Page images
PDF
EPUB
[ocr errors]

Der europäische Krieg hat die Volkswirtschaft vor viele neue Probleme gestellt, aber auch erkennen lassen, dass manche Lehren der Nationalökonomie auf schwachen Füssen stehen. Man wird nach dem Kriege. wohl auch in dieser Wissenschaft etwas umlernen müssen. Es ist bezeichnend, dass die Nationalökonomie, soweit sie als Hochschulfach gelehrt wird, in den letzten Jahren nicht mehr die grosse werbende Kraft früherer Zeiten besitzt. Das hängt wohl auch damit zusammen, dass die Anschauungen über ihre Aufgaben starke Wandlungen durchgemacht haben; vielleicht hat auch die Tatsache mitgewirkt, dass die Erkenntnisse der nationalökonomischen Forschung sich nur sehr. langsam der Praxis mitteilen, mit andern Worten, dass die Beeinflussung der Gesetzgebung, der wirtschaftspolitischen Parteien und der Politik überhaupt nicht so gross ist, wie es sein könnte und sein sollte. Man kann ohne Uebertreibung von einer Krisis in der Nationalökonomie reden, einer Krisis, die lange vor dem Ausbruch des Krieges bestanden hat. Adolf Weber (Die Aufgaben der Volkswirtschaftslehre als Wissenschaft, S. 77) bemerkte mit Recht, dass keine Wissenschaft in so hohem Masse, wie die Volkswirtschaftslehre, nicht nur der Gelehrten wegen, sondern vor allem des Volkes wegen da ist. Die Debatten am Kongress des Vereins für Sozialpolitik in Wien 1909, die Aeusserungen von Herkner, Pohle und andern haben erkennen lassen, dass die, Nationalökonomie, zumal die deutsche, den alten Me

[ocr errors]

thodenstreit noch nicht überwunden hat. Würde ein solcher Meinungskampf innerhalb dieser Wissenschaft nicht bestehen, so könnten auch Probleme, wie der europäische Krieg sie der Nationalökonomie stellt, unter einheitlicheren Gesichtspunkten und nutzbringender gelöst werden. Es ist bedenklich genug, wenn, wie Sombart in der Wiener Debatte bemerkte, vorerst Klarheit geschaffen werden muss, was denn überhaupt unter nationalökonomischer Wissenschaft zu verstehen ist. « Es handelt sich », sagte Sombart damals, « um die zwei grossen Möglichkeiten, ob wir Nationalökonomen als einzige Aufgabe uns stellen, festzustellen, das, was ist, oder ob wir uns gleichzeitig zur Aufgabe stellen oder überhaupt nur als einzige Aufgabe ansehen, festzustellen, das, was sein soll - Mit andern Worten, es handelt sich darum, ob aus, den nationalökonomischen Betrachtungen, soweit sie wissenschaftlicher Natur sind und sein wollen, das, was wir Werturteile nennen, ausgeschlossen oder einbegriffen werden soll, die Werturteile verschiedenartig verankert, grösstenteils ethisch verankert. » Die Debatte über das Werturteil in der Nationalökonomie ist nicht zu Ende geführt worden und sie dürfte nach dem Kriege bei Gelegenheit neu aufleben. Zur Entschuldigung ist höchstens zu sagen, dass die Volkswirtschaftslehre eine relativ junge Wissenschaft ist, der noch mancherlei Mängel anhaften. « Wird deren Ueberwindung ohne Verkürzung der Verdienste bisher führender Schulen oder Gruppen von Fachgenossen und ohne Verkennung ihrer gewaltigen Geistesarbeit erstrebt, so mag das als erfreuliches Symptom von frischer Lebenskraft und wagender Betätigung auf nationalökonomischem Gebiete begrüsst werden. » So schrieb ein Nationalökonom, der ausserhalb den Rich

an

tungen steht, die heute sakrosankt sind: Heinrich Pesch in seinem Lehrbuch der Nationalökonomie, III. Band, Freiburg 1913.

Die Nationalökonomie kann diesen Krieg als eigentliche Fundgrube betrachten, vor allem aber die ökonomische Auseinandersetzung, die sich ihn schliesst, und die Anpassung an neue, völlig unbekannte Verhältnisse, an bisher nicht vorhandene Voraussetzungen. Ist sie im stande, durch haltbare Vorschläge die öffentliche Meinung zu beeinflussen und auf die politischen Parteien einzuwirken, so wird ihr Prestige als Wissenschaft einen erheblichen Zuwachs erfahren. Dieser Krieg hat in allen Ländern den Nationalismus in den Sattel gehoben; das wird auch nachher so bleiben. Man darf daher hoffen, dass auch in Friedenszeiten die nationale Betrachtung der Dinge vorhalten wird und der einseitigen Parteiherrschaft Schranken gesetzt werden. Wenn die Parlamente wirklich in dieser geistigen Atmosphäre verharren, so besteht für die Nationalökonomie gute Aussicht, dass sie die wirtschaftliche Gesetzgebung im Sinne des nationalen Wohlfahrtsinteresses beeinflussen kann. Vor allem ist, und zwar in allen Ländern, die Auflösung des Staates in verschiedene Interessengruppen zu verhindern; dieser Krieg, der alle Volksklassen einander nahe brachte, hat vielleicht die segensreiche Wirkung, dass diese Entwicklung zurückgedämmt werden kann.

Zweck dieser kurzen Studie soll sein, die Beeinflussung der Volkswirtschaft durch den Krieg zu schildern und einzelne Massnahmen der Kriegswirtschaftspolitik im Zusammenhang zu betrachten. Der Stoff lässt sich am ehesten meistern, wenn die Betrachtung von den markantesten durch den Krieg

11

hervorgerufenen Erscheinungen ausgeht. Eine solche ist vor allem die Aufhebung der Internationalität im Wirtschaftsleben; sie hat die Fäden der Weltwirtschaft, die unserm hochindustriell kapitalistischen Zeitalter den Stempel aufdrückt, zerrissen und die meisten Länder auf den Standpunkt einer sich selbst genügenden Volkswirtschaft zurückgeführt. Dieses teilweise Zurückfallen in einem geschlossenen Wirtschaftsstaat, wie ihn etwa Fichte oder Thünen schilderten, bildet eines der bemerkenswertesten Merkmale der durch den europäischen Krieg geschaffenen wirtschaftlichen Lage, die man vor zwei Jahren noch für unmöglich gehalten hätte. Mit der Anpassung der Volkswirtschaft an die Bedürfnisse und Erfordernisse des Krieges ging eine Tendenz zur Umformung der nationalen Wirtschaft in der Richtung des Staatssozialismus Hand in Hand. Der Staat hat sich in den Produktionsprozess eingemischt und diesen seinen Zwecken dienstbar gemacht; dass jene Industrien, die in Friedenszeiten den Auslandsmarkt bearbeiteten, sich mit dieser Entwicklung der Dinge gerne abfanden, ist einleuchtend. Ein Gleiches ist zum Teil vom Handel zu sagen, der durch die Aufhebung des internationalen transatlantischen Schiffahrtsverkehrs in eine besonders missliche Lage kam.

Vollends revolutionär wirkte dieser in dieser Ausdehnung nie gesehene Krieg auf die Staatsfinanzen, den Staatskredit und bis zu einem gewissen Grade auch auf das Geld- und Kreditwesen. Eine exakte Würdigung aller dieser mannigfachen Einflüsse auf die Volkswirtschaft der betreffenden Länder ist ein Ding der Unmöglichkeit. Die Zensur arbeitet rücksichtslos und gestattet in keinem der kriegführenden Länder, weder diese Einflüsse auf die Volkswirtschaft

[ocr errors][ocr errors][ocr errors][ocr errors]
« PreviousContinue »