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Vorstehendes war schon lange, aus dichterischer Ahnung und nur im halben Bewußtsein geschrieben, als, bei gemäßigtem Licht, vor meinem Fenster auf der Straße, ein schwarzer Pudel vorbei lief, der einen hellen Lichtschein nach sich zog: das undeutliche, im s Auge gebliebene Bild seiner vorübereilenden Gestalt. Solche Erscheinungen sind um desto angenehm - über= raschender, als sie gerade, wenn wir unser Auge be= wußtlos hingeben, am lebhaftesten und schönsten sich anmelden.

2.

Weiteres Beispiel.

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Wo ich die gleiche Erscheinung auch höchst auffallend bemerkte, war, als bei bedecktem Himmel und frischem Schnee die Schlitten eilend vorbei rutschten, da denn die dunklen Kufen weit hinter sich die klar= 15 sten Lichtstreifen nachschleppten. Niemand ist, dem solche Nachbilder nicht öfters vorkämen, aber man läßt sie unbeachtet vorübergehn; jedoch habe ich Per= sonen gekannt, die sich deßhalb ängstigten und einen fehlerhaften Zustand ihrer Augen darin zu finden 20 glaubten, worauf denn der Aufschluß, den ich geben konnte, sie höchst erfreulich beruhigte.

3.

Eintretende Reflexion.

Wer von dem eigentlichen Verhältniß unterrichtet ist, bemerkt das Phänomen öfters, weil die Reflerion 25

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gleich eintritt. Schiller verwünschte vielmal diese ihm mitgetheilte Ansicht, weil er dasjenige überall erblickte, wovon ihm die Nothwendigkeit bekannt geworden.

4.

Complementare Farben.

Nun erinnern wir uns sogleich, daß eben so wie Hell und Dunkel, auch die Farben sich ihrem Gegen= sage nach unmittelbar fordern, so daß, nämlich im Satz und Gegensatz, alle immer zugleich enthalten sind. Deßwegen hat man auch die geforderten Farben, 10 nicht mit Unrecht, complementare genannt, indem die Wirkung und Gegenwirkung den ganzen Farben= Kreis darstellt, so daß wenn wir, mit den Mahlern und Pigmentisten, Blau, Gelb und Roth als Hauptfarben annehmen, alle drei in folgenden Gegensätzen 15 immer gegenwärtig sind:

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Von diesen Phänomenen bringen wir einige in 20 Erinnerung besonderer Umstände wegen, die sie merkwürdig machen.

5.

Leuchtende Blumen.

Sehr erfreulich ist es, in den Stockholmer Abhandlungen, Band XXIV, Seite 291, zu lesen: daß 25 ein Frauenzimmer das Blitzen der rothgelben Blumen

zuerst entdeckt habe, denn dort heißt es: „Die feuergelben Blumen des Tropäolum majus L. blihen jeden Abend vor der Dämmerung, wie solches die Fräulein Tochter des Ritters Carl von Linné, Elisabeth Christina, auf ihres Herrn Vaters Landgute, Hamarby, 5 eine Meile von Upsala, in Gesellschaft anderer, in dem Garten beobachtet hat. Dieses Blizen besteht in einem plöhlichen Hervorschießen des Glanzes, daß man sich es nicht schneller vorstellen kann."

Die Blumen an welchen, außer dem Tropäolum, 10 die gleiche Erscheinung bemerkt wurde, waren die Calendel, Feuerlilie, Taygetes und manchmal die Sonnenblume. Mit vollem Rechte läßt sich aber der orientalische Mohn hinzuthun, wie ich in meinem Entwurf der Farbenlehre § 54 umständlich erzählt 15 habe, und solches hier einrücke, da wenigen meiner Leser jenes Buch zur Hand sein möchte.

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Am 19. Junii 1799, als ich, zu später Abendzeit, bei der in eine klare Nacht übergehenden Dämmerung, mit einem Freunde im Garten auf und ab 20 ging, bemerkten wir sehr deutlich an den Blumen des orientalischen Mohns, die vor allen andern eine mächtig - rothe Farbe haben, etwas Flammenähn= liches, das sich in ihrer Nähe zeigte. Wir stellten uns vor die Stauden hin, sahen aufmerksam darauf, 25 konnten aber nichts weiter bemerken, bis uns endlich bei abermaligem Hin- und Wiedergehen gelang, indem wir seitwärts darauf blickten, die Erscheinung

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so oft zu wiederholen als uns beliebte. Es zeigte sich, daß es ein physiologisches Farbenphänomen, und der scheinbare Blitz eigentlich das Scheinbild der Blume, in der geforderten blaugrünen Farbe sei.“

6.

Weiter geführt und ausgelegt.

Ist uns nun aber einmal die Ursache dieses Ercignisses bekannt, so überzeugt man sich, daß unter gar vielen andern Bedingungen dasselbige hervorzubringen sei. Am Tage in dem blumenreichen Garten 10 auf und ab gehend, bei gemäßigtem Licht, sogar bei'm hellen Sonnenschein, wird der aufmerksame Beobachter solche Scheinbilder gewahr; nur, wenn man die Absicht hat sie zu sehen, fasse man dunkle Blumen in's Auge, welche den besten Erfolg gewähren. Die Purpurfarbe einer Päonie gibt im Gegensatz ein helles Meer= grün; das violette Geranium ein gelblich grünes Nachbild; einen dunklen Buxbaumstreifen der Rabatteneinfassung kann man, durch Abwendung des Auges, auf den Sandweg, hell violett projiciren und 20 mit einiger Übung sich und andere von der Constanz dieses Phänomens überzeugen. Denn ob wir gleich ganz unbewußt und unaufmerksam diese Erscheinungen vielleicht am lebhaftesten gewahr werden, so hängt es doch auch von unserm Willen ab, dieselben voll25 kommen in jedem Augenblick zu wiederholen.

7.

Wechselseitige Erhöhung.

Wenn nun Hell und Dunkel, so wie die obge= nannten sich fordernden Farben, wechselseitig hervor= treten, sobald nur eine derselben dem Auge geboten wird; so folgt daraus daß sie sich wechselseitig er 5 höhen, wenn sie neben einander gestellt sind. Was Hell und Dunkel betrifft, so gibt folgender Versuch eine überraschend - angenehme Erscheinung :

Man habe graues Papier von verschiedenen auf einander folgenden Schattirungen, man klebe Streifen 10 desselben, der Ordnung nach, neben einander; man stelle sie vertikal, und man wird finden: daß jeder Streifen, an der Seite wo er an's Hellere stößt, dunkler, an der Seite mit der er an's Dunkle stößt, heller aussieht; dergestalt daß die Streifen zusammen 15 dem Bilde einer cannelirten Säule, die von einer Seite her beleuchtet ist, völlig ähnlich sehen.

Physische Farben.

8.

Falsche Ableitung des Himmelblauen. Zu traurigen Betrachtungen gibt es Anlaß, wenn 20 man in der Naturlehre, nach Anerkennung eines wahren Princips, solches alsobald falsch anwenden

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