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Briefschaften, die keinen oder einen unleserlichen Aufgabestempel tragen, muss der Postbeamte öfters Kenntnis vom Inhalt nehmen. Neben tieftraurigen Mitteilungen sieht er oft solche, die erheiternd wirken. Auch die Zensurvermerke auf Sendungen, deren Rückleitung an den Versender vom Zensor veranlasst werden, sind manchmal interessant. Eine Karte aus Frankreich, mit der einem kriegsgefangenen Franzosen mitgeteilt werden sollte, dass er bald befreit werde, da die russische Dampfwalze in kurzer Zeit Berlin erreichen werde, kam zurück mit dem Zensurvermerk : « Oh Sancta Simplicitas, und dabei haben wir schon mehr als eine Million ,,Dampfwalze" eingeheimst. >> Eine Zeitlang war es üblich, dass man deutschen Kriegsgefangenen in Frankreich in Form einer Prozess-Schilderung Kenntnis von der Kriegslage geben wollte. << Klaus hat den Prozess verloren und musste 100,000 Mark bezahlen » hiess z. B., die Russen seien geschlagen worden und hätten 100,000 Gefangene verloren. Das ging eine Zeitlang, aber dann kamen solche << Prozessmitteilungen » mit dem deutsch geschriebenen Vermerk des französischen Zensors: « Schreiben Sie doch keinen Blödsinn, glauben Sie etwa, wir verstehen den Quatsch nicht », zurück.

Um den Zensoren die Arbeit zu erleichtern, wurde in verschiedenen Lagern die Zahl der Korrespondenzen, die ein Gefangener in der Woche schreiben durfte, beschränkt. Ferner erhielten die abgehenden Briefschaften Aufdrucke wie « Antwort nur auf offener Karte zu 10 Zeilen erlaubt », « Undeutlich geschriebene Briefe und Karten werden nicht ausgeliefert », « Antwortbriefe mit mehr als 4 Seiten zu 16 Zeilen werden nicht ausgeliefert » usw. Frankreich z. B. gibt den deutschen Gefangenen seit einiger Zeit linierte Post

karten ab, mit dem deutschen Aufdruck << Zwischen den Linien darf nicht geschrieben werden. Keine Kriegsnachrichten erlaubt. Antwort muss deutlich geschrieben sein. »

Postanweisungen.

Die in der Schweiz aufgegebenen Postanweisungen für Kriegsgefangene im Ausland werden wie gewöhnliche Postanweisungen befördert. Anders verhält es sich mit den Postanweisungen vom Ausland für das Ausland. Schon wegen des Zahlungsverbots zwischen den kriegführenden Staaten können die Postanweisungen nicht einfach weitergeleitet werden. Sie müssen daher an die schweizerische Oberpostkontrolle in Bern adressiert sein. Auf der Rückseite des Abschnitts ist der Name des Empfängers, seine militärische Einteilung und der Ort seiner Internierung genau anzugeben. Für jede derartige Postanweisung, deren Zahl sich an einzelnen Tagen auf über 15,000 beläuft, muss die Oberpostkontrolle den Betrag in die Währung des Bestimmungslandes umrechnen, eine neue Postanweisung ausfertigen und diese der Kriegsgefangenenpost zur Beförderung übergeben. Es gibt da Postanweisungen von 50 Rp. bis 1000 Fr. Manche Postanweisung kommt mit dem einfachen Vermerk « décédé » oder « verstorben » zurück. Für solche wird die Originalpostanweisung diskret unter Umschlag und mit Begleitschreiben an die Aufgabestelle zurückgeleitet.

Als Vermittlungsstelle für den österreichisch-russischen Postanweisungsverkehr amtet das Postanweisungstransitbureau Basel. Von diesem und von der Oberpostkontrolle in Bern sind bis Ende September

1915 folgende Postanweisungen umgeschrieben und abgesandt worden:

aus Frankreich (für französische

Kriegsgefangene in Deutsch- Stück

land)

Deutschland (für deutsche

im Betrag

von Fr. 21,041,569

1,706,208

aus

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Ausserdem sind bis Ende September 1915 aus Deutschland nach Montenegro, Serbien, Tunis und Japan, aus Oesterreich und Ungarn nach Frankreich, Serbien und Japan, aus Frankreich nach Luxemburg, Oesterreich und Ungarn, sowie aus Grossbritannien nach Oesterreich und Ungarn und umgekehrt 47,638 Postanweisungen im Gesamtbetrag von Fr. 1,098,069 von der Oberpostkontrolle umgeschrieben und abgesandt worden.

Eine grosse Arbeit verursachen natürlich die zahllosen Reklamationen und Nachfrageschreiben nach Postanweisungen, die täglich beantwortet werden müssen, und nicht zuletzt auch die als unbestellbar zurückkommenden Postanweisungen und die monatlichen Abrechnungen mit den fremden Postverwaltungen. Das ordentliche Personal reicht denn auch schon längst nicht mehr aus, so dass bei der Oberpostkontrolle für den Kriegsgefangenen-Postanweisungsverkehr 44 Beamte für die Abrechnung mit dem Ausland

und 65 von der Postverwaltung besoldete Aushelferinnen und Aushelfer für das Umschreiben der Postanweisungen, und beim Postanweisungsbureau BaselTransit 20 Beamte und 1 Angestellter für das Umschreiben der Postanweisungen eingestellt werden mussten, obschon in ausgiebiger Weise Rechnungsmaschinen verwendet werden. Mit einer einzigen Additionsmaschine können stündlich die Beträge von 1500 Postanweisungen niedergeschrieben und addiert werden.

Paketpost.

Einen gewaltigen Umfang hat auch die Paketpost für die Kriegsgefangenen angenommen. Die Pakete dürfen bis 5 kg. schwer sein und sind sowohl vom Porto als von den Zollgebühren befreit. Die Sendungen enthalten meistens Lebensmittel und Leibwäsche. Bekanntlich sagt namentlich den französischen Gefangenen das deutsche Kriegsbrot recht wenig zu. Ihre Angehörigen sind denn auch bemüht, ihnen schmackhafteres Brot zu verschaffen. Der langen Beförderungsdauer halber und der für leichte Verpackung und öfteren Umlad nicht geeigneten Beschaffenheit des gewöhnlichen Brotes wegen, kam man bald davon ab, den kriegsgefangenen Franzosen Brot aus Frankreich zu senden. Unter Zustimmung aller beteiligten Stellen nahmen Komitees in der Schweiz die Brotlieferungen an die Hand. Das Brot wird eine halbe Stunde länger gebacken als gewöhnlich, damit es, infolge grösserer Konsistenz, die Beförderung in leichten Säcklein, Kartons oder Paketen aushält, ohne schadhaft zu werden. Bei diesen Komitees können sich die Gefangenen auf so viele Kilogramm Brot pro

Tag oder Woche abonnieren, wie sie wollen. Oft lösen die Angehörigen von Kriegsgefangenen solche Abonnemente für ihre fernen Söhne, Brüder und Gatten. Einzig in Bern arbeiten 47 Bäckereien für das englische und französische Brotkomitee. Einzelne kriegsgefangene Offiziere abonnieren sich auf täglich 10 kg. Brot und mehr. Sie beschenken dann mittellose gefangene Soldaten mit dem, was sie selbst nicht verzehren. Die nachstehenden Zahlen geben einen Begriff vom Umfang, den der Paketpostverkehr für Kriegsgefangene angenommen hat.

Vom September 1914 bis Ende September 1915 wurden durch die Postbureaux Genf-Transit und ChiassoTransit, das Bahnpostbureau Basel und die schweizerische Postagentur in Domodossola entgegegenommen und weitergesandt :

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Es gibt Tage, an denen nicht viel weniger als 100,000 Pakete befördert werden. In welchem Masse die erwähnten Brotsendungen ausgeführt werden, geht unter anderm daraus hervor, dass einzig im September 1915 vom englischen und französischen Hilfskomitee in Bern 80,136 Pakete im Gewicht von 158,310 kg., von einer Berner Privatfirma 12,000 Pakete mit je 3 kg. Brot, sowie etwas Schokolade und Konserven, von der Mission catholique in Genf 36,593, vom Roten Kreuz in Genf 11,398, von der Société pour la Protection de la jeune fille, section des prisonniers

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