führt. Die Prüfung der Preise auf ihre « Angemessenheit >> hat vielerorts, auch bei uns nicht die gewünschten Ergebnisse gebracht. Die Detaillisten, welche in Friedenszeiten nur schwer begriffen, dass auch für sie das Genossenschaftswesen da ist, haben namentlich in kriegführenden Ländern die Organisationsform der Lieferungsgenossenschaft schätzen gelernt. Ueberall, wo der Staat in das freie Spiel der wirtschaftlichen Kräfte eingegriffen hat, zeigte es sich, wie schwer es war, die Grenzlinie einzuhalten zwischen schematisierender Bevormundung und rücksichtsloser Ausbeutung der Kriegssituation. Vor allem in Oesterreich mussten strenge Massnahmen gegen die Preistreibereien ergriffen werden. Eine ganze Literatur hat sich um eine österreichische Verordnung vom 7. August 1915 gebildet. Bei sachunkundiger Handhabung können solche Verordnungen mehr Schaden stiften, indem sie die Versorgung erschweren. Dann ist mit Recht betont worden, dass während des Krieges das Preisproblem nicht so wichtig erscheint, wie das Vorratsproblem, zumal der moderne Krieg mit seinen ungeheuren Aufträgen und seinem ausgedehnten Unterstützungswesen öffentlicher und privater Natur eine gewisse Einkommenssicherheit mit sich bringt; mit Recht ist gesagt worden, er verhelfe der Volkswirtschaft vorübergehend zu einer Art Wohlhabenheit. In Deutschland haben manche Agrarier behauptet, das Höchstpreisgesetz sei in erster Linie gegen die Landwirtschaft in Anwendung gebracht worden, allerdings auf Wunsch der Vertreter der Landwirtschaft selbst. Von einem Kriegsgewinn für die Landwirtschaft könne keine Rede sein. Das Getreidemonopol ragt sowohl in Deutschland als in Oesterreich unter allen Monopolen am meisten hervor. Es stellt die tiefgreifendste wirt schaftliche Massnahme dar, die seit Kriegsausbruch ergriffen wurde. Im Oktober dieses Jahres hat sich auch der Uebergang der Kriegsgetreidegesellschaft zur Reichsgetreidestelle vollzogen. Der Krieg hat in ganz natürlicher Weise auch zur Stärkung des privaten Monopolwesens geführt, zu einer eigentlichen Zusammenballung der Geschäfte; die Tendenzen, wie sie in den Werken von Kestner (Der Organisationszwang) und Klein (Das moderne Organisationswesen) so meisterhaft geschildert wurden, treten überall verschärft zu tage. Die Wirtschaftspolitik des Krieges zieht es vor, mit wenigen Grossunternehmungen zu unterhandeln, die promptest liefern und ein Risiko auf breite Schultern abladen können. Die Kriegswirtschaftspolitik zeitigt aber auch recht sonderbare Blüten. Eine solche ist die deutsche Bundesratsverordnung über die Schaffung von Zwangssyndikaten im Kohlenbergbau oder das «UebergangsSyndikat», wie sie getauft wurde. Diese Bundesratsverordnung richtete sich gegen Unstimmigkeiten im rheinisch-westphälischen Kohlensyndikat und ebenso gegen das mitteldeutsche Braunkohlensyndikat, in dem ebenfalls Uneinigkeit herrscht. Die « Frankfurter Zeitung» vom 13. Juli 1915 schreibt, diese Verordnung werde wohl für lange zu den seltsamsten Gebilden staatlicher Wirtschaftsleitung gehören; sie soll als einschüchternde Drohung von zwingender Gewalt am Horizont stehen, damit die privaten Syndikate sich beugen. Noch stärker als in Deutschland tritt in England der Kriegs-Staatssozialismus zu tage. Besonders charakteristisch ist, dass die englische Regierung die Staatsgarantie für alle von der Bank von England diskontierten Wechsel übernommen hat. Es wurde zudem ein Foreign Trade Debt Committee geschaffen, um dem britischen Exporteur Kredit zu verschaffen, auch dann, wenn seine Mittel durch die Kriegskrise im Ausland investiert sind. Der Staat leistet so Wechselbürgschaft für die zur Zeit uneinbringlichen Auslandsguthaben. Aber auch in industrieller und sozialer Beziehung hat der Krieg ungeheure Umwälzungen gebracht. Lloyd George war auf dem Punkte, einen gewissen Arbeitszwang einzuführen; er hat zwar diese letzte Konsequenz nicht gezogen. Aber es ist doch so weit gekommen, dass die sonst so selbstbewusst auftretenden Gewerkschaften erklärten, dass die Trade Unions alle Reglemente aufheben, die zum Zwecke haben, die Produktion zu limitieren. Die Löhne der Arbeiter sollen vom gemischten Kommissionen festgestellt werden. Mit Zustimmung der Gewerkschaften wurde das Streikrecht aufgehoben. Das Autoritätsprinzip wurde als das hingestellt, was die Nation allein in dieser Krise retten könne. Im «Journal de Genève » (14. April 1915) hat J. Coudurier geschrieben: «Der Staat wird wieder der absolute Meister. Er sagt den Meistern: „Ihr werdet so und soviel verdienen, ihr arbeitet so und soviel Stunden per Woche und ihr habt nicht das Recht, zu protestieren." Dann wendet sich der Staat an die Unternehmer und sagt ihnen: „Ihr macht, was ich will, ihr werdet euer Geld zur Verfügung stellen, das auch nur eine Maximalverzinsung von 10 Prozent bringen wird; ich, der Staat, werde die diesen Satz übersteigenden Gewinne einkassieren." >> Der Kriegs-Staatssozialismus hat nicht verhindern können, dass die Profitschneider in allen Ländern tüchtig am Werke waren. So schrieb das <<< Freie Wort >> (Frankfurter Halbmonatsschrift) im Juliheft 1915: «Das einzige Gebiet, das von dem allgemeinen Gefühle zum sozialen nicht miterfasst wurde, ist das Geschäftsleben. Der hässlichste Zug in der grossen Zeit ist das Herabgehen der Geschäftsmoral, die den Wucher an Reiches Not und Volkes Not zu einer Verkehrssitte gemacht hat. » Die starke Umbildung des Wirtschaftslebens in der Richtung des Sozialismus gab den Anhängern dieser Doktrin Anlass, zu sagen: <<< Seht, das, was ihr jetzt unter dem Zwange des Kriegsfalls tut, alles das bildete einen Teil unseres Programms, das ihr in Friedenszeiten je und je bekämpft habt. » Mit etwelchem Recht können die Parteigänger des Sozialismus heute so sprechen; dabei muss allerdings bemerkt werden, dass der Staatssozialismus, wie ihn die Sozialisten verstehen, noch eine weit extensivere Bedeutung hat. Paul Kampfmeyer schrieb in einem Artikel der Sozialistischen Monatshefte (Jahrg. 1914, S. 128 ff.), der Kult der antipatriotischen Idee habe sich fast verloren. Nirgends akzeptierten die Massen eine Taktik, die auf die Zuspitzung der im Weltkrieg liegenden Konfliktsmöglichkeiten gerichtet war. Eine allgemeine Erscheinung war das auffällige Zurücktreten des Klassenkampfgedankens vor dem nationalen Gedanken. Ein erstarkter Staat werde aus der Katastrophe des Weltkrieges hervorgehen, ein Staat mit neuen, grossen und tiefgreifenden sozialen Funktionen. Und an seiner Entstehung zielklar mitgeholfen zu haben, ist nicht zuletzt die bewusste Tat der sozialistischen Internationale, die alle frühern abstrakten Debatten über das Wesen des Staatssozialismus ganz in den Wind schlug und diesem überall ins Dasein half. » Ein staatssozialistisch stärker entwickeltes Regierungssystem werde sich also nach dem Weltkrieg durchsetzen und damit würden der Arbeiterschaft aller fortgeschrittenen Länder neue staats- und kommunalpolitische Funktionen zuerteilt werden. An diese bemerkenswerten Aeusserungen eines der feinsten Talente des modernen Sozialismus reihen wir noch eine Aeusserung eines andern Revisionisten. In den Annalen für soziale Politik und Gesetzgebung (4. Band, 1. u. 2. Heft 1915) schrieb Edmund Fischer u.a.: «Die sozialistischen Massnahmen der Kriegszeit sind nur Ergänzungen und Weiterbildungen der bereits vorhandenen Einrichtungen. Die Erfahrungen in der Not der Kriegszeit werden die Entwicklung nach dem Krieg zweifellos in sozialistischer Richtung beeinflussen. Der Sozialismus gehört fortan zu den Mitteln der Kriegsrüstung. Und was auch die moderne Sozialpolitik unternimmt, ihr Wirken muss sich in der Richtung bewegen, die in dem sozialistischen Werden erkennbar ist. » Auch von bürgerlichen Sozialpolitikern wird die hier ausgesprochene Meinung bis zu einem gewissen Grade geteilt. So sagte der Führer der deutschen Genossenschaftsbewegung, Hans. Crüger (Märzheft 1915): «Zweifellos kann die heutige staatliche Regelung aller wirtschaftlichen Beziehungen nicht spurlos am Volke vorübergehen. All dies muss. zu starken Einflüssen auf das geistige Fühlen und Empfinden führen, zumal die Gedanken des Staatssozialismus seit Jahrzehnten einen bedeutenden Einfluss auf die Gestaltung des wirtschaftlichen Lebens ausübten. Wenig erfreuliche Aussichten für die, die im Staatssozialismus nicht die höchste der Weltanschauungen erblicken wenig erfreulich für die in dem Grundgedanken der Selbsthilfe und Selbstver-waltung wurzelnden Organisationen. » |