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gen direkt von den deutschen Gefangenenlagern zugehen, werden erst in Bern sortiert. Aus den Briefschaften von französischen Gefangenen in Deutschland an ihre Angehörigen in Frankreich und seinen Kolonien, sowie aus den aus Deutschland stammenden Briefschaften für deutsche Gefangene in Frankreich und seinen Kolonien werden nach 130 verschiedenen Städten, Lagern und Departementen Bünde geformt. Oft liegen so viele Briefschaften vor, dass für jedes Gefangenenlager usw. gegen ein Dutzend dicke Briefbünde angefertigt werden müssen. Die Leitung der Briefpost nach Frankreich erfolgt nach dem Entrepôt de Besançon. Die aus Frankreich eintreffenden Briefschaften ergeben nach der Sortierung für ungefähr 220 verschiedene Lager, Lazarette und Gefangenendetachemente, sowie für etwa 120 Städte und Bahnpoststrecken Briefbünde, die den Postämtern Frankfurt a. M. 1 Durchgang, Frankfurt a. M. 9 Auslandstelle, Lindau und Stuttgart 1 Auslandstelle, zugeleitet werden. Seit einiger Zeit steht das Kriegsgefangenenpostbureau Bern-Transit auch im Kartenschlusswechsel mit London. Während der Verkehr mit England vorher im Offentransit durch Frankreich bewerkstelligt wurde, fertigte das Kriegsgefangenenpostbureau Bern-Transit am 10. Juli 1915 zum erstenmal direkte Postsäcke nach London (Prisoners of War) ab, und am 16. Juli trafen die ersten Postsäcke aus London in Bern ein.

Ausser mit den genannten ausländischen Postämtern tauscht das Postbureau Bern-Transit mit den Postämtern Wien 101, Budapest 72 und Bologna (Prigionieri di guerra) direkte Postsäcke aus. Auch im Verkehr mit diesen Auswechslungsstellen wird die Briefpost nach Provinzen, Gefangenenlagern usw. ge

nau sortiert. Nach Bologna (Prigionieri di guerra) wurde der erste Kartenschluss am 13. Juli 1915 abgefertigt. Von dort trafen zum erstenmal direkte Postsäcke am 25. September in Bern ein, während Italien vorher die Briefschaften dem roten Kreuz in Genf übermittelte, das sie dann natürlich dem Kriegsgefangenenpostbureau Bern-Transit zur Verarbeitung und Weiterleitung zuwenden musste. Mit dem Kartenschluss von Bologna gehen auch die Briefschaften der in Malta untergebrachten Kriegsgefangenen ein. Seit Mitte Juli wird auch der Kriegsgefangenenpostverkehr zwischen der Türkei einerseits und England und Frankreich anderseits durch das Postbureau BernTransit vermittelt. Der Austausch wird über Wien 101 und Konstantinopel-Auswechslungsbureau bewerkstelligt. Die Briefschaften an die in der Türkei gefangenen Engländer und Franzosen sind bald sortiert, da nur in Afiun Karahissar (Chodawendikjar), Magnesia und seit kurzer Zeit in Angora Lager bestehen. Da die kriegsgefangenen Türken grösstenteils in Bombay (Brit. Indien) untergebracht sind, muss die Leitung ihrer Briefschaften auf dem riesigen Umwege über Suezkanal-London-Bern-Wien-Konstantinopel erfolgen. Es wäre unsern Beamten kaum möglich, die Briefe der gefangenen Türken zu sortieren, da nicht nur der Name, sondern oft auch der Bestimmungsort in türkischer Sprache und türkischen Schriftzeichen geschrieben sind. Die Postsendungen der in Medea (Aegypten) untergebrachten kriegsgefangenen Türken gelangen im Offentransit über Frankreich nach Bern. Welche Fahrten solche Briefschaften oft machen müssen, um an den Bestimmungsort zu gelangen, zeigt folgender Fall. Der Gatte einer in Przemysl lebenden Dame, der Stabsarzt im österreichischen Heere ist, war in russische Gefangenschaft geraten und wurde von den Russen, die Mangel an Aerzten hatten, in einem Lazarett in Lemberg verwendet. Ein Flieger nahm einen Brief dieser Dame an ihren Gatten aus dem belagerten Przemysl mit und warf ihn in einen k. k. Briefkasten. Von der österreichischen Postverwaltung wurde der Brief dem Kriegsgefangenenpostbureau Bern-Transit zugeleitet und von diesem dem Postbureau Lausanne-gare, das ihn dem direkten Postsack nach St. Petersburg, der über Brindisi, Salonich, Bulgarien, Odessa befördert wurde, beischloss.

Weniger erheblich ist der Kriegsgefangenenbriefpostverkehr zwischen Serbien und Montenegro einerseits und Oesterreich und Ungarn anderseits, der nur ausnahmsweise über Bern geleitet wird, sowie derjenige zwischen Deutschland und Japan, der nur dann durch die Schweiz geht, wenn auf der Adresse der Leitvermerk « über Suez » angegeben ist.

An die Findigkeit der schweizerischen Postbeamten, die sich mit der Kriegsgefangenenpost zu befassen haben, werden oft grosse Anforderungen gestellt. Man darf eben nicht vergessen, dass jetzt viele Leute liach dem Ausland schreiben, die vorher kaum über die Grenzen ihres Kirchspiels hinaus korrespondiert haben. Wie da die Bestimmungsorte geschrieben werden, kann man sich etwa ausmalen, wenn man sich vergegenwärtigt, dass ein nach Herisau (Appenzell) bestimmter Brief die Ortsangabe «Erisao ab Esel >> trug. Adressen wie « Schamdimihel » statt Schneidemühl, « Lugrebrufenär » statt Lager Grafenöhr, « Coritinger » statt Göttingen, « Neonesgs binet » statt « Königsbrück, «a seneberge saquese » statt Hassenberg (Sachsen), «Chrdufith > statt Ohrdruf, dépôt Gangziose un s. Danube » statt Lager Gänsewiese in Ulm

>>

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usw.

a. d. Donau, «Garde-l'Eugène Imark » statt Gardelegen in der Mark, «Bursch » statt Bourges, « Iadeng » statt. Issoudun, « Schlemong » statt Clermont usw. usw. liegen jeden Tag zu Dutzenden vor. Oft werden Zensuroder postalische Dienstvermerke als Herkunftsort angesehen und dann in der Antwort als Bestimmungsort hingeschrieben wie «Geprüft», «Der Ueberwachungsoffizier », « Destinataire inconnu », « Décédé » Sehr oft kann der Bestimmungsort von den Postbeamten aus dem übrigen Teil der Adresse erraten werden. So wissen sie aus Erfahrung, dass sich die « Hauptwerkstätte » in Ingolstadt, das Hôpital temporaire Nr. 28 in Montargis, die Caserne de la Chauvinerie in Poitiers, die Amorsäle in Stettin, der Schweizergarten in Wittenberg, die Scuola S. Marino in Pavia befinden usw. Auf diese Weise werden auch die vielen Briefschaften, die keinen Bestimmungsort tragen, ungesäumt dem Adressaten zugeleitet. Viele Hunderte

Unterkunftsstätten von Kriegsgefangenen und die Ortschaften, in denen sie sich befinden, wissen die Sortierbeamten auswendig. Sobald Briefschaften nach einem bisher unbekannten Lager eintreffen, teilt dies der Beamte der Kriegsgefangenenpost, der es zuerst wahrnimmt, seinen Kollegen mit. Jeder Beamte weist

diesen Briefschaften in seinem Sortiergestell einen besondern Platz an und bis zum Abend liegen dann gewöhnlich schon so viele Briefe und Karten nach dem neuen Lager vor, dass besondere Briefbünde angefertigt werden können. Von der Bureauleitung werden die Wahrnehmungen der Sortierbeamten über das Auftauchen neuer Lager, Lazarette und Arbeitsstellen von Kriegsgefangenen sorgfältig gesichtet und zu Leittabellen zusammengestellt.

Eine beträchtliche Arbeit verursacht auch die so

von

nun

genannte Päckliklinik. Täglich müssen z. B. einzig beim Eintreffen der Post aus Frankreich bis 600 Paketchen neu verschnürt und mehr als 200 Stücke überhaupt neu verpackt werden. Diese Arbeit erfordert viel Ueberwindung. Denn wenn man bedenkt, dass diese oft leicht verderbliche Esswaren enthaltenden Pakete manchmal 2—3 Wochen unterwegs sind, bis sie nach Bern kommen, so wird man mir gerne glauben, dass der Duft, der ihnen entströmt, auch nicht entfernt an die Rosenfelder von Schiras erinnert. Aus Frankreich gehen dem Kriegsgefangenenpostbureau Bern-Transit auch oft für die Beförderung mit der Briefpost viel zu schwere Pakete zu; diese werden jedoch nicht zurückgesandt, sondern unter Zerlegung in mehrere Pakete, wenn dies angeht und nötig ist, weiterbefördert oder mit Notbegleitadressen versehen der Paketpost übergeben.

Unter anderm hat das Kriegsgefangenenpostbureau Bern-Transit bis Ende September 1915 verarbeitet und weitergeleitet : 26,313,083 Briefe und Karten nach Deutschland

1,744,269 kleine Pakete nach Deutschland
25,310,720 Briefe und Karten nach Frankreich

806,983 kleine Pakete nach Frankreich
600,225 Briefe und Karten nach Oesterreich-Ungarn

19 kleine Pakete nach Oesterreich-Ungarn 149,149 Briefe und Karten nach Italien

126 kleine Pakete nach Italien 36,000 Briefe und Karten nach der Türkei.

Zur Beförderung werden natürlich nur offene Korrespondenzen zugelassen. Zum Vergleichen der Schriftzüge bei undeutlich geschriebener Adresse, zur Kenntnisnahme des Herkunftsortes bei zurückzuleitenden

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