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Krieges (es läuft daher während des Krieges auch keine Zinspflicht); sie leben aber nach dem Kriege wieder auf, ausgenommen die Verträge, deren Zweck durch die Unterbrechung der Wirksamkeit vereitelt würde, z. B. Seeversicherungsverträge, durch welche ein feindlicher Ausländer gegen Kriegsgefahr versichert wird, und Gesellschaftsverträge. Während des Krieges kann ein feindlicher Ausländer nicht als Partei, auch nicht als Beklagter, vor einem englischen Gerichte auftreten (persona standi in judicio) 1); vor dem Krieg entstandene Forderungsrechte können aber nach dem Kriege wieder geltend gemacht werden. 2)

Die kontinentalen Staaten kennen kein allgemeines Handelsverbot; gewisse Geschäfte werden aber als hochverräterische Handlungen bestraft, z. B. Zufuhr von Kriegsmaterial oder Mitwirkung bei der Aufnahme von Anleihen des feindlichen Staates, und andere sind wohl meistens durch besonderes Verbot als ungiltig erklärt worden, z. B. Versicherungen gegen die vom eigenen Staate drohenden Kriegsgefahren, während umgekehrt Verträge des rein bürgerlichen Verkehrs, wie Mietverträge oder Eheverträge, nach gemeiner Ansicht nicht verboten werden dürfen.3) Auch

1) Oppenheim, Int. law, II, S. 137 f. Ein neuerer Fall: Janson v. Driefontein von 1902 scheint aber anzunehmen, dass auch feindliche Personen vor Gericht auftreten können, wenigstens um die Giltigkeit eines Rechtsgeschäftes, i. c. eines vor dem Boerenkriege abgeschlossenen Versicherungsvertrages, feststellen zu lassen; vgl. Bentwich, Leading Cases, p. 170; Oppenheim, II, p. 134.

2) Schuster, in Niemeyers Zeitschrift für int. Privat- u. öffentl. Recht. 23, 21 ff.; Oppenheim, II, 137 ff.

76;

3) Pillet, Les lois actuelles de la guerre, 2. A. 1901, p. P. Meyer, De l'interdiction du commerce entre les belligérants, thèse. Paris 1902, p. 108 ff.

ist es nicht zulässig, vor dem Krieg geschlossene Verträge aufzuheben oder der Klagbarkeit zu entkleiden..

Im gegenwärtigen Krieg hat nun England das. Verbot, mit den Feinden des Königs Handel zu treiben, schon durch Proklamationen vom 7. und 12. Aug.. 1914 wieder in Erinnerung gebracht, und durch Proklamationen vom 9. September, 8. Oktober 1914, 4. und. 7. Januar und 16. Februar 1915 genauer umschrieben oder abgeändert.

Danach wird der Handel verboten allen in den. britischen Besitzungen niedergelassenen Geschäften oder sich aufhaltenden Personen, seien sie Engländer oder nicht, und zwar mit jeder in Feindesland niedergelassenen, dort ein Geschäft betreibenden oder sich. aufhaltenden Person; als Feindesland ist anzusehen nicht nur das Gebiet des Deutschen Reichs und Oesterreich-Ungarns samt ihren Besitzungen und Schutzgebieten (wozu später die Türkei kam), sondern auch. das vom Feinde okkupierte Gebiet, während als Freundesland das Gebiet Englands und seiner Verbündeten,. 'sowie das von ihnen okkupierte Gebiet anzusehen ist.

England folgt also hier wie auch auf andern Rechtsgebieten grundsätzlich dem Wohnsitzprinzip: << feindlich sind die in Feindesland niedergelassenen Handeltreibenden, ohne Rücksicht auf ihre Nationalität, also auch Schweizer im Gebiete der Gegner; neutral dagegen sind die in neutralem Gebiete niedergelassenen Kaufleute jeder Nationalität. Die Proklamation vom 9. September, Ziffer 6, hat aber als « feindlich » auch bezeichnet selbständige Handelsniederlassungen feindlicher Staatsangehöriger in neutralen Ländern Europas, im Gegensatz zu aussereuropäischen. Für die Schweiz also wird das Wohnsitzprinzip mit

dem Nationalitätsprinzip verbunden. 1) Der Grundsatz erfährt ferner eine gewisse Ausdehnung insofern, als verboten sind: Bankgeschäfte mit irgendwo befindlichen Zweigniederlassungen feindlicher Personen und Geschäfte aller Art mit Zweigniederlassungen feindlicher Banken ausserhalb des Vereinigten Königreichs; es ist also auch verboten, Bankgeschäfte mit der in neutralem Gebiet befindlichen Zweigniederlassung eines schweizerischen Hauses zu treiben, das seinen Hauptsitz in Deutschland hätte. Die Meinung ist, dass Bankgeschäfte mit Feindesland nicht durch Zweigniederlassungen feindlicher Firmen in neutralem Gebiet vermittelt werden sollen, z. B. Zahlungen an eine feindliche Firma durch eine Rimesse an deren Zweigniederlassung in neutralem Gebiet. Allein auch diese Umschreibung des Verbotes gewährleistet noch nicht vollen Erfolg wenn das Bankgeschäft durch eine neutrale Hauptniederlassung vermittelt wird, z. B. durch eine schweizerische Bank in der Schweiz, dient es dem Geschäftsverkehr des feindlichen Ausländers ebenso gut, als wenn die Zweigniederlassung eines feindlichen Hauses die Vermittlung übernommen hätte.. Solche Vermittlungen durch schweizerische Firmen hat denn auch England nicht gelten lassen; z. B. die Indossierung deutscher, auf England gezogener Wechsel an schweizerische Banken. Die geltend gemachte (Wechsel-) Forderung würde zwar hier einem Neutralen zustehen, aber die Befriedigung des Gläubigers käme mittelbar einem « Feindlichen » zu gute. Das Verbot umfasste von vorneherein auch solche Fälle, da es

1) Auch schon in frühern Entscheidungen ist das Nationalitätsprinzip mitberücksichtigt worden. Schuster, a. a. O.,

S. 23.

nicht nur Geschäfte mit, sondern auch Geschäfte zum Vorteil feindlicher Personen untersagte. Wechsel- oder andere Forderungen « eines Feindlichen » auf einen Bewohner des Britischen Reiches, die seit dem Erlass des Verbotes erworben worden sind, werden selbstverständlich nicht als neutrale Forderungen anerkannt.

Der Grundsatz selbst, dass mit Kaufleuten in Feindesland nicht Handel getrieben werden darf, ist aber in der Anwendung nicht ohne Schwierigkeiten. Zunächst ist das Domizil oder die Niederlassung einer Privatperson oder eines Geschäftshauses nicht absolut sicher und nicht beständig. Wenn ein Kaufmann mit persönlichem Wohnsitz in der Schweiz Teilhaber einer österreichischen Firma ist, oder dort eine zweite Geschäftsniederlassung hat, und von einer englischen Bank die Zinsen seiner dort liegenden Werttitel beziehen will, ist es ihm nicht leicht nachzuweisen, dass er in der Schweiz und nur in der Schweiz niedergelassen ist. Oder wenn ein Schweizer vor kurzem seinen Wohnsitz von Oesterreich nach der Schweiz verlegt hat und von hier aus vielleicht eine neue Stelle sucht, muss 'England damit rechnen, dass er nach Auszahlung seines Guthabens wieder nach Oesterreich zurückkehre. Der Wohnsitz kann ja in der Tat leicht in neutrales Gebiet verlegt werden, um das Handelsverbot zu umgehen.

Aber auch abgesehen davon ist der Geschäftsverkehr so vielgestaltig und die Geschäftswelt so findig, dass es ohne inquisitorische Kontrolle auf die Dauer kaum möglich ist, zu verhindern, dass indirekte Beziehungen zwischen den feindlichen Staaten durch Vermittlung von Neutralen stattfinden, z. B. durch selbständige Personen in neutralem Gebiet, die in einem verdeckten Abhängigkeitsverhältnis zu einer feindlichen Person stehen. England hat die Umgehung

seines Verbotes dadurch zu verhindern gesucht, dass es, wie bemerkt, auch Geschäfte zum Vorteil einer in Feindesland niedergelassenen Person verbot. Damit kann schliesslich jedes Geschäft eines Neutralen getroffen werden, an dem ein « Feindlicher » irgend ein. Interesse hat; die Formel ist nach Belieben dehnbar..

Zum Vorteil eines feindlichen Staatsangehörigen gereicht schliesslich, mittelbar oder unmittelbar, jede neutrale Erwerbstätigkeit, an der « Feindliche » wirtschaftlich beteilgt sind; nicht nur durch Beteiligungam Gewinn der betreffenden Firma, sondern auch durch Gewährung von Kredit an Neutrale, durch Lieferung von Rohmaterial oder Halbfabrikaten, durch Abnahme der Fabrikate des Neutralen usw. Wenn alle Handelsgeschäfte verboten sind, die zum Vorteil eines << Feindlichen » ausschlagen können, ist der Verkehr zwischen Kaufleuten eines Neutralen und eines. Kriegführenden entweder grosser Rechtsunsicherheit oder einer vexatorischen Kontrolle des Kriegführenden ausgesetzt. Wenn z. B. ein neutraler Fabrikant nachweisen müsste, dass keine Bestandteile der von ihm ausgeführten Stickereien oder Maschinen feind-' lichen Ursprungs sind, wäre das für ein kleines Land mit hochentwickelten Spezialindustrien, wie die Schweiz, eine unerträgliche Belästigung.

Noch weiter ausgedehnt wurde das Verbot dadurch, dass England Ursprungszeugnisse auch für Waren verlangte, die von neutralen Staaten Europas nach andern neutralen Staaten des Orientes exportiert werden und vorübergehend englisches Gebiet berühren, z. B. zwecks Umladung. 1)

1) Vgl. Notice in der London Gazette vom 6. Nov. 1914'; Bericht der Zürcher Handelskammer für 1914, S. 13 f., 49 f.

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