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Vorwort.

Indem ich die auf Bildung und Umbildung orga= nischer Naturen sich beziehenden älteren Papiere an einander zu reihen und einigermaßen brauchbar zu machen gedenke, kommt gar manches andere zur Hand, 5 welches abzulehnen nicht räthlich scheint. Denn mich belehrte die Erfahrung, daß der eifrigste Liebhaber im wissenschaftlichen Felde gerade so wenig vollbringt, weil er erst Ein Fach durchzuarbeiten und abzuschließen gedenkt, um das Geleistete dem Publicum mit Zu10 trauen vorlegen zu können. Gar manches andere Verwandte jedoch drängt sich unterdessen heran, auch das ist nicht zu entbehren, es wird aufgefaßt, be= handelt, bearbeitet, aber zuleht auch wieder beseitigt, das Interesse wendet sich wo anders hin, und jeder 15 einzelne Theil des Kreises kommt erst nach Jahren ernstlich wieder an die Reihe.

Jährliche Sommerreifen erneuerten die Neigung zur Geologie, manche Bemerkung die im Reiche des Wissens hätte fruchten können, liegt unbenußt seit 20 langer Zeit bei mir. Zur Kenntniß der böh=

mischen Gebirge habe manches zusammengetragen, und besonders die Zinnformation beachtet, ich lasse daher manchen früheren Auffah abdrucken, um spätere daran zu schließen.

Das vielleicht nie zu lösende Räthsel: die Ent- 5 stehung der Gänge, liegt mir immer im Sinne, und ich kann mich nicht enthalten lieber nur eine Annäherung an das Verständniß zu versuchen, als mich mit faßlich scheinenden Erklärungen einzuschläfern. Hievon wünsche gleichfalls Rechenschaft zu geben.

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Die Farbenlehre ward bisher im Stillen immer eifrig betrieben; die Richtigkeit meiner Ansichten kenne ich zu gut als daß mich die Unfreundlichkeit der Schule im mindesten irre machen sollte, mein Vortrag wirkt in verwandten Geistern fort, wenige Jahre werden es 15 ausweisen, und ich denke zunächst auch ein Wort mitzusprechen.

Die Farbenerscheinungen, von meinem vieljährigen Freunde und Mitarbeiter Doctor Seebeck entdeckt, und von ihm entoptisch genannt, beschäftigen mich 20 gegenwärtig auf's lebhafteste. Die Bedingungen immer genauer zu erforschen unter welchen sie erscheinen, fie als Complement meiner zweiten, den physischen Farben gewidmeten Abtheilung aufzuführen, ist meine gewissenhafte Sorgfalt. Denn wie sollte das auf- 25 geklärte Jahrhundert nicht bald einsehen, daß man mit Lichtkügelchen, denen Pol und Äquator angedichtet ward, sich nur selbst und andere zum Besten hat.

Da nun aber in der Naturwissenschaft das Historische dem Didaktischen, so wie dieses dem Dogmatischen vorangehen soll, so habe ich meinen verdienten Freund ersucht, selbst Nachricht und Kenntniß zu geben, wie 5 er zu jener Entdeckung gelangt, und unter welcher Rücksicht ihm der Preis von dem Institut zugetheilt worden. Dieser Aufsatz geht voran, hernach folgen noch zwei, deren erster die Phänomene des Doppelspaths, der andere die, bei Gelegenheit der Untersuchung 10 jener merkwürdigen Bilderverdoppelung, erst uns be= kannt wordenen entoptischen Farben, nach meiner Überzeugung, und nach den Maximen meiner FarbenLehre auszusprechen bemüht sein wird.

Goethes Werke. II. Abth. 5. Bd. 1. Abth.

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Einem auswärtigen Freund.

In dem Zeitraum zwischen Ostern und Pfingsten, den ich hier zubringe, ward ich von allen Seiten wissenschaftlich angeregt, und habe, mit Heiterkeit, meine alten Papiere wieder vorgenommen, welche zu 5 benutzen ich einige Schwierigkeit jest wie sonst finde. Man fühlt wohl das frühere Bestreben, ernst und tüchtig zu sein, man lernt Vorzüge an sich selbst kennen, die man jezt vermißt, dann aber sind doch reifere Resultate in uns aufgegangen, jene Mittel- 10 glieder können uns kein rechtes Interesse mehr abgewinnen. Dazu kommt noch, daß das Jahrhundert auf rechten und falschen Wegen, nach allen Seiten in die Breite geht, so daß eine unschuldige, Schritt vor Schritt sich bewegende Naivität, wie die meinige, 15 vor mir selbst eine wundersame Rolle spielt. Wie ich mich bei diesen Bemühungen verhalte, sehen Sie am besten aus einigen gedruckten Bogen, durch die ich das was Sie schon kennen zusammenknüpfe. Möge das Ganze Ihnen und andern so treuen Freunden an= 20 genehm und nüglich sein.

Jena den 27 ten Mai 1817.

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