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peschen vom 10., 12., 14. wie auch eine spätere vom 18. April. 1)

Die bis Ende Juni fortlaufende Reihe der Berichte bietet ein mannichfaches Interesse. Zunächst sind sie charakteristisch für die politische Denkweise Luvinis. Seine radikale Gesinnung machte ihn misstrauisch gegen die Absichten Karl Alberts, des Königs von Sardinien, der zur Bekämpfung der Oesterreicher mit seinem Heer in der Lombardei erschienen war. Wie bekannt, liess dieser König, der noch kurz zuvor insgeheim den Sonderbund unterstützt hatte, durch seinen General Racchia anfangs April in Bern ein Schutz- und Trutzbündnis gegen Oesterreich antragen, demgemäss die Eidgenossenschaft 30,000 Mann zum Kampf gegen Oesterreich stellen sollte. Ebenso weiss man, dass Ochsenbein, der Präsident des Vorortes, bei aller Sympathie für die italienische Sache, von einem solchen Bündnis nichts wissen wollte, dass seine Ansicht am 16. April auf der Tagsatzung siegte, und dass das Bündnisangebot am 25. April mit ausführlicher Begründung der Notwendigkeit, strenge Neutralität zu wahren, abgelehnt wurde 2). Bald danach wurden

1) Eidg. Archiv Bern, 1936. Auswärtiges. Ausserordentliche Sendungen ins Ausland. Absendung des Herrn Obersten Luvini an die provisorische Regierung in Mailand, April-Brachmonat 1848. Ich verdanke der Güte des Herrn Bundesarchivar Professor Dr. Türler, diesen Band im Lokal des Zürcher Staatsarchives haben einsehen zu dürfen.

2) Alles Genauere über diese Angelegenheit zur Ergänzung von Tillier, Bianchi: Storia della diplomazia Europea u. a. in der neuen höchst wichtigen Publikation von Vittorio Ferrari Carteggio Casati-Castagnetto (Società per la storia del Risorgimento Italiano, Biblioteca scientifica Milano 1909). S. LXXIX ff. «Trattavie d'alleanza con la Svizzera ». Man beachte daselbst XC die Stelle in dem Schreiben Casatis,

auch die Kantone durch Beschluss der Tagsatzung eingeladen, die Werbung von Freiwilligen, wie sie für Venedig und die Lombardei schon im Gang war, durch geeignete Massnahmen zu hindern. Luvini war gleichfalls mit der Ablehnung des Bündnisangebotes Karl Alberts zufrieden. Aber für ihn war dabei der Hauptgesichtspunkt nicht das Festhalten der Neutralität der Eidgenossenschaft, sondern der Wunsch, die republikanische Partei in der Lombardei nicht zu schädigen. Ein gleichzeitiges Bündnis der Eidgenossenschaft mit dem König von Sardinien und mit der provisorischen Regierung in Mailand oder eine militärische Unterstützung dieser allein, sei es mittelbar, sei es unmittelbar, durch die Schweiz, wäre ganz nach seinem Sinn gewesen. Er sah die Hoffnung auf Verwirklichung dieser Wünsche mit Bedauern schwinden und musste sich sogar in Sachen aus dem Kanton herbeigeströmter Freiwilliger, wie er selbst sich ausdrückte, << in einer gewissen Reserve » halten. Dies bestimmte wohl auch sein Verhalten gegenüber dem Thurgauer Debrunner, welcher mit seiner kleinen Truppe für die Republik Venedig angeworbener Freiwilliger in Mailand anlangte. Debrunner nahm in seinem « Notzustande » bei der Geltendmachung von Geld

des Präsidenten der provisorischen Regierung in Mailand, an Pareto, den sardinischen bei ihr Bevollmächtigten 21. Mai 1848, die auf Ochsenbeins Hintergedanken Licht wirft: < Poco dopo (nach dem 16. April) il Presidente Ochsenbein fece comprendere allo stesso Prinetti che la Svizzera armerebbe, 30 m. uomini, li manderebbe ai confini onde esercitare una forza morale e dietro invito della Lombardia prenderebbe anche parte attiva nella guerra contra l'Austria; ma che tutto ciò si potrebbe effettuare senza che avesse a procedere il Trattato richiesto della Sardegna ».

forderungen gegen den venetianischen Agenten Canetti Luvinis Hilfe in Anspruch. Allein er fand in ihm, wie er später erzählte, « anstatt den so gerühmten Liberalen, den hochfahrendsten Aristokraten >>. Luvini gab ihm deutlich zu verstehen, dass ihm dieser Handel << nicht gar angenehm sei und eigentlich nicht in seine Aufgabe schlage ». Bei einem zweiten, mit Canetti gleichzeitig abgestatteten Besuch erlebte Debrunner sogar, dass Luvini die Partei Canettis nahm. Er machte bessere Erfahrungen bei dem Generalkonsul Raymond, « dem konservativen Neuchateller », der ihm wenigtens teilweise zu seinem Recht verhalf 1).

Es war selbstverständlich, dass Luvini in engen Verkehr mit Mazzini trat, der seit seiner Ankunft in Mailand dort nicht geringen Einfluss ausübte. Er stand ganz auf seiner Seite in der Auffassung der Frage der « Fusion » der Lombardei und des Königreichs Sardinien. Mit ihm musste er das Drängen der provisorischen Regierung auf baldige Entscheidung dieser Frage durch Volksabstimmung als Bruch des stillschweigend geschlossenen Burgfriedens von Republikanern und Monarchisten betrachten. Die einzelnen Phasen dieser Angelegenheit, die Ergebnisse der Abstimmung, die Geschichte des republikanischen Aufstandes vom 29. Mai spielen eine Hauptrolle in seinen Berichten. Daneben nehmen Mitteilungen über den Gang des Krieges eine wichtige Stelle ein. Von anderen politisch-militärischen Ereignissen ist es namentlich der Barrikadenkampf zu Neapel vom 15. Mai, der das Interesse des Berichterstatters fesselt. Wirtschaftliche Gegenstände, wie Versuche, ein eidgenös

1) J. Debrunner: Die Erlebnisse der Schweizerkompagnie in Venedig. Zürich und Frauenfeld 1849. S. 31-33.

sisches Anlehen unterzubringen und Ermässigungen des Eingangszolles auf schweizerische Erzeugnisse zu erwirken, kommen gleichfalls zu ihrem Recht. Was in letzter Beziehung erreicht wurde, war freilich nicht sehr bedeutend. 1)

Nach dem für die Monarchisten günstigen Ergebnis der Abstimmung über die Fusion hielt der enttäuschte Luvini selbst seine Mission für wertlos und bat um seine Abberufung. Sie wurde am 12. Juni beschlossen. Am 20. Juni kam der Beschluss in Luvinis Hand. Er verliess Mailand und begab sich nach Lugano zurück. Für einen zusammenfassenden Bericht, wie die Tagsatzung ihn gewünscht hatte, fand er dort keine Musse. Er verwies statt dessen auf seine einzelnen Depeschen. Das Französisch derselben ist nicht immer tadellos. Auch die Schreibung von Eigennamen (z. B. Radesky statt Radetzky, Mazini statt Mazzini) ist mitunter ungenau. Stillschweigend sind 'solche Irrtümer, wie kleine grammatikalische Versehen, berichtigt worden. Der Kommentar beschränkt sich auf das Notwendigste.

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Milan 17 avril 1848.

Excellence

J'attends toujours avec impatience des nouvelles de V. E. soit pour savoir si mes dépêches sont arrivées, soit pour avoir les avis et les conseils du Haut Directoire et les directions de V. E. J'espère que l'on n'entrera pas pour le moment dans aucune alliance particulière avec la Sardaigne, car un traité avec le

1) Vgl. Tillier III, 271.

Roi de Piémont seul serait la perte du parti Républicain en Lombardie et rendrait nuls ou trop difficiles les efforts que je fais ici, pour arriver à la République.

Votre Excellence est trop prévoyante pour ne pas voir qu'il faut menager l'un sans perdre de vue le grand résultat que l'on peut obtenir de l'autre.

Dans le gouvernement provisoire de la Lombardie je crois qu'à cette heure nous avons la majorité numérique, mais elle doit lutter d'influence avec la minorité. Si Charles Albert peut se présenter fort de l'influence d'une alliance avec la Suisse, il pourrait arriver que la majorité ne fut perdue pour nous.

On attache ici la plus grande importance à la Suisse et l'on voudrait en avoir des secours justement pour balancer l'influence Piémontaise.

Le nom du soldat Suisse a ici un grand prestige, et si l'on veut inspirer au peuple une grande confiance, il n'y a qu'à ébruiter que des volontaires Suisses arrivent au secours de la Lombardie.

Et tout le monde me demande si la confédération restera spectatrice impassible des événements, si elle ne fera rien pour gagner ici une influence prépondérante, pour favoriser son commerce et pour établir des relations bien avantageuses.

Quant à moi, voyant que l'on tient beaucoup à la neutralité et même que l'on sait mauvais gré au Tessin d'avoir laissé marcher ses volontaires 1), je me tiens dans une certaine réserve, sans toutefois déclarer toute espérance perdue.

1) Vgl. z. B. die Mitteilungen in dem Werk Archivio triennale delle Cose Italiane. Serie I, Vol. III. Chiesi, Tipografia Sociale 1855, S. 163.

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