem Zustand der Verlassenheit, welcher in der Geschichte ohne Beispiel ist. Ihr Vermögen ist ihr entrissen, ihrer uralten Verfassung fehlt es an gesetlichem Schuße; ihre wesentlichen Anstalten sind ohne gesichertes Einkommen, selbst jene frommen und milden Stiftungen, deren Erhaltung der § 65 des R.D.Schl. von 1803 angeordnet hatte, sind seither zum Teil willkürlich ihrem Zwecke und ihrer stiftungsmäßigen Verwaltung entzogen worden; die Bistümer stehen größtenteils verwaiser, die Domkapitel starben aus; - ihre den Kirchengesezen entsprechende Wirksamkeit ist gehemmt; überhaupt gebricht es, bei der eingetretenen Unbestimmtheit der Grenzen zwischen der geistlichen und weltlichen Macht, den Behörden, welchen die Ausübung der ersteren übertragen ist, an dem Ansehen und der Unterstüßung, deren sie zur Handhabung der Kirchenzucht bedürften. Der Nachteil dieser Zerrüttung und Auflösung der kirchlichen Verhältnisse für das wahre Wohl der deutschen Staaten läßt sich unmöglich verkennen, aber kaum berechnen. Von der Nation längst ausgesprochen und äußerst dringend ist das Bedürfnis der baldigen Aufstellung einer solchen Kirchenverfassung in den deutschen Ländern, welche geeignet ist, ihre kirchlichen Anstalten, von denen der Einfluß der göttlichen Religion auf die öffentliche Wohlfahrt vorzüglich abhängt, neuerdings fest zu begründen. Zu diesem Endzweck begehrt die katholische Kirche in Deutschland ihr Eigentum; sie begehrt noch dringender ihre Verfassung,. ihre ursprünglichen Rechte, ihre Freiheit zurück."1) Wenn selbst ein Wessenberg so urteilt, sind die Schilderungen nicht übertrieben.

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Noch entschiedener gingen Freiherr v. Wa m bold, Domdechant in Worms, Dompräbendar Helfferich von Speyer und der ehemalige Syndikus Schirs von Worms vor; für die katholische Kirche Deutschlands legten sie am 30. Oktober 1814 auf dem Wiener Kongresse Verwahrung ein“. Die Eingabe bietet in ihrem ersten Teil eine „Darstellung des traurigen Zustandes der entgüterten und verwaisten katholischen Kirche Deutschlands" und führt im zweiten Teil aus: „Deutschlands katholische Kirche reklamiert ihr Eigentum, auf das sie nie Verzicht leisten darf.

1) Akten, Band IV, 15. Heft, S. 300 u. 301.

Die deutsche Kirche reklamiert demnach: a) alle ihre kirchlichen Besißungen, welche noch nicht veräußert sind; b) ihre veräußerten Besitzungen, insoweit sie nach den bestehenden Rechtsprinzipien und Gesezen einlösbar sind; c) in Ansehung des Rechtes ihres Eigentums vertraut sie auf die Gerechtigfeit der höchsten Regenten, daß der zureichende Ersatz durch angemessene Entschädigungen in beweglichen Besitztümern wenigstens insoweit geleistet werde, als zur Fundation der Bistümer und ihrer Kapitel, Seminarien und Pfarreien sowie ihrer kirchlichen und wohlthätigen Institute notwendig und erforderlich ist.") In einem Nachtrag vom 1. März 1815 bittet Freiherr v. Wambold noch, „das wohlthätige, der katholischen Kirche Deutschlands zu allen Zeiten zugestandene Mitberatungsrecht in den vaterländischen Angelegenheiten, soweit sie damit interessiert ist, zu würdigen, damit demnächst, nach der Beschaffenheit des verwaiseten kirchlichen Zustandes, die geeignete Repräsentation den kanonischen Geseßen gemäß gehörig autorisiert werden könne.“2)

„Einige Betrachtungen über den Wert der Gesetze des R.D.Schl. 1803 in Ansehung der Säkularisation der geistlichen Güter" wurden im Mai 1815 von den sog. Oratoren für die katholische Kirche Deutschlands vorgelegt, in welcher es heißt: „Betrachtet man die Momente der besagten Säkularisation mit ihren Unterstellungen, so erscheint jener Deputationsabschluß von allen Seiten fundamentlos und Null. Die Ursache jener Säkularisation wird gesezt: in dem Verlust der linken Rheinseite Deutschlands und in der Notwendigkeit, die verlierenden deutschen Fürsten und Stände mit dem Eigentum der katholischen deutschen Kirche zu entschädigen. Die Erkenntnis dieser Notwendigkeit beruht aber auf gar keinem Fundamente." Der Protest schließt mit den Worten: Leider scheinen durch einen solchen Akt die bisherigen, mühevollen, bescheidenen, petitorischen Akten geschlossen und ausgesprochen zu sein: Die wenigstens mit der Bildung des Vaterlandes gleichzeitig höchst verdient wirkende Kirche soll — geschlachtet sein."3)

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Eine dritte Eingabe an den Wiener Kongreß behandelte „rechtliche Bitten und ehrfurchtsvolle Wünsche der Katholiken Deutschlands“.4) In der umfangreichen Eingabe bitten die Katholiken Deutschlands" 1. daß die Bistümer mit den dazu erforderlichen Seminarien sowie die mit denselben verbundenen Lehranstalten, welche zumal größtenteils eine eigene Fundation hatten, wieder zweckmäßig hergestellt werden.“ 2. „Die Wiederherstellung wenigstens einer bestimmten Anzahl von Klöstern und geistlichen Instituten." 3.,,Daß die unmittelbare Aufsicht und Leitung und die allenfalls notwendigen Verbesserungen unserer Kirchenverfassung, die Aufrechterhaltung unserer Glaubenslehre, die Bestimmung und Handhabung unserer gottesdienstlichen Zeremonien, Gebräuche, Kirchensaßungen, Feste, Andachten, der kirchlichen Ordnung und Disziplin sowie auch die Aufsicht und Einrichtung der Seminarien und anderer katholischer Lehrinstitute

1) Akten, Band I, 2. Heft, S. 35.

2) Akten, Band II, 6. Heft, S. 255–260.
3) Akten Band IV, 15. Heft, S. 290–295.
4) Akten, Band I, 2. Heft, S. 80-89.

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und Korporationen, die Wahl, Leitung und Prüfung aller zu unserem Kult unmittelbarer oder mittelbarer, besonders zur Seelsorge erforderlichen Individuen, die Untersuchungen, Verbesserungen und Rügen in Kirchendienstsachen, als Gegenstände, welche mit der Wesenheit der inneren und äußeren Religionsverhältnisse in engster, unzertrennlicher Verbindung stehen, unsern Kirchenvorstehern und dem Oberhaupt der Kirche um so unbedenklicher in ihrem ganzen Umfange überlassen bleiben, als diese Befugnisse in notwendiger und konsequenter Ableitung aus der allgemeinen, von ihrem Ursprung an anerkannten Unschädlichkeit unseres Kultus selbst hervorgehen." 4. Daß die unbeschränkte Verwaltung des Kirchenguts, der Kirchenstiftungen und der zum Kult überhaupt gehörigen Fonds als unantastbares Eigentum der ganzen Kirchengemeinde der Obsorge unserer Kirchenvorsteher eingeräumt werde." Zwei weitere Wünsche gehen auf „Hebung der bestehenden Uneinigkeit zwischen Kirche und Staat“ und „daß die Erziehung der Jugend einem zu diesem Hauptzwecke der moralischen Menschenbildung, vorzüglich und aus ganz uninteressierten Absichten gewidmeten Institute (Ohne Zweifel sind damit die Jesuiten gemeint, bemerkt Klüber dazu.) unter festen und bleibenden Normen wieder eingeräumt und daß schon dieser wichtige Gegenstand nicht mehr unstäten, schwankenden Einrichtungen überlassen oder von seiten der Erziehenden als bloßer Erwerbs- und Gewerbezweig betrachtet und behandelt werden könnte.“ Die Menge und Art dieser „rechtlichen Bitten" zeigt uns klar, wie es infolge der Säkularisation mit der katholischen Kirche in Deutschland bestellt war; wir könnten nicht besser den damaligen Zustand zeichnen und charakterisieren!

Auch der hl. Stuhl blieb auf dem Wiener Kongresse nicht un thätig und nahm sich sehr energisch der Interessen der katholischen Kirche Deutschlands an; sein Vertreter, Kardinal Consalvi, protestierte in einer geheim gehaltenen Note an den Fürsten Metternich gegen den R.D.Schl. vom Jahre 1803; die öffentliche Protestationsurkunde gegen die Beraubung der deutschen katholischen Kirche lief am 14. Juni 1815 ein. Papst Pius VII. bestätigte die Proteste seines Delegierten unterm 4. September 1815 in einem geheim gehaltenen Konsistorium.

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Alle Eingaben und Proteste hatten keinen Erfolg; der Wiener Kongreß erfüllte die Hoffnungen der Katholiken Deutschlands nicht. Die deutsche Bundesakte bot ihnen so wenig, daß die scharfen Ausdrücke der sog. „Oratoren“ gerechtfertigt sind. Der Artikel 15 derselben erhielt schließlich folgende nichtssagende Fassung: Die katholische Kirche in den deutschen Bundesstaaten wird eine ihre Rechte und Dotation sichernde Einrichtung erhalten; ebenso werden die Rechte der evangelischen in jedem Bundesstaat in Gemäßheit der Friedensschlüsse, Grundgefeße oder anderen gültigen Verträgen aufrecht erhalten." Am Ende wurde derselbe ganz ausgelassen, was jedenfalls der katholischen Kirche nichts geschadet hat, denn solche verschwommene Bestimmungen können nie Nutzen in sich bergen.

III. Politische und religiöse Folgen.

Anerkennen Geschichtsschreiber und die Eingaben an den Wiener Kongreß die traurigen Folgen der Säkularisation für die katholische Kirche

Deutschlands, so dürften hiezu doch noch einige allgemeine Bemerkungen am Plaze sein. Es liegt uns ferne, hier ein abgeschlossenes Bild der mißlichen Folgen der Säkularisation zu geben; sind doch die in den folgenden Kapiteln behandelten Vorgänge, die Maßregeln des gesamten Staatskirchenregiments und die Verwaltung des Kirchengutes hinzuzurechnen.

Wir haben hier zunächst die politischen und konfessionellen Folgen der Säkularisation im Auge. Die Säkularisation versette dem deutschen Kaisertume den Todesstoß; sie beraubte das Kaiserhaus seiner treuesten Stüßen und sicherte Frankreich den Triumph der Jahrhunderte lang erstrebten Schwächung Desterreichs. Kein Krieg hat die Stellung des deutschen Kaisertums so erschüttert, wie der von deutschen Fürsten angenommene R.D.Schl. vom Jahre 1803.

Einen sehr beachtenswerten Gedanken führt Häusser1) in folgenden Worten aus: „Dem römischen Kirchentum und dem katholischen Klerus hatte selbst die Reformation feinen so entscheidenden politischen Stoß gegeben, sie die jüngste Umwälzung. Geistliche Kurstaaten, Fürstentümer und Klöster waren in Masse verschwunden und weltlichen Regierungen verfallen, die, ob sie katholisch oder protestantisch waren, übereinstimmend nach den neuen Staatsmarimen des 18. Jahrhunderts und der Revolution verfuhren. Der Klerus, bisher der erste Stand des Reiches, war nun unterthan wie alle anderen; die Stellung der deutschen katholischen Kirche als einer organisierten Macht war verloren, ihr großer, weitverbreiteter Besiß außerordentlich vermindert, der Einfluß auf Schule und Erziehung dem Klerus vollends entwunden, auch in der Leitung der eigenen kirchlichen Angelegenheiten die Einmischung der neuen Staatsgewalten unabwendbar (?) geworden." Häusser hat recht mit seinen scharfen Zeichnungen.

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Die Umwandlungen machten sich zuerst geltend im Reichstage; infolge der Entschädigungsbestimmungen änderten sich die bisherigen Religionsverhältnisse zwischen Protestanten und Katholiken so um, daß ,,die Stimmenmehrheit, welche die letteren bisher auf dem Reichstag gehabt hatten, nun völlig auf die ersteren überging."2) An anderer Stelle bemerkt frohlockend derselbe Harl: Unter den Veränderungen, welche seit geraumer Zeit das Churkollegium betroffen hatten, ist keine jo wichtig wie die gegenwärtige, da zumal und zugleich das bisherige Religionsverhältnis der Glieder in demselben ganz umgewandelt wird."3) Der Kurfürstenrat sette sich bis 1803 aus fünf Katholiken und drei Protestanten zusammen; infolge der Säkularisation sind zwei katholische Stimmen (Köln und Trier), aber keine protestantische verloren gegangen; dagegen sind durch den Reichsreceß vom 25. Februar 1803 drei neue protestantische (Württemberg, Baden, Hessen) und eine katholische (Bayern) eingeführt worden, so daß im neuen Kurfürstenkollegium sechs Protestanten neben vier Katholiken saßen; die Protestantisierung des ersten Kollegiums war also gelungen.

Nicht besser erging es im Fürstenrat, wie schon oben angedeutet

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wurde. Von den ehemaligen 55 katholischen Stimmen, die neben 42 protestantischen saßen, blieben infolge der Säkularisation und des Luneviller Friedens nur noch 30 übrig; die Zahl der protestantischen Stimmen stieg aber durch die Stimmübertragung von 42 auf 57, so daß 30 Katholiken gegen 57 Protestanten standen; infolge der Schaffung neuer Fürstenratsstimmen ergab sich das Verhältnis: 76 Protestanten gegen 53 Katholiken. Die Bemühungen des Kaisers um „Herstellung der Stimmenparität“, die ablehnende Haltung der protestantischen Fürsten und dadurch die Erfolg= losigkeit der kaiserlichen Anstrengungen sind bekannt. Was aber in dieser neuen Zusammenseßung des Fürstenrats besonders ins Gewicht fällt, ist der Umstand, daß das Kurfürstenkollegium für sich allein eine Mehrheit auch in dem Fürstenrat bilden konnte; die Kurfürsten verfügten nämlich über nicht weniger als 76 Stimmen in demselben; darunter waren 51 protestantisch, wenn wir die 10 sächsischen Stimmen zu diesen rechnen! Von dieser Protestantisierung des Fürstenrats leitete Harl1) die Folgerung ab, „daß von nun an mehr Duldung des Nebenchristen, mehr allgemeine Menschenliebe und mehr christliche Gewissensfreiheit in Deutschland zu hoffen sei". Das intolerante Verhalten der protestantischen Staaten gegen die neugewonnenen katholischen Bürger liefert die treffendste Illustration zu dieser Phrase.

Im Kollegium der Reichsstädte vollzog sich die Umwandlung in gleicher Weise; die katholischen Reichsstädte verschwanden voll= ständig aus demselben; sieben protestantische und eine gemischte Stadt bildeten in Zukunft dieses dritte Kollegium! Gaspari bemerkt deshalb mit Recht: „Die Protestanten werden also künftig die herrschende Partei im Reiche sein."2)

Im späteren deutschen Bunde wurde das Verhältnis für die Katholiken noch ungünstiger; im „engeren Rat“ standen den vier katholischen Stimmen 17 protestantische gegenüber und im Plenum den 19 katholischen gar 70 protestantische. Mit der Vernichtung der katholischen Mehrheit in dem Kollegium des Reichstages machte sich aber auch sofort auf protestantischer Seite das Bestreben geltend, in die inneren Angelegenheiten der katholischen Kirche einzureden, während die frühere katholische Mehrheit ängstlich vermied, in die internen Angelegenheiten der Protestanten sich) einzumischen; die lezteren sich auch dieses sofort energisch verbeten hätten. Die Aera, die nun unter der Oberherrschaft des Protestantismus anbrach, verstand es, sich in den faltenreichen Mantel der „Toleranz“, „Aufklärung“, des Fortschritts" zu hüllen und unter der Maske dieser damals oft als echte Münze genommenen Scheinware ein Regiment zu führen, das die Katholiken um so schmerzlicher den Uebergang empfinden ließ.

Den katholischen Adelsst and hat in der Säkularisation der schwerste Schlag getroffen; er verlor durch diese fast seine gesamte seitherige Stellung. Aus Fürsten- und Grafenhäusern ergriffen die nachgeborenen Söhne gar häufig den geistlichen Stand, wurden Inhaber oft

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