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Robert Liefmann seinerseits untersuchte das Problem in einer geistvollen Broschüre : « Bringt uns der Krieg dem Sozialismus näher» (Politische Flugschriften, Berlin/Stuttgart 1915). In dieser Schrift, die hoch über der gewöhnlichen Kriegsbroschürenliteratur steht, erbringt er den Nachweis, wie sehr das Wirtschaftsleben aller Länder nach dem Kriege des Individualismus bedürfe. << Das ist sicher, dass wir der individuellen Energie im Wirtschaftsleben nach dem Kriege mehr als je bedürfen. Allein schon aus wirtschaftlichen Gründen.» (S. 33.) An die preussischen Konservativen gerichtet, schreibt er: « Demokratischer sollten wir werden in jenem gesellschaftlichen Sinne, dass die Standesunterschiede und Klassengegensätze etwas mehr zurücktreten, dass manche Privilegien gewisser Klassen aufhören und allgemein anerkannt wird, dass alle Klassen zum Wohle des Ganzen ihr Bestes, und die untern Klassen, die grossen Massen, daher verhältnismässig am meisten leisten. » Und was er dann weiter sagt, dürfen auch wir Schweizer uns merken: « Was wir brauchen, ist nicht so sehr Demokratie, Massenherrschaft, sondern wir brauchen im Gegenteil Individuen, Persönlichkeiten. Die demokratischen Einrichtungen sind nur so weit gut, als sie dazu dienen, sie an die geeigneten Stellungen zu bringen. Und so kommen wir auch von dieser Seite wieder auf die Notwendigkeit des Individualprinzips zurück. »

IV.

Die Anspannung des Staatskredites.

Neben dem mit nie gekannter Schärfe geführten Kampf auf wirtschaftlichem Gebiete ist die Anspan

nung des Staatskredites die dominierende Erscheinung auf wirtschaftlichem Gebiet. Die Beträge, die für Kriegszwecke oder zur Deckung der Kosten der bewaffneten Neutralität aufgebracht wurden, stellen alles bisher Dagewesene in den Schatten. In der Schweiz wirkt der Vergleich der jetzigen Mobilisationskosten mit denen des Kriegsjahres 1870/71 direkt lächerlich. Alle Parallelen sind hinfällig geworden und es gibt überhaupt keine Masstäbe mehr, an denen die heute nun geltenden Verhältnisse gemessen werden könnten. Vor allem ist der Extrabedarf an Geldkapital in Anschlag zu bringen. Die finanziellen Lasten, welche den kriegführenden Staaten erwachsen, werden von einzelnen Schriftstellern nach verschiedenen Gesichtspunkten betrachtet. Eulenburg (Das Geld im Kriege, Leipzig 1915, S. 8 ff.) unterscheidet Dreierlei : den Kriegsbedarf für die dauernde Rüstung zur Führung des Krieges, den Wirtschaftsbedarf für Fortführung der Volkswirtschaft, den Sozialbedarf für die Hilfsaktionen für die in Not und Mitleidenschaft Hineingezogenen. Von Zedlitz und Neukirch (Reichsu. Staatsfinanzen im Kriege, S. 19) lässt eine grössere Spezialisierung der aus dem Kriege folgenden finanziellen Lasten eintreten. Er unterscheidet :

Die Kosten der Mobilmachung, die Ausgaben für die Kriegführung, die Entschädigung für sämtliche Kriegsschäden, das Retablissement von Heer und Marine, die Wiederauffüllung der Vorräte, namentlich an Munition und Proviant, den Ersatz zerstörter oder beschädigter Festungen und anderer Baulichkeiten sowie von Kriegsschiffen, das Retablissement der Reichseisenbahnen, die Fürsorge für die versorgungsberechtigten Kriegsinvaliden und Hinterbliebenen von Kriegsteilnehmern, die Fürsorge aus Gründen der Billigkeit für andere Opfer des Krieges und für die

Kriegsveteranen, die ausserordentlichen Deckungsmittel für Balancierung des Reichshaushalts in Kriegszeiten. Die Ausfälle, welche die Finanzwirtschaft der einzelnen Staaten infolge der Unterbindung des regulären Ganges der Volkswirtschaft erleidet, sind nicht gering anzuschlagen. Man denke nur an den Rückgang der Zölle und Transporteinnahmen. Im deutschen Reiche fallen z. B. die Einnahmen aus den Zöllen, welche sonst über 40 Prozent der Gesamteinnahmen steuerlicher Natur ausmachen, während des Krieges beinahe ganz aus. Der grössere Teil der landwirtschaftlichen Zölle ist für die Zeit des Kriegszustandes suspendiert; infolge der Absperrung der Grenzen ist auch der übrige Aussenhandel stark eingeschränkt. Endlich wirkt die durch den Krieg bedingte allgemeine Einschränkung des Verbrauches ebenso nachteilig auf den Ertrag der Zölle wie auf den der meisten übrigen Verbrauchsabgaben.

Neben der Erhaltung der militärischen Schlagfertigkeit bildet die Sicherung der Umlaufs- und der Deckungsmittel die grösste Sorge der kriegführenden Staaten. Da ist wieder klar zu unterscheiden zwischen der Bereitstellung der Mittel für den laufenden Bedarf und der Konsolidierung der Finanzen der Anpassung des Staatshaushaltes an die neue Lage oder an die aus dem Kriege sich ergebenden wirtschaftlichen und finanziellen Konsequenzen. Zuflucht wird da genommen zu Monopolen und Steuerreformen. Die Vorschläge wechseln in dieser Beziehung von Land zu Land.

Das Geld- und Kreditsystem muss eine vollständige Anpassung an den Krieg erfahren, und bis zu welchem Grad dies erfolgt ist, zeigt uns Jastrow in einer be

merkenswerten Schrift: Geld und Kredit im Kriege (Verlag Gustav Fischer, Jena 1915). Jastrow hat es im Gegensatz zu den meisten anderen Schriftstellern verstanden, in die schwierige Materie System und Klarheit zu bringen. Er schildert die Einwirkungen des Krieges auf die Geld- und Kreditverfassung eines Landes und würdigt sodann die Beziehungen zu den bestehenden Krediteinrichtungen. Diese Art der Betrachtung allein ermöglicht den Einfluss der verschiedenen Institutionen einigermassen abzuschätzen.

Dass die Notenbanken das Rückgrat der finanziellen Gebarung im Kriege bilden, also zu eigentlichen Kriegsbanken werden, ist einleuchtend. In einigen Ländern, so schrieb die Schweizerische Kreditanstalt, spielte die Zentralnotenbank eine grosse Rolle bei der Befriedigung der staatlichen Kreditbedürfnisse, so vor allem in Frankreich. In einem Abkommen der französischen Regierung und dem Noten- * institut vom Jahre 1911 waren die Vorschüsse der letzteren an den Fiskus auf den Höchstbetrag von 2,9 Milliarden Fr. begrenzt, am 21. Sept. 1914 wurde die Limite auf 6 Milliarden und im Mai 1915 auf 9 Milliarden Fr. erhöht. Am 24. Dezember 1914 figurierten die « avances à l'Etat » im Ausweis der Banque de France mit 3,9 Milliarden, Ende März 1915 mit 4,7 Milliarden, Ende Juni mit 6 Milliarden und am 19. August mit 6,3 Milliarden Fr., während der Betrag der von der Republik emittierten « obligations de la défense nationale» Ende Juli 2,3 Milliarden, derjenige der << bons de la défense nationale » 6,91 Milliarden Fr. ausmachte. Von der Deckung des französischen Kreditbedarfes entfielen somit rund 40 Prozent auf die Kriegsvorschüsse der Bank von Frankreich.

Die durch den Krieg bedingte Ausdehnung der

Kreditgewährung der Notenbanken tritt vor allem in den Ziffern des Wechselportefeuilles in Erscheinung. Es ergab sich auf Ende des Jahres 1914 folgendes:

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Die Notenzirkulation hat infolge der erhöhten Inanspruchnahme der Notenbanken durch den Krieg eine starke Steigerung erfahren, wie aus folgender Tabelle hervorgeht:

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