Page images
PDF
EPUB

dürfen. Aber im Grunde sind wir doch nicht wie wir wünschen durchaus gefördert, denn selbst was wir mechanisch leisten, müssen wir nach allgemeinen Naturgesetzen bewirken und die lezten Handgriffe haben immer etwas Geistiges, wodurch alles körperlich Greif- 5 bare eigentlich belebt und zum Unbegreiflichen er= hoben wird.

Man spanne ein starkes Glastäfelchen, das keine entoptischen Eigenschaften hat, in einen metallnen Schraubstock dergestalt, daß zwei entgegengesezte Puncte 10 der Peripherie vorzüglich afficirt werden, man bringe diese Vorrichtung unter die Spiegel, so wird man eine von jenen beiden Puncten ausgehende Erschei= nung erblicken, sie ist büschelförmig, theils hell, theils dunkel, nach dem Gesez gefärbt, und sucht sich, durch 15 eine ovale Neigung gegen einander, zu verbinden. Durch den Druck geht also eine Veränderung der Tertur der Bestandtheile vor, ihre Lage gegen einander wird verändert und wir dürfen eine Solutio continui, wie bei dem schnell verkühlten Glase vor 20 geht, annehmen.

Eine ähnliche Erfahrung gibt uns hierüber abermals einiges Licht. Es fand sich ein knopfartig ge= arbeitetes Stück Bernstein, vollkommen klar, in der Mitte durchbohrt; zwischen die Spiegel gebracht zeigten 25 sich vier aus dem Mittelpunct ausgehende weiße und bei der Umkehrung schwarze Strahlenbüschel. Hier scheint der Bohrer aus der Mitte gegen die Seite

[ocr errors]

drückend eben dieselbe Wirkung hervorgebracht zu haben als die Zwinge auf die Seiten der Glastafel, nur daß hier immanent geblieben war was bei der Glastafel, wenn die Zwinge geöffnet wird, sogleich 5 vorüber ist. Wir ließen, um der Sache mehr beizukommen, einige Stücke Bernstein durchbohren, das Phänomen gelang aber nicht zum zweitenmal.

XXXIV.
Damast-Weberei.

Wo wir aber diese Erscheinung mit Händen greifen 10 können, indem wir sie selbst technisch hervorbringen, ist bei dem Damastweben. Man nehme eine gefaltete Serviette, von schön gearbeitetem, wohl gewaschenen und geglätteten Tafelzeuge, und halte fie, flach, vor sich gegen das Licht; man wird Figuren und Grund 15 deutlich unterscheiden. In einem Fall sieht man den Grund dunkel und die Figuren hell, kehrt man die Serviette im rechten Winkel nunmehr gegen das Licht, so wird der Grund hell, die Figuren aber dunkel erscheinen, wendet man die Spitze gegen das Licht 20 daß die Fläche diagonal erleuchtet wird, so erblickt man weder Figuren noch Grund, sondern das Ganze ist von einem gleichgültigen Schimmer erleuchtet.

Diese Erscheinung beruht auf dem Princip der Damast-Weberei, wo das, nach Vorschrift, abwech= 25 selnde Muster darzustellen, die Fäden auf eine eigene Weise über's Kreuz gerichtet sind, so daß die Gestalten

hell erscheinen wenn das Licht der Fadenlänge nach zu unserm Auge kommt, dunkel aber von denen Fäden welche quer gezogen sind. Die auf den Beschauer gerichteten Fäden leiten das Licht bis zu den Augen und bringen solches direct zur Erscheinung, die durch= 5 kreuzenden dagegen führen das Licht zur Seite und müssen daher als dunkel, oder beschattet gesehen werden. In der Diagonale beleuchtet führen sie beide das Licht vom Auge abwärts und können sich nur als gleichgültigen Schein manifestiren.

10

Hier geht nun eben dasselbe hervor was sich am großen Himmel ereignet, und des Webers Geschicklichkeit verständiget uns über die Eigenschaften der Atmo= sphäre. Zu meinem Apparat ließ ich, durch eine geschickte Nähterin, erst ein Damenbret-Muster, woran 15 sich die Erscheinung am entschiedensten zeigt, mit den zartesten Fäden sticken, sodann aber das entoptische Kreuz mit den Puncten in den Ecken, das man denn, je nachdem die Fläche gegen das Licht gerichtet ist, hell oder dunkel schauen kann.

XXXV.

Ähnelnde theoretische Ansicht.

20

Da wir uns bemühen in dem Erfahrungskreise analoge Erscheinungen aufzusuchen, so ist es nicht weniger wichtig, wenn wir auf Vorstellungsarten treffen, welche, theoretisch ausgesprochen, auf unsere 25 Absicht einiges Licht werfen können.

Ein geistreicher Forscher hat die entoptischen Erscheinungen, und die damit nahe verwandten Phänomene der doppelten Refraction, dadurch aufzuklären getrachtet, daß er longitudinale und transversale 5 Schwingungen des Lichtes annahm. Da wir nun in der Damastweberei den Widerschein des Lichtes durch Fäden bedingt sehen, welche theils der Länge, theils der Quere nach zu unserm Auge gerichtet sind, so wird uns niemand verargen wenn wir in dieser Denk10 art eine Annäherung an die unsrige finden; ob wir gleich gern bekennen daß wir jene Bedingungen nach unserer Weise nicht im Licht als Licht, sondern am Lichte, das uns nur mit der erfüllten Räumlichkeit, mit der zartesten und dichtesten Körperlichkeit zu= 15 sammentreffend erscheinen kann, bewirkt finden.

XXXVI.

Gewässertes Seidenzeug.

Dieses wird erst in Riefen oder Maschen gewoben, oder gestrickt, und alsdann, durch einen ungleich glättenden Druck, dergestalt geschoben daß Höhen und 20 Tiefen mit einander abwechseln, wodurch, bei verschiedener Richtung des Seidenzeuges gegen den Tag, der Widerschein bald unserm Auge zugewendet, bald abgewendet wird.

Goethes Werke. II. Abth. 5. Bd. 1. Abth.

20

XXXVII.

Gemodelte Zinn-Oberfläche.

Hierher gehört gleichfalls die mannichfaltige und wundersam erfreuliche Erscheinung, wenn eine glatte Zinn-Oberfläche durch verdünnte Säuren angegriffen und dergestalt behandelt wird, daß dendritische Figuren 5 darauf entstehen. Der Beobachter stelle sich mit dem Rücken gegen das Fenster und lasse das Licht von der einen Seite auf die verticale Tafel fallen, so wird man den einen Theil der Zweige hell und erhöht, den andern dunkel und vertieft erblicken; nun kehre 10 man sich leise herum, bis das Licht zur rechten Seite hereintritt, das erst Helle wird nun dunkel, das Dunkele hell, das Erhöhte vertieft und beschattet, das Vertiefte erhöht und erleuchtet in erfreulicher Mannichfaltigkeit erscheinen. Solche Bleche, mit farbigem Lack- 15 firniß überzogen, haben sich durch ihren anmuthigen Anblick zu mancherlei Gebrauch empfohlen. Auch an solchen lackirten Flächen läßt sich der Versuch gar wohl anstellen, doch ist es besser, bei'm entoptischen Apparat, der Deutlichkeit wegen ungefirnißte Bleche 20 vorzuzeigen.

XXXVIII.

Oberflächen natürlicher Körper.

Alle diejenigen Steinarten welche wir schillernde nennen schließen sich hier gleichfalls an. Mehreres was zum Feldspath gerechnet wird, Adular, Labra= 25

« PreviousContinue »