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muss es erhalten bleiben und es wirft Tag um Tag neue Produkte auf Lager. ·

Dies sind Verumständungen, die uns von Anfang an statt des Ausfuhrverbotes eine Beschleunigung des Käseexportes als wünschenswerte Kriegsmassregel erscheinen liessen. << Käse hinaus, Brot herein, » · drängte sich uns als Axiom auf. Tatsächlich ist es umsichtigem und erfolgreichem Bemühen der Bundesbehörden gelungen, für den Käse nicht allein Brot ins Land zu bringen, sondern es diente der Exportkäse als Kompensationsmittel, um für industrielle und gewerbliche Produktion die unerlässlichen Rohstoffe einzuführen und auf diese Weise Arbeits- und Verdienstgelegenheiten zu schaffen, überhaupt unser ganzes Erwerbsleben so gut wie möglich im Gang zu halten. Demnach haben Industrielle, Gewerbetreibende und ihre Arbeiter dem Exportkäse unserer Landwirtschaft viel zu danken. Freilich wurde man meistenorts sich dessen nicht bewusst.

Aehnliche Stellungnahme diktierte uns das Verhältnis unserer einseitig gewordenen Landwirtschaft zum Weltmarkt in der Obstexportfrage.

Es unterliegt keinem Zweifel, dass die schweizerische Landwirtschaft im allgemeinen schon jetzt von dem ihr knapp zur Verfügung stehenden Sonnenlicht, diesem wichtigsten Produktionsfaktor, einen zu grossen Teil der Mostobstproduktion widmet. Wer das Sonnenlicht zum Reifen des Aehrenfeldes oder zur Produktion der mehligen Kartoffel verwendet oder dasselbe ungeschmälert den Futterpflanzen zukommen lässt, produziert mit seiner Hilfe für die Zwecke der Volksernährung weit mehr als der Mostobstproduzent. Es ist namentlich auch zu beklagen, dass unser Obst

bau seit geraumer Zeit mehr und mehr den Zwecken der Nahrungsmittelversorgung entzogen und in den Dienst der Produktion von blossen Genussmitteln gestellt wurde. Auf den letzten Apfelbaum, der Aepfel für süsse Dörrschnitze lieferte, mussten saure Mostäpfel aufgepfropft werden, die man ohne grossen Arbeitsaufwand ernten und für klingende Münze den Schwaben verkaufen konnte. Also auch hier wieder Geldwirtschaft auf Kosten rationeller Selbstversorgung des Haushaltes, Produktion für den Weltmarkt statt für das eigene Volk. Wir exportieren in ordentlichen Obstjahren zirka 7000 Wagenladungen Obst und erzielen dafür etwa 7 Millionen Franken. Dass das für die Volksernährung bedeutungslose Mostobst besser verkauft als durch Ausfuhrverbot im Lande behalten und hier für entsprechend gesteigerten Eigenkonsum in Most und Schnaps verwandelt wird, zumal der Bauer die Einnahme aus dem Obstertrag bitter nötig hatte, war zum voraus klar.

Ist es von letzterm Gesichtspunkte aus nicht sehr zu begrüssen, dass der Bauer nach reichlicher Deckung des Eigenbedarfs für das übrige Mostobst einen Preis erzielte, der die Produktionskosten deckte und ihn daher veranlasste, die letzte Birne, den letzten Apfel fleissig einzusammeln, statt sie der Verderbnis zu überlassen? Zu dem Zwecke musste allerdings der Inlandsmarkt mit dem Auslandsmarkt in Kommunikation gebracht werden; das war bitter nötig, sonst hätte man, wie in gewissen Kreisen schmunzelnd gehofft wurde, unserm Obstbauer das Obst zu Schleuderpreisen abdrücken können.

Most und Schnaps sind keine Nahrungsmittel, sondern blosse Genussmittel, die gegendweise entschieden in allzu grossem Masse genossen werden.

Der Gang der Dinge hat der hier vertretenen Auffassung durchaus Recht gegeben und gezeigt, dass die von gegenteiligem Standpunkte aus getroffenen Massnahmen meist verfehlt waren, wie der Bericht der geschaffenen Organisation (Verband schweiz. Obsthandels- und Obstverwertungsfirmen) für das Vorjahr offenherzig bekannte. Um so weniger verständlich ist, dass man trotz der Erfahrungen des Jahres 1914 im Jahre 1915, wie erwähnt, in die Verwertung einer ebenso reichen Obsternte wieder ähnlich störend glaubte eingreifen zu sollen, wobei speziell die Mostobstpreise auf unerhörten Tiefstand gedrückt wurden.

Viel Anfechtung hatte das Schweiz. Volkswirtschaftsdepartement im Herbst dieses Jahres wegen Ausfuhrbewilligungen für einige Wagen Zuchtvieh zu erdulden. Alarmierende Zeitungsartikel verbreiteten viel Aufregung. Man verlangte aus Konsumentenkreisen einfach strengste Handhabung des Ausfuhrverbotes. Demgegenüber ist festzustellen, dass die einzige Einnahme unserer Bergbauern im Verkauf von Zuchtvieh besteht, das sie auf den Alpen wohl sömmern können, für das aber das Winterfutter nicht ausreicht. Aus zwei zwingenden Gründen: um Geld zu bekommen und so ihrerseits den Verpflichtungen nachkommen zu können, sodann um die Zuchttiere nicht verhungern zu lassen, muss der Bergbauer jeden Herbst einen Teil seiner Viehhabe verkaufen. Dies geschieht zum Teil nach unserem Flachland, zum Teil nach dem Ausland, so von Alters her. Wegen der Schwierigkeit der Beschaffung von Kraftfuttermitteln und bei dem hohen Preis der letztern erwies sich diesen Herbst das Flachland als wenig aufnahmefähig, zumal die eigene Nachzucht eine ungewöhnlich starke gewesen war, und SO war der Export nötig, ähnlich wie oben für Käse dargetan. Auch

das Zuchtvieh wurde als Kompensationsware benutzt, wiederum zu grossem Vorteil gerade derjenigen Leute, die strengstes Ausfuhrverbot verlangen, denn nur wegen ihrer schönen Augen wäre gegenwärtig aus dem Auslande nichts erhältlich.

Eine weitere staatliche Massnahme, die in dieser Kriegszeit bei uns und anderwärts in Anwendung kam, ist die Preistaxe, d. h. die staatliche Festsetzung von Marktpreisen. Wohl von der vulgären Meinung beherrscht, der Krieg werde auch sofort mit einer empfindlichen Teuerung verbunden sein, und es müsse daher als Pflicht der Behörden betrachtet werden, gegen diese oder gar gegen eigentlichen Lebensmittelwucher einzuschreiten, liess man es sich angelegen sein, für Lebensmittel Höchstpreise zu diktieren. Einzelne städtische und kantonale Behörden zögerten nicht, für letzten Winter sofort den Detail-Milchpreis auf 20 Rp. herunterzusetzen und fühlten sich dazu wohl animiert durch ein vielgenanntes, am Verenatag 1914 erschienenes Kreisschreiben des Schweiz. Landwirtschafts-Departementes.

Die zünftlerische Preistaxe, die ins heutige Wirtschaftsleben hineinpasst wie die Faust aufs Auge, wieder aufleben zu lassen, dazu war in den ersten Monaten des Krieges denn doch noch keine Veranlassung vorhanden. Sämtliche Lebensmittel, die unser Bauer zu verkaufen hatte, stunden im Preise ganz erheblich unter den Produktionskosten. Was hat unter diesen Umständen eine Preistaxe zu tun? Entweder sie humpelt neben den Preisen, wie sie sich unter dem Einfluss von Angebot und Nachfrage herausgebildet haben, einher, oder aber sie drückt die Preise noch weiter unter den erwähnten Tiefstand und würde dann einer russischen Expropriation des Bauers gleichsehen und als solche doch wohl verfrüht sein.

Dass ein künstliches Tiefhalten der Preise landwirtschaftlicher Erzeugnisse nicht allein eine Lohndrückerei schlimmster Sorte gegenüber dem Bauer bedeutet, sondern auch volkswirtschaftlich eine recht schlimme Seite haben kann, darauf machte unter der Ueberschrift «Zur obrigkeitlichen Festsetzung von Höchstpreisen für Lebensmittel » kein Geringerer als H. Thiel, Wirklicher Geheimer Rat, in der «Deutschen landwirtschaftlichen Presse » aufmerksam : «Wenn es sich, wie augenblicklich, um die grösste Sparsamkeit handelt, um mit der einheimischen Erzeugung wirklich auszukommen, da wäre es geradezu gemeinschädlich, die Lebensmittel künstlich billiger zu halten als den Verhältnissen entspricht und damit den Verkehr auf der Höhe zu erhalten, die er in bessern Zeiten erreicht hat (von dem der Verfasser vorgängig bemerkt hatte, dass er nicht nur bei reichen, sondern auch bei minder bemittelten Leuten über das Notwendige hinausgegangen sei). Das wirksamste, allgemein durchschlagende Mittel zu einer solchen Einschränkung des Verzehrs auf das Nötigste liegt nun in der erhöhten Preislage der Lebensmittel, und daher hat jeder obrigkeitliche Eingriff in die Preisgestaltung grosse Bedenken, wenn diese Zwangspreise zu billig gehalten werden. »

Diese Befürchtung Thiels hat sich durchaus als zutreffend erwiesen, weshalb man neulichst in Deutschland zur staatlichen Einführung von Fasttagen, an denen kein Fleisch genossen werden darf, schreiten musste.

Vollends überflüssig erschien die vielfach angewendete Preistaxe für Milch, denn für den letzten Winter verstanden sich die Milchproduzentenverbände überall zu erheblichen Preisreduktionen, nicht etwa, weil sie

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