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Zur

Farbenlehre.

Bringst du die Natur heran
Daß sie jeder nuhen kann;
Falsches hast du nicht ersonnen,
Hast der Menschen Gunst gewonnen.

Möget ihr das Licht zerstückeln,
Farb' um Farbe draus entwickeln,
Oder andre Schwänke führen,
Kügelchen polarisiren,

Daß der Hörer ganz erschrocken
Fühlet Sinn und Sinne stocken.
Nein! Es soll euch nicht gelingen,
Sollt uns nicht beiseite bringen,
Kräftig wie wir's angefangen,

Wollen wir zum Ziel gelangen.

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Geschichte

der entoptischen Farben.

Die erste Nachricht von den interessanten Entdeckungen des Herrn Malus über Spiegelung und 5 doppelte Strahlenbrechung erhielten wir durch das Bulletin de la Soc. Philomatique 1809 Janvier, ein Auszug aus einer Abhandlung des Herrn Malus, welche am 12ten December 1808 im Institut de France war vorgelesen worden. 1810 erschien dessen Théorie 10 de la double Réfraction, und 1811 im Moniteur No. 72, 73, 243, 247, Auszüge aus mehreren neuern Abhandlungen der Herren Malus, Biot und Arago über denselben Gegenstand. Diese waren mir bekannt, als ich in der Mitte des Augusts 1812 die ersten 15 Versuche über jene merkwürdigen Erscheinungen an= zustellen begann. Es war von den französischen Physikern bereits entdeckt, daß die verdoppelnden Krystalle die Eigenschaft befizen, die in Malas' Apparat bei sich kreuzender Lage der Spiegel aufgehobene Spiegelung, oder aufgehobene Doppelbilder der Kalkspathe wiederherzustellen, wobei von Herrn Arago zuerst an Glimmer, Gips und Bergkrystall ein

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Farbenwechsel in den beiden Bildern eines Doppelspath- oder Bergkrystall - Prisma bemerkt worden war. Dieselbe Wirkung hatte Malus an mehreren organi= schen Körpern wahrgenommen. Den einfach brechenden Körpern hingegen, fand er, fehle diese Eigenschaft s der krystallisirten, so wie rekrystallisirten. Doch an Einem Körper aus dieser lettern Classe, am Glase, und zwar an einem etwas prismatischen Flintglase, hatte Herr Arago eine ähnliche Wirkung wahrgenommen, wie am Glimmer und Bergkrystall. Dieses, 10 sagt er im Moniteur 1811 No. 243, depolarisirte in allen Stellen die Lichtstrahlen, und auch hier erschienen die beiden Bilder des Kalkspathes bisweilen in ent= gegengesetzten Farben, doch mehrentheils farblos. Dasfelbe hatte ich Gelegenheit an einigen dicken Gläsern 15 zu bemerken; ich fand aber auch daß nicht alle Stellen derselben gleich wirkten, daß einige die Spiegelung und die Doppelbilder herstellten, andere nicht, und daß, wenn eine Stelle bei veränderter Richtung des Glases das Vermögen der Wiederherstellung verlor, 20 ein anderer Punct dasselbe erhielt, welcher vorher unwirksam gewesen war. Ja was noch merkwürdiger: bei unveränderter Richtung des Glases gegen die übrigen Theile des Apparates stellten einzelne Puncte das ordinäre Bild des Doppelspathes, andere das 25 extraordinäre und mehrere das Doppelbild wieder her. Die Neuheit dieser Erfahrung und die Aussicht, welche sich hier zu näheren Aufschlüssen über die Bedin

gungen und Gefeße der doppelten Strahlenbrechung überhaupt, oder doch mindestens über die Wirkung der verdoppelnden Krystalle im Spiegelungsapparat zu eröffnen schienen, forderten zur genausten Unter5 suchung dieser Erscheinungen auf. An einem Glaswürfel entdeckte ich zuerst eine gesetzmäßige Folge in Wiederherstellung und Aufhebung der Bilder des Kalk= spathes, der einzelnen sowohl als der doppelten, und bestimmte genau die Puncte, an welchen die eine oder 10 die andere Wirkung eintritt, und zwar für jede Hauptrichtung des Würfels. Welchen Einfluß die äußere Gestalt der Körper auf die Erscheinungen habe, war der nächste Gegenstand der Untersuchung, und ich fand, daß wie die äußere Form der Glaskörper 15 verändert werde, auch die Lage der herstellenden Puncte sich verändere. An mehreren Würfeln, Cylindern, drei- und vierseitigen Prismen, Kegeln und Halbkugeln wurden nun die verschieden wirkenden Puncte bezeichnet. Diese und alle übrigen § 6 bis 16 meiner 20 ersten Abhandlung in Schweiggers Journal für Chemie und Physik B. VII, Heft 3 angeführten Beobachtungen wurden gemacht, ehe ich noch die Figuren, welche ich später entoptische genannt habe, gesehen hatte. Mein erster Spiegelungsapparat hatte nämlich die 25 unbequeme Einrichtung, daß das Licht durch eine kleine Öffnung eines nahe vor den ersten Spiegel be= festigten Schirmes fiel, welcher nicht zurückgeschlagen werden konnte; es war daher immer nur ein kleiner

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