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dor, Schriftgranit, bringen das Licht durch Widerschein zum Auge, oder anders gerichtet leiten sie es ab. Man schleift auch wohl dergleichen Steine etwas erhaben, damit die Wirkung auffallender und ab= 5 wechselnder werde, und die helle Erscheinung gegen die dunkle schneller und kräftiger contrastire. Das Katenauge steht hier obenan; doch lassen sich Asbeste und Selenite gleichmäßig zurichten.

XXXIX.

Rückkehr und Wiederholung.

Nachdem wir nun die Bahn die sich uns eröffnete nach Kräften zu durchlaufen gestrebt, kehren wir zum Anfang, zum Ursprung sämmtlicher Erscheinungen wieder zurück. Der Urquell derselben ist die Wirkung der Sonne auf die Atmosphäre, auf die unendliche 15 blaue Räumlichkeit. In freister Welt müssen wir immer wieder unsere Belehrung suchen.

Bei heiterem Himmel, vor Aufgang der Sonne sehen wir die Seite wo sie sich ankündigt heller als den übrigen Himmel, der uns rein und gleich blau 20 erscheint, ebendasselbe gilt vom Untergange. Die Bläue des übrigen Himmels erscheint uns völlig gleich. Tausendmal haben wir das reine heitere Gewölb des Himmels betrachtet und es ist uns nicht in die Gedanken gekommen daß es je eine ungleiche Beleuchtung 25 herunter fenden könne, und doch sind wir hierüber nunmehr, durch Versuche und Erfahrungen belehrt.

Da wir nun aber über diese Ungleichheit der atmosphärischen Wirkung schon aufgeklärt waren, versuchten wir mit Augen zu sehen was wir folgern konnten: es müsse nämlich, im directen Gegenschein der Sonne, der Himmel ein helleres Blau zeigen als s zu beiden Seiten; dieser Unterschied war jedoch nie zu entdecken, auch dem Landschaftsmahler nicht, dessen Auge wir zum Beistand anriefen.

Daß aber die durch entoptische Gläser entdeckte ungleiche Beleuchtung für ein glücklich gebornes ge= 10 übtes Mahlerauge bemerklich sei, davon gibt Nachstehendes sichere Kunde.

XL.

Wichtige Bemerkung eines Mahlers.

Ein vorzüglicher, leider allzufrüh von uns geschiedener Künstler, Ferdinand Jagemann, dem die 15 Natur, nebst andern Erfordernissen, ein scharfes Auge für Licht und Schatten, Farbe und Haltung gegeben, erbaut sich eine Werkstatt zu größeren und kleineren. Arbeiten; das einzige hohe Fenster derselben wird nach Norden, gegen den freisten Himmel gerichtet, 20 und nun dachte man allen Bedingungen dieser Art genug gethan zu haben.

Als unser Freund jedoch eine Zeitlang gearbeitet, wollte ihm, bei'm Porträtmahlen, scheinen daß die Physiognomien, die er nachbildete, nicht zu jeder 25 Stunde des Tags gleich glücklich beleuchtet seien, und

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doch war an ihrer Stellung nicht das Mindeste verrückt, noch die Beschaffenheit einer vollkommen hellen Atmosphäre irgend verändert worden.

Die Abwechselung des günstigen und ungünstigen 5 Lichts hielt ihre Tagesperioden; am frühsten Morgen erschien es am widerwärtigsten grau und unerfreulich; es verbesserte sich, bis endlich, etwa eine Stunde vor Mittag; die Gegenstände ein ganz anderes Ansehen gewannen, Licht, Schatten, Farbe, Haltung, alles in 10 seiner größten Vollkommenheit, sich dem KünstlerAuge darbot, so wie er es der Leinwand anzuvertrauen nur wünschen konnte. Nachmittag verschwindet diese herrliche Erscheinung; die Beleuchtung verschlimmert sich, auch am klarsten Tage, ohne daß in der Atmo= 15 sphäre irgend eine Veränderung vorgegangen wäre.

Als mir diese Bemerkung bekannt ward, knüpfte ich solche sogleich in Gedanken an jene Phänomene mit denen wir uns so lange beschäftigten und eilte, durch einen physischen Versuch dasjenige zu bestätigen 20 und zu erläutern was ein hellsehender Künstler, ganz für sich, aus eingeborner Gabe, zu eigner Verwunderung, ja Bestürzung entdeckt hatte. Ich schaffte unsern zweiten entoptischen Apparat herbei und dieser verhielt sich wie man nach Obigem vermuthen konnte. 25 Zur Mittagszeit, wenn der Künstler seine Gegen= stände am besten beleuchtet sah, gab der nördliche directe Widerschein das weiße Kreuz, in Morgen- und Abendstunden hingegen, wo ihm das widerwärtige,

obliquirte Licht beschwerlich fiel, zeigte der Kubuz das schwarze Kreuz, in der Zwischenzeit erfolgten die Übergänge.

Unser Künstler also hatte, mit zartem geübten Sinn, eine der wichtigsten Naturwirkungen entdeckt, s ohne sich davon Rechenschaft zu geben. Der Physiker kommt ihm entgegen und zeigt wie das Besondere auf dem Allgemeinen ruhe.

Wir gedenken ähnlicher Fälle die uns überraschten lange vorher ehe die Kenntniß dieser Erscheinung uns 10 erfreute. In Rom wo wir zehen Wochen des allerreinsten Himmels, ohne die mindeste Wolke genossen, war es überhaupt gute Zeit Gemählde zu sehen. Ich erinnere mich aber daß eine in meinem Zimmer aufgestellte Aquarellzeichnung mir auf einmal so unend= 15 lich schön vorkam, als ich sie niemals gesehen. Ich schrieb es damals eben dem reinen Himmel und einer glücklichen augenblicklichen Disposition der Augen zu; nun, wenn ich der Sache wieder gedenke, erinnere ich mich daß mein Zimmer gegen Abend lag, daß diese 20 Erscheinung mir des Morgens zuerst auffiel, den ganzen Tag aber wegen des hohen Sonnenstandes Play greifen konnte.

Da nun aber gegenwärtig diese entschiedene Wirkung zum Bewußtsein gekommen ist, so können Kunst= 25 freunde bei'm Beschauen und Vorzeigen ihrer Bilder sich und andern den Genuß gar sehr erhöhen, ja Kunsthändler den Werth ihrer Bilder durch Be

obachtung eines glücklichen Widerscheins unglaublich steigern.

Wenn uns nun kein Geheimniß blieb wie wir ein fertiges Bild stellen müssen um solches in seinem 5 günstigsten Lichte zu zeigen; so wird der Künstler um so mehr, wenn er etwas nachbildet, das oblique Licht vermeiden und seine Werkstatt allenfalls mit zwei Fenstern versehen, eines gegen Abend, das andere gegen Norden. Das erste dient ihm für die Morgen10 stunden, das zweite bis zwei, drei Uhr Nachmittag und dann mag er wohl billig feiern. Es fagte jemand im Scherz: der fleißigste Mahler müsse seine Werkstatt wie eine Windmühle beweglich anlegen, da er denn, bei leichtem Drehen um die Achse, wo nicht gar 15 durch ein Uhrwerk wie ein umgekehrtes Helioskop, dem guten Licht von Augenblick zu Augenblick folgen könne.

Ernsthafter ist die Bemerkung, daß im hohen Sommer, wo der Himmel schon vor zehen Uhr rings umher das weiße Kreuz gibt und sich bis gegen Abend 20 bei diesem günstigen Licht erhält, der Mahler, wie durch die Jahreszeit, so auch durch diesen Umstand aufgefordert, am fleißigsten zu sein Ursache habe.

Leider muß ich jedoch bei unserer oft umhüllten Atmosphäre zugleich bekennen daß die Wirkungen sich 25 oft umkehren und gerade das Gegentheil von dem Gehofften und Erwarteten erfolgen könne; denn so wird z. B. bei den Nebelmorgen die Nordseite das weiße Kreuz und also ein gutes Licht geben und der

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