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der Seitenhimmel beinahe directes Licht reflectirt. Stünde die Sonne im Zenith, im reinen blauen Äther, so müßte von allen Seiten das weiße Kreuz' erscheinen, weil das Himmelsgewölbe von allen Seiten directes Licht zurückwürfe.

Unser meist getrübter Atmosphären - Zustand wird aber den entscheidenden Hauptversuch selten begünstigen, mit desto größerem Eifer fasse der Naturfreund die glücklichen Momente, und belehre sich an hinderlichen und störenden Zufälligkeiten.

Wie wir diese Erscheinungen, wenn sie sich bestätigen, zu Gunsten unserer Farbenlehre deuten, kann Freunden derselben nicht verborgen sein; was der Physik im Ganzen hieraus Gutes zuwüchse, wer= den wir uns mit Freuden aneignen.

Mit Dank haben wir jedoch sogleich zu erkennen, wie sehr wir durch belehrende Unterhaltung, vorgezeigte Versuche, mitgetheilten Apparat, durch Herrn Geheimen Hofrath Voigt, bei unserm Bemühen, in diesen Tagen gefördert worden.

Jena den Sten Juni 1817.

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Entoptische Farben.

Ansprache.

Bei diesem Geschäft erfuhr ich, wie mehrmals im Leben, günstiges und ungünstiges Geschick, fördernd 5 und hindernd. Nun aber gelange, nach zwei Jahren, an demselben Tage zu eben demselben Ort, wo ich, bei gleich heiterer Atmosphäre, die entscheidenden Versuche nochmals wiederholen kann. Möge mir eine hinreichende Darstellung gelingen, wozu ich mich wenig= stens wohl zubereitet fühle. Ich war indessen nicht müßig und habe immerfort versucht, erprobt und eine Bedingung nach der andern ausgeforscht, unter welchen die Erscheinung sich offenbaren möchte.

Hiebei muß ich aber jener Beihülfe dankbar an15 erkennend gedenken, die mir von vorzüglichen wissen= schaftlichen Freunden bisher gegönnt worden. Ich erfreute mich des besondern Antheils der Herren Döbereiner, Hegel, Körner, Lenz, Roux, Schulz, Seebeck, Schweigger, Voigt. Durch 20 gründlich motivirten Beifall, warnende Bemerkun= gen, Beitrag eingreifender Erfahrung, Mittheilung natürlicher, Bereitung künstlicher Körper, durch Ver=

besserung und Bereicherung des Apparats und ge= nauste Nachbildung der Phänomene, wie sie sich stei= gern, und Schritt vor Schritt vermannichfaltigen, ward ich von ihrer Seite höchlich gefördert. Von der meinen verfehlte ich nicht die Versuche fleißig zu s wiederholen, zu vereinfachen, zu vermannichfalten, zu vergleichen, zu ordnen und zu verknüpfen. Und nun wende ich mich zur Darstellung selbst, die auf vielfache Weise möglich wäre, fie aber gegenwärtig unternehme, wie sie mir gerade zum Sinne paßt, 10 früher oder später wäre sie anders ausgefallen.

Freilich müßte sie mündlich geschehen bei Vorzeigung aller Versuche wovon die Rede ist, denn Wort und Zeichen sind nichts gegen sicheres, lebendiges Anschauen. Möchte sich der Apparat, diese wichtigen Phänomene zu vergegenwärtigen, einfach und zu= sammengesezt durch Thätigkeit geschickter Mechaniker von Tag zu Tag vermehren.

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Übrigens hoff' ich, daß man meine Ansicht der Farben überhaupt, besonders aber der physischen 20 kenne: denn ich schreibe Gegenwärtiges als einen meiner Farbenlehre sich unmittelbar anschließenden Auffah, und zwar am Ende der zweiten Abtheilung, hinter dem 485. Paragraphen, Seite 185.

Jena d. 20sten Juli 1820.

G.

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I.

Woher benannt?

Die entoptischen Farben haben bei ihrer Entdeckung diesen Namen erhalten nach Analogie der übrigen, mehr oder weniger bekannten und anerkann= sten, physischen Farben, wie wir solche in dem Entwurf zu einer allgemeinen Chromatologie sorgfältig aufgeführt. Wir zeigten nämlich daselbst zuerst dioptrische Farben ohne Refraction, die aus der reinen Trübe entspringen; dioptrische mit Refraction, die 10 prismatischen nämlich, bei welchen zur Brechung sich noch die Begränzung eines Bildes nöthig macht; katoptrische, die auf der Oberfläche der Körper durch Spiegelung sich zeigen; paroptische, welche sich zu dem Schatten der Körper gesellen; epoptische, 15 die sich auf der Oberfläche der Körper unter verschiedenen Bedingungen flüchtig oder bleibend erweisen; die nach der Zeit entdeckten wurden entoptische genannt, weil sie innerhalb gewisser Körper zu. schauen sind, und damit sie, wie ihrer Natur also 20 auch dem Namensklange nach, sich an die vorher= gehenden anschlössen. Sie erweiterten höchst er= freulich unseren Kreis, gaben und empfingen Aufklärung und Bedeutung innerhalb des herrlich ausgestatteten Bezirks.

II.

Wie sie entdeckt worden?

In Gefolg der Entdeckungen und Bemühungen französischer Physiker, Malus, Biot und Arago im Jahr 1809, über Spiegelung und doppelte Strahlenbrechung, stellte Seebeck, im Jahr 1812, sorgfältige s Versuche wiederholend und fortschreitend an. Jene Beobachter hatten schon bei den ihrigen, die sich auf Darstellung und Aufhebung der Doppelbilder des Kalkspaths hauptsächlich bezogen, einige Farbenerschei= nungen bemerkt. Auch Seebeck hatte dergleichen ge= 10 sehen, weil er sich aber eines unbequemen Spiegelapparates mit kleiner Öffnung bediente, so ward er die einzelnen Theile der Figuren gewahr, ohne ihr Ganzes zu überschauen. Er befreite sich endlich von solchen Beschränkungen und fand daß es Gläser gebe, 15 welche die Farbe hervorbringen, andere nicht, und erkannte daß Erhitung bis zum Glühen und schnelles Abkühlen den Gläsern die entoptische Eigenschaft verleihe.

Die ihm zugetheilte Hälfte des französischen Preises 20 zeugte von parteilofer Anerkennung von Seiten einer fremden, ja feindlichen Nation, Brewster, ein Engländer, empfing die andere Hälfte. Er hatte sich mit demselben Gegenstand beschäftigt und manche Bedingungen ausgesprochen, unter welchen jene Phäno- 25 mene zum Vorschein kommen.

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