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Zweimal hätte die epileptische Bewusstlosigkeit auf dem Schlachtfelde für Caesar verhängnissvoll werden können. Ein anderes Mal, als der Senat ihm ausserordentliche Ehrenbezeugungen zugedacht hatte und mit den Konsuln und Prätoren ihm entgegenging, fand man Caesar auf der Rednerbühne, dieser aber stand nicht vor ihnen auf, als wären sie einfache Privatleute. Sehr unzufrieden entfernten sie sich. Caesar aber besinnt sich plötzlich, kehrt nach Hause zurück, wirft die Kleider ab, entblösst seinen Hals und ruft, er sei bereit, man solle ihn niederstossen, wer es auch sei. Er entschuldigte sich danach vor dem Senat mit seiner Krankheit; die mit solcher behaftet wären, seien nicht im stande, aufrecht stehend öffentlich zu sprechen; sie empfänden Stösse und Schwindel, und das Bewusstsein schwände ihnen gänzlich.1

Molière war oft durch Krämpfe 14 Tage lang am Arbeiten gehindert. Mahomet bekam Visionen nach einem epileptischen Anfall. Ein Engel erscheint mir oft in menschlicher Gestalt und spricht mit mir. Oft höre ich Schreien von Katzen, Kaninchen, Glockenläuten; dann leide ich sehr." Nach solchen Erscheinungen war er tieftraurig und heulte wie ein junges Kamel.

Peter d. Gr. und sein Sohn Alexius waren epileptisch. Dass auch während des Schaffens der Kunst die Gedanken häufig ausbleiben und Erinnerungslücken entstehen, wie bei Epileptischen, ist oben erwähnt.

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Paganini, Moreau, Musset, Alfieri litten an Konvulsionen, Paganini sogar an Katalepsie, Pascal bis zu seinem 24. Lebensjahre an tagelang anhaltenden Krämpfen.

Händel hatte Wuthanfälle (iracundia epileptica), Newton und Swift Schwindel, der bekanntlich zur Epilepsie in naher Beziehung steht.

Richelieu glaubte während eines Anfalles in ein Pferd. verwandelt zu sein, wieherte und sprang um ein Billard herum, hatte aber alles vergessen, als er zu sich kam, ein sicheres Zeichen dafür, dass es ein epileptischer Anfall gewesen.3

1 PLUTARCH, Leben u. s. w.

2 RADESTOCK.

3 MOREAU, 1. c. p. 523.

LOMBROSO, Der geniale Mensch

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MAUDSLEY hat beobachtet, dass die Epileptischen häufig Patriarchen und Propheten zu sein wähnen. Er meint, dass sie, im Wahne, ihre Hallucinationen seien göttliche Offenbarungen, zur Stiftung von Religionsgesellschaften vieles beigetragen haben.

Anna Lee, die Stifterin der Sekte der Zitterer, war epileptisch; sie sah Jesus Christus ihr erscheinen als Körper und Geist. Die Vision des Apostels Paulus, die ihn bekehrte, scheint auf demselben Grunde zu beruhen.

Die Schamanen in Sibirien, die dortigen Aerzte, die mit den Geistern zu verkehren behaupten, verfahren in einem Zustande krampfhafter Aufregung und wählen ihre Schüler vorzugsweise unter den Kindern von Epileptischen.1

Melancholie. Man weiss, dass Schwermuth eine den meisten Denkern zukommende Eigenschaft ist und auf ihrer grossen Hyperästhesie beruht. Es ist das nun sprichwörtlich geworden, die grössere Empfindlichkeit für Schmerz ist die Dornenkrone des Genius. Schon ARISTOTELES sagt und JÜRGEN MEYER nach ihm, die grossen Geister haben sämtlich ein melancholisches Temperament. Tristes philosophi et

severi" sagt VARRO.

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Goethe, der kalte Goethe, gesteht von sich, „mein Charakter schwankt von äusserster Freude zu äusserstem Trübsinn“, ferner: „jeder Zuwachs von Wissen ist ein Zuwachs an Trauer." Nach HAGENS Mittheilung habe er sich nicht erinnert, mehr als vier angenehme Wochen in seinem ganzen Leben genossen zu haben.

„Ich bin nicht dazu angethan, zu geniessen," schrieb Flaubert.2

Giusti stand unter dem Einfluss einer Hypochondrie, die bis zum Wahnsinn gedieh, oft glaubte er an Hundswuth zu leiden, er sei unterleibskrank; oft wiederholte er die Worte: Was man bei mir für Lachen hält, ist nichts als Traurigkeit." CORRADI3 hat gezeigt, dass Leopardis ganzes Unglück

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1 MAUDSLEY, Physiol. et Pathol. de l'esprit I, 472.

90 Correspondance, p. 119, 1887.

3 Memorie dell' Istituto Lombardo, 1878.

ebenso wie seine Philosophie einer übertriebenen Empfindlichkeit und einer unglücklichen Liebe aus seinem 18. Lebensjahre entstamme. Seine Philosophie ist auch wirklich mehr oder weniger düster, je nach seinem Gesundheitszustande, bis die Neigung dazu ihm zur Gewohnheit ward. „Das Denken hat mir schon längst so viel Qualen verursacht und verursacht sie mir noch immer, dass ich dagegen ein offenbares Vorurtheil gewonnen habe und dass ich daran zu Grunde gehen werde, wenn ich meine Art, zu sein, nicht ändere."1

Die Liste der berühmten Männer, die mit Selbstmord geendet haben, ist ungeheuer lang. Sie beginnt mit Zeno, (Aristoteles?), Hegesippus, Cleontes, Stilpo, Dionysius von Heraklea, Lukrez, Lukanus, und geht weiter mit Chatterton, Creech, Blount, Haydon, David. Domenichino wurde zum Selbstmord durch die Verachtung seitens eines Nebenbuhlers getrieben, Spagnoletti infolge der Entführung seiner Tochter, Nourrit durch Duprés Erfolge, Gros, weil er den Verfall seines Genius nicht überleben wollte.

Robert, Châteaubriand, Rousseau, Lamartine machten zu mehreren Malen ernstliche Selbstmordversuche. Man liest in den Briefen von Benj. Constant: „Hätte ich mein Opium zur Hand gehabt, so wäre das der Augenblick gewesen, um einer übertriebenen Liebesregung im Verdruss ein Ende zu machen."3

Dupuytren und Cooper hatten Selbstmordgedanken, sogar noch auf der Höhe ihres Ruhmes. Cooper sagte zu einem Freunde, dem er die Obstbäume seines Gartens zeigte: „Ja, sie sind schön, aber kein einziger darunter, der mich nicht gereizt hätte, mich daran aufzuhängen." Nur einige vertraute Freunde retteten Pariset und Cavour vom Selbstmord. Cavour war zweimal daran, sich umzubringen.

1 Lettere a Giordani, Agosto 1817.

2 In Italien kommen 619 Selbstmorde auf 1 Million Schriftsteller, 356,3 auf den Lehrstand, weit mehr als in anderen Berufsarten. Kaufleute geben 272, Lastträger 36, Industrielle 80, Geistliche 53. MORSELLI, Del suicidio, Milano 1879. LEGOJT, Le suicide, 1881.

3 BRIERRE DE BOISMONT, 1. c., p. 265.

Lessmann,1 der das Tagebuch eines Melancholischen schrieb, endete 1835 sein Leben in einem Anfall von Melancholie.

Gleicherweise starben der Verfasser des Masaniello, Fischer, Raymund, Enlt von Burg, Welthum, Göhring, Kuh, Mendelssohns Freund, Giul. Uberti, Tannahil, Kleist, der sich mit seiner Geliebten erschoss, und Maylath, der sich mit seiner Schwester, der er sein Buch über Selbstmord gewidmet, ertränkte.

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George Sand, die doch sonst nicht nervös war, erklärt, dass sie ,,sei es, weil die Galle sie melancholisch oder die Melancholie sie gallig gemacht“ - in den glücklichen Momenten ihres Lebens von einer Sehnsucht nach Ruhe bis zum Selbstmorde ergriffen worden sei. Das rührte, ihrer Meinung nach, von einer Leberkrankheit aus früher Jugend her, woran man, wie an einen zurückgebliebenen Reisegefährten, nicht dacht hat, der sich aber plötzlich wieder einfindet." „Diese Versuchung war so sonderbar, dass ich sagen kann, es war eine Art von Wahnsinn, der mich befallen, der die Form einer fixen Idee annahm und an Verrücktheit streifte. Sie tauchte nämlich insbesondere auf beim Anblick von Wasser, Abgründen, Phiolen."

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G. SAND erzählt ferner, auch Gust. Planche habe aus mysteriösen, ihr und ihm selbst unbekannten Gründen, wahrscheinlich infolge eines Organleidens, eine auffallend melancholische Gemüthsstimmung gehabt.

Rossini wurde um 1848 von tiefer Bekümmerniss infolge eines Hauskaufes befallen, bei dem er einen kleinen Verlust erlitt. Er wurde so schwermüthig, dass er sich in den Kopf setzte, er sei so arm, dass er betteln gehen müsse. Er glaubte, schwachsinnig geworden zu sein, konnte wirklich nicht mehr komponiren und selbst von Musik nicht sprechen hören. Unter Dr. SANSONES Behandlung in Ancona wurde er dem Ruhme und seinen Freunden wiedergegeben.

Der grosse Maler v. Leyden hielt sich für vergiftet und stand die letzten Jahre seines Lebens nicht mehr aus dem Bette auf.

1 Lessmann, humoristischer Schriftsteller, erhängte sich unterwegs auf einer Fussreise von Berlin nach Wittenberg. (Uebers.)

Mozart war davon überzeugt, dass die Italiener ihn vergiften wollten.1

Molière hatte häufig Anfälle von Melancholie.2

Voltaire war hypochondrisch.3

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Was meinen Körper be

trifft, so stirbt der ab... Ich habe die Wassersucht in Aussicht. Ich sah wohl nicht so aus, aber Sie wissen, es giebt nichts Vertrockneteres als einen Wassersüchtigen. Krankheiten, grausamer als die Könige, verfolgen mich. Es fehlen mir nur noch die Aerzte, um mich fertig zu machen."

Alles das (Reisen, Vergnügungen) hindert nicht, dass er sich nicht für todt oder sterbend hält und dass er sich nicht sehr ärgert, wenn man ihm zu versichern wagt, er sei noch voller Kraft und Leben."4

Chopin war während seiner letzten Lebensjahre von einem Trübsinn befallen, der an Lypemanie grenzte; ein verlassenes Kloster in Spanien erfüllte seine Phantasie mit grausigen Bildern. Eines Tages kamen G. Sand und sein Sohn etwas später von einem Spaziergang zurück. Chopin fängt an zu faseln und glaubt im Ernst, sie seien todt, er hält sich selbst für todt, für ertrunken in einem See, wo eisige Wassertropfen auf seine Brust fallen. Es waren wirkliche Regentropfen, die durch das schadhafte Dach herabfielen. Aber Chopin wurde es selbst nicht gewahr, als G. Sand ihn darauf aufmerksam machte. Sonderbar, ein grosses wirkliches Unglück beschäftigte ihn weniger als eine kleine Widerwärtigkeit. Ein geknicktes Blatt, eine Fliege konnten ihn zum Weinen bringen.

Zimmermann fürchtete bald Hungers sterben zu müssen, bald verhaftet zu werden, und starb wirklich infolge freiwilligen Verhungerns.

Cavour fühlte sich von Kindheit an verlassen und einsam, ohne Liebe und ohne Freunde, er erblickte kein Ideal vor sich, nach dem er streben könne.5 Sein Zustand verschlimmerte

1 Salieri, Komponist, glaubte Mozart vergiftet zu haben. (Uebers.)

2 HAGEN, Verwandtschaft u. s. w. 1877.

3 ROGER, Voltaire malade, 1883.

4 GRIMM.

5 BERTI, Cavour avantiil, 1848, S. 154.

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