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XLII.

CongreßVerhandlungen

über TerritorialVeränderungen des Großherzogthums Hessen, und deren Resultate. Mit drei Beilagen.

Von großherzoglich-hessischer Seite hatte man sich, schon seit dem Monat December 1814, bes strebt, der Abtretung des Herzogthums Westphalen und der Oberhoheit über die Besihungen der Fürsten von Wittgenstein Berlenburg und WittgensteinWittgenstein auszuweichen. In einer Reihe von Noten, hatte der großherzoglich - hessische Herr Bevollmächtigte die Wichtigkeit dieser Besißungen für das großherzoglich - hessische Haus, den Herren Bevollmächtigten von Oestreich und Preussen, und als hier seine Darstel lungen und Anträge keinen Eingang zu finden schienen, vielmehr fast durchgehends unbeantwortet blieben, auch bei den Herren Bevollmächtigten von Rußland und Großbritannien vorzustellen sich bemüht.

Die Bevölkerung des Herzogthums Westphalen, eines ganz unvermischten und abgerundeten Landes, mit ansehnlichen Domainen, ward von preussischer Seite auf 131,888, von großherzoglich hessischer Seite mit Inbegriff des Militårs auf mehr als 140,000 *), der Flächeninhalt auf 70 Qua= dratMeilen, und der jährliche Ertrag der Staats

•) Eine Volkszählung von 1812 hatte 138.880 Einwohner ohne das Militär, eine andere von 1813 hatte 139,110 ebenfalls ohne das Militär, geliefert, nach andern Angaben nur 188,990. Seit 12 Jahren hatte man die Bemerkung gemacht, daß die Bevölkerung im Durchschnitt jährlich um 1000 zugenommen habe.

einkünfte von Hessen auf nahe an ́eine Million Gulden angegeben, welcher nach und nach, bei der Fis higkeit des Landes zu erweiterter und verbesserter Cultur und einer weit grösseren Volksmenge, bes deutende Erhöhung erwarten lasse. Hessen berufte fich, unter Anderem, auf den mit den verbündeten Mächten zu Frankfurt am 23. Nov. 1813 geschlossenen Accessions Vertrag, der ihm die Erhaltung seiner Sou verainetåt und seiner damaligen Besigungen zusichere, so wie auf den ReichsdeputationsHauptschluß von 1803, wodurch ihm das Herzogthum Westphalen als Entschádigung für erlittenen TerritorialVerlust sey zuerkannt

worden.

Wegen der fürstlich

wittgensteinischen

Besitzungen ward angeführt, daß solche im Jahr 1493 dem Landgrafen Wilhelm dem Jüngern von dem Grafen Eberhard von Wittgenstein zu Mannlehn seyen aufgetragen worden; daß Kaiser Marimi lian I. diesen Lehnauftrag bestätigt habe; daß die Lehnherrlichkeit dem Hause HessenDarmstadt in dem hessischen Vergleich von 1648 zugetheilt worden sey; daß diese Besitzungen nun schon seit acht Jahren (vers möge der rheinischen BundesUcte) der Oberhoheit des großherzoglichen Hauses unterworfen seyen; daß solche die alten hefsischen Besigungen zurundeten, und ein anzichendes Ganze bildeten mit den hessischen Aemtern Battenberg und Bidenkopf.

Endlich brachte man von großherzoglich - hesse scher Seite noch in Erinnerung, daß Se. K. Hoheit der Großherzog, da Er in gerader Linie abs stamme von der erstgebohrnen Tochter des Kurfür ften Johann Georgs I. von Sachsen, durch den Additional Receß des prager Tractats von 1635, auf den Fall der Erlöschung der albertinischen oder Kurs

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linie des Hauses Sachsen, eine unskreitige Anwart. schaft erlangt habe auf die Lausiß und das Fürstens thum Querfurt. Diese Eventual Succession sey bei den Belehnungen, von Seite des gemeinschaftlichen Lehn hofes jederzeit anerkannt worden, und der und der wests phälische Friede habe den prager Tractat vollstáns dig bestätigt. Wenn man nun jest jene Länder an Preussen wollen abtreten lassen, so gebühre Hessen das für angemessene Entschädigung nicht weniger, als Sr. K. Hoheit dem Großherzog von SachsenWeimar für den Verlust seiner Successionsrechte auf solche königs lich - såchsische Landesbezirke, die nunmehr an Preussen sollten abgetreten werden.

Für den Fall, daß die Abtretung des Herzogs thums Westphalen, und der Oberhoheit über die fürstlich - wittgensteinischen Besißungen, für unvers meidlich sollte erachtet werden, forderte Hessen voll ståndige, feinen TerritorialVerhältnissen völlig ans gemessene Entschädigung in geographischer, sta= tistischer und finanzieller Hinsicht. Zwar hätten die teutschen Fürsten, welche im November 1813 der Coalition beitraten, sich verpflichtet,,,de se prêter aux arrangemens qui seront jugés indispensables pour une juste répartition des forces respectives des puissances et leur délimitation sur des bases naturelles et réciproquement convenables". Allein vorerst müsse ein klarer Beweis der Unvermeidlichkeit obliegen, und auch dann brauche das Opfer nur nach völlig freier Uebereinkunft, und gegen vollständigste Entschådis digung gebracht zu werden, von alliirten Fürsten, wels che mit denjenigen nicht zu verwechseln seyen, deren Befihungen man geglaubt habe mit Sequester belegen zu dürfen.

Die verbündeten Mächte håtten auf jenes Vers sprechen das Gegenversprechen gethan, „de procurer une indemnité compatible avec la masse des objets disponibles à l'époque de la pacification". Nun seyen aber zu dieser Zeit, (faft) alle ehehin teutschen Länder auf der linken Rheinseis te disponibel gewesen, mithin sey man die vollst á n digste Entschädigung zu fordern berechtiget. Für Westphalen, müsse auf der linken Rheinseite an Volkszahl und Staatseinkommen bedeutend mehr ge geben werden, als man an jenem habe; denn transs rhenanische Besitungen seyen unsicher, und in Kriegszeis ten mehr bloß gestellt. In diesen befånden sich so bes trächtliche Domainen nicht, wie in dem Herzogthum Westphalen. Auch müsse für die beträchtliche Saline von Werl, entweder das Eigenthum der unter seiner Hoheit ohnehin schon befindlichen Saline von Nauheim, oder die Saline von Kreuznach gegeben werden, damit es nicht an inländischem Salz fehle.

In einem Separat Artikel des frankfurter Accessions Vertrags vom 23. Nov. 1813, hatte Hef fen sich verpflichtet, die im Jahr 1810 erhaltenen hanauischen Aemter zurückzugeben, und das landgråfliche Haus Hessen Homburg in feinen vorigen Rechts- und Besihstand wieder einzusehen, dess sen Einwohnerzahl HessenDarmstadt, in einer Note vom 22. April 1815, auf 8,286 angab. Aber es war die Bedingung hinzugefügt, daß Heffen das für anderswo zu entschädigen sey, und diese Entschädigung mußte auf verwickelte Liquidationen fühs ren, in Abficht auf Schulden, Domainen und Rüdstånde, über welche Hessen mit Frankreich sich sehr theuer hatte abfinden müssen; zudem mußten durch jene Zurückgabe wieder Condominate für Hessen ents

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stehen, und und verschiedene seiner Befihungen isolirt

werden.

Ueberdieß hatte der königlich-baierische Herr Bevollmächtigte, Fürst von Wrede, am Ende Fes bruars gegen den groffherzoglich - hefsischen Herrn Bevollmächtigten geäussert, daß er sich zwar bemühen werde, dem Großherzogthum Hessen geographischen Zusammenhang mit seinen künftigen Besitzungen auf der linken Rheinseite, und vermuthlich Mainz selbst zu verschaffen, daß aber die Entschädigung nicht vollständig seyn und auf Worms sich nicht ers strecken könne. Eine Neusserung, die auf hessischer Seite, in Absicht auf die Angemessenheit und Vollständigkeit einer transrhenanischen Entschädigung, neue Besorgniß, nun auch wegen Baierns Absichten auf Befihungen auf beiden Seiten des Rheins, erregen mußte.

Dagegen hatte man von hessischer Seite schon unter dem 17. Febr. 1815, für den unvers meidlichen Fall einer Abtretung des Herzogthums Weftphalen, den Landesbezirk verlangt von Bingen bis zu dem frankenthaler Canal, zwischen dem Rhein, der Nahe, dem Alzenbach und dem Flüßchen Isenach, welches in den gedachten Canal fließt, nebst der Saline von Kreuznach; sodann für seine EventualSuccession in die beiden Laufigen und in Querfurt, die Stadt Wehlar und verschiedene andere Bezirke auf der rechten Rheinseite, zum Theil nur Oberhoheit darin; endlich ununterbrochenen Zusammenhang seiner Staaten auf der linken Rheinseite, von Gustavsburg bis Miltenberg, etwa mit Ausnahme einer MilitårStrasse auf der linken Rheinseite, wenn solche durchaus für nöthig follte erachtet werden.

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