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über die Farbenerscheinungen die wir bei Gelegenheit der Refraction gewahr werden.

Einleitung.

1.

Die Wirkung der Refraction, wodurch die Lichtstrahlen von ihrem Wege abgelenkt werden, wodurch uns das Bild eines Gegenstandes an einem andern Orte erscheint, als es sich wirklich befindet, ist ein sehr merkwürdiges Phänomen. Die Erfahrungen und 10 Versuche, unter welchen Umständen sie bemerkt wird, die Geseze, nach welchen sie sich äußert, sind von den Naturforschern beobachtet, geordnet und berechnet worden. Ich sehe voraus, daß man wenigstens im Allgemeinen mit dieser Lehre bekannt sei, indem ich 15 nur von den apparenten Farben zu handeln gedenke, welche uns bei dieser Gelegenheit erscheinen.

2.

Diese Farbenerscheinungen sind unter gewissen Umständen so lebhaft, schön und überraschend, daß fie die Aufmerksamkeit der Naturforscher von jeher billig 20 auf sich gezogen haben. Einige dieser Phänomene

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haben zu der fast allgemein angenommenen Theorie Anlaß gegeben und doch ist mir unbekannt, daß die Erfahrungen und Versuche jemals vollständig ge= sammlet und in ihrer natürlichen Ordnung aufge= stellt worden. Wir wollen versuchen, ob wir diese Erscheinungen bis zu ihren ersten Spuren verfolgen können; wir wollen sie von da bis auf den höchsten Grad ihrer Schönheit begleiten und ihnen alsdann bis dahin folgen, wo sie wieder verschwinden, und durch diesen Cirkel die Gesetze dieser Erscheinung an 10 den Tag zu bringen bemüht sein.

3.

Vorher aber ist es nöthig, daß wir die verschiedenen Versuche, welche wir bei dieser Gelegenheit anstellen, im Allgemeinen betrachten und, was wir dabei zu be= merken finden, festsehen. Alle Versuche, welche bei 15 dieser Gelegenheit vorkommen, lassen sich eintheilen in objective subjective

verbundene und

gemischte Versuche.

4.

Objective nenne ich diejenigen, wo das brechende Mittel fich nicht zwischen der Erscheinung und dem Beobachter findet, z. B. wenn wir das Sonnenlicht durch das Prisma fallen lassen und das farbige Bild an der Wand erblicken.

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5.

Subjective nenne ich, wenn das brechende Mittel zwischen der Erscheinung und dem Auge des Beobach= ters sich befindet, z. B. wenn wir ein Prisma vor die Augen halten, und schwarze und weiße Tafeln da= 5 durch betrachten, und die Ordnung der Farbenerscheinung an selbigen wahrnehmen.

6.

Wir werden genau zu bestimmen suchen, worin diese beiderlei Arten von Versuchen mit einander übereinkommen, und worin sie von einander verschieden 10 find. Wir werden sie neben einander stellen und sehen, in wiefern sie mit einander gleichen Schritt halten oder von einander abweichen. Auf diese genaue Ab= sonderung kommt sehr viel an, da man sie gewöhnlich nur promiscue zu gebrauchen pflegt.

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7.

Kennen wir diese Versuche genau, so werden wir sie desto eher beurtheilen können, wenn wir sie in Verbindung unter einander zu betrachten haben. Es werden uns sehr merkwürdige und sehr complicirte Phänomene nicht irre machen, welche uns durch diese 20 verbundene Versuche dargestellt werden.

8.

Gemischte Versuche nenne ich zum Unterschied unreine, ohne Methode und Zweck vereinigte Versuche der objectiven und subjectiven Phänomene, welche nur

alsdann vorkommen werden, wenn wir im Stande sind die Bemühungen unserer Vorgänger kritisch zu beurtheilen.

Erster Abschnitt.

Refraction an und für sich selbst bringt s keine Farbenerscheinung hervor.

Subjective Versuche.

9.

Erster Versuch.

Man nehme ein Gefäß das breiter als hoch ist und stelle es vor sich in die Hellung des Tageslichts 10 und die innern Flächen deffelben werden uns ihre eigne Farbe zeigen; es sei das Gefäß holzfarb, man streiche es weiß, schwarz, gelb oder blau an, so wird man, wie bei jedem andern Körper, den Anstrich der Fig. 1. Oberfläche rein erkennen. Man gieße hierauf reines 15 Waffer hinein; der Boden wird uns nach den Gesetzen der Refraction erhöht, die Wände so viel verkürzt er= scheinen. Man schaue durch das Waffer von allen Seiten, und es wird keine apparente Farbe in dem Gefäße erscheinen. Die Oberfläche des Bodens und 20 der Wände wird uns ihren Anstrich wie vorher sehen laffen, obgleich die Refraction schon vollkommen wirket und uns alle Stellen des Gefäßes an einem andern Plaze zeigt.

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