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ständig stille. Um so lebhafter setzte die Diskussion wieder ein, als Anfangs August ein sozialdemokratisches Blatt << Enthüllungen» über die mit Deutschland vereinbarte Kontrolle brachte. Es handelte sich um die Wiedergabe eines Zirkulars der «Treuhandstelle Zürich für Einfuhr deutscher Waren in die Schweiz », aus dem die Oeffentlichkeit die in der Antwort des Herrn Bundesrates Hoffmann auf die Interpellation Winiger erwähnte « befriedigende Lösung » der Kontrollfrage mit unserm nördlichen Nachbar erfuhr. Das Zirkular führte aus, dass zwischen dem Bundesrat und der deutschen Regierung eine Verständigung getroffen worden sei, wonach es der Treuhandstelle obliege, zu ermitteln und zu entscheiden, ob Gewähr dafür vorliege, dass die an die Bewilligung geknüpften Bedingungen erfüllt werden. Bejahenden Falls sei diese Stelle ermächtigt, die Bewilligung auszuhändigen. Zur Behandlung des Gesuches wird vom Importeur verlangt: 1. die Originalfaktur für die in der Ausfuhrbewilligung bezeichneten Sendungen; 2. eine Bankverpflichtung, über deren Wert das Treuhandbureau entscheidet; 3. wird dem Importeur eine Untersuchung angekündigt, die durch einen Sachverständigen vorgenommen werden soll. Dieser hat sich gegebenenfalls, mit einer schriftlichen Vollmacht versehen, beim Importeur einzufinden. Der Importeur ist dann gehalten, dem Sachverständigen alle von ihm gewünschten Aufschlüsse wahrheitsgetreu und vollständig zu erteilen, ihm auch die Bücher der laufenden und früheren Geschäftsjahre, die über den Geschäftsverkehr des Importeurs Aufschluss geben, aufzuschlagen und ihm Lager und Betriebsstätten zugänglich zu machen, damit der Kontrolleur sich Rechenschaft darüber geben kann, ob und inwieweit die Ware, die in der Ausfuhrbewilligung genannt ist, eine den dort festgesetzten Bedingungen entsprechende Verwendung finden werde. Der Sachverständige kann derartige Aufschlüsse auch brieflich einholen. Die Treuhandstelle behält sich die Ergänzung dieser Erhebungen vor. Sollte die Untersuchung

nur die Erfüllung eines Teiles der Bedingungen ergeben, so geht die Bewilligung an die deutsche Gesandtschaft in Bern zurück, womit die Angelegenheit für die Treuhandstelle erledigt ist. Die Treuhandstelle behält sich ferner vor, die bewilligungsmässige Verwendung der eingeführten Waren durch ihre Vertrauenspersonen kontrollieren zu lassen.

Mit Kompensationsgeschäften hat sich, wie das Zirkular besonders hervorhob, die Treuhandstelle nicht zu befassen. Diese werden ausschliesslich durch das Bureau für Kompensationen des schweizerischen Politischen Departements behandelt.

Wenn der Vorsteher des Politischen Departements im Ständerat von einer « befriedigenden Lösung » in Hinsicht auf die Sicherstellung der loyalen Einhaltung der an die Einfuhr in die Schweiz geknüpften Verpflichtungen sprach, so galt diese Konstatierung wohl der Tatsache, dass eine rein schweizerische Kontrolle vereinbart worden war. Für einzuführende Waren pharmazeutischer Art wurde das schweizerische Gesundheitsamt als Treuhänder bezeichnet, für alle übrigen Importwaren Ständerat Dr. Usteri in Zürich. Als weitere Kontrollorgane amten neben diesem letztern, der die Leitung der Treuhandstelle inne hat, von ihm ernannte schweizerische Sachverständige.

Die Denunziation dieser Lösung der Kontrollfrage mit Deutschland als «einer Preisgabe unserer wirtschaftlichen Selbständigkeit und einer Verletzung der Würde und Ehre der Nation» fand zwar wenig Nachbeter, wohl aber entstand nun in gewissen Kreisen eine etwas gereizte Stimmung, die gebieterisch die baldige Erledigung auch der Trustfrage mit den Vierverbandsstaaten forderte. Wir erlebten das erhebende Schauspiel, dass ein Blatt direkt für die Forderungen der letztern der letztern plädierte. plädierte. Die Verhandlungen

gingen ungemein langsam von statten und eine Zeitlang hatte es den Anschein, als ob man zu einer Verständigung überhaupt nicht gelangen könne. Ueber die Organisation der Kontrolle kam man zwar auch mit diesen Staaten ziemlich bald ins reine, dagegen bereitete die Frage der Kompensationen und der Verwendung industrieller Produkte, die hier von besonderer Bedeutung ist und den «Trust» von der mit Deutschland vereinbarten Einfuhrkontrolle wesenhaft unterscheidet, die grössten Schwierigkeiten. Eine Menge unfreundlicher, ja gehässiger Pressstimmen kam über die Grenze und belehrte uns, wie es weder im Süden noch im Westen an Bemühungen fehlte, die Regierungen zur Unnachgiebigkeit in den Trustverhandlungen zu bestimmen. Nur einige wenige Erörterungen der Auslandpresse über die ökonomischen Beziehungen der resp. Länder mit der Schweiz vermochten unserer schwierigen Lage gerecht zu werden und nahmen unser Land gegen die zum Teil infamen Anschuldigungen in Schutz. Dass die Trustfrage in wachsendem Masse nun auch unsere eigene Presse wieder zu beschäftigen begann, ist begreiflich; wenig erfreulich war dabei, dass nichts. weniger als eine einheitliche Stellungnahme zum Durchbruch kam. «Es ist bezeichnend und zugleich bemühend >> begann die «Thurg. Ztg. » einen Artikel über den Trust << dass wir Schweizer nicht einmal die grosse Lebensfrage der Einfuhrorganisation nach einheitlicher Richtlinie zu beurteilen vermögen.»>

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Unterdessen setzte das Politische Departement die Verhandlungen mit den Vertretern der Regierungen der Vierverbandsstaaten unentwegt fort und es gelang, sie zu einem positiven Resultat zu führen. Am 22. September konnte offiziell mitgeteilt werden, dass der Bundesrat den Vorschlägen des Departements über die Gründung einer schweizerischen Importgesell

schaft (Société Suisse de Surveillance économique) und die Organisation der Wareneinfuhr aus und über das Gebiet der Verbündeten Staaten, mit einigen Vorbehalten zugestimmt habe. (Der Leser findet die Statuten der S. S. S. und die zugehörigen Ausführungsbestimmungen im Anhang abgedruckt.)

Eine begeisterte Aufnahme konnte die mühsam zustande gekommene Lösung der Trustfrage allerdings nicht finden, doch wurde allgemein anerkannt, dass dank der Beharrlichkeit und Festigkeit des Chefs des Politischen Departements und des die direkten Unterhandlungen führenden Nationalrates Frey wenigstens eine annehmbare Ordnung der Angelegenheit erzielt worden sei. In seinem Referat, das er in der Versammlung der radikal-demokratischen Gruppe der Bundesversammlung über diese Frage hielt, bemerkte Bundesrat Hoffmann am Schlusse, ohne Zweifel bedeute die getroffene Vereinbarung eine Einschränkung unserer wirtschaftlichen Selbständigkeit. Ein Gleiches sei aber natürlich auch gegeben durch die Organisation des Importes aus Deutschland und Oesterreich. Weder die eine noch die andere Lösung könnte der Bundesrat in normalen Zeiten verantworten. Aber wir lebten heute in ganz ausnahmsweisen Verhältnissen und unsere Situation werde noch durch die ungünstige Lage der Schweiz erschwert. Der Bundesrat sei weit entfernt, stolz zu sein auf das erreichte Resultat, aber er dürfe das Bewusstsein haben, dass er nach Möglichkeit seine Pflicht getan habe.

Wenige Tage nach der erfolgten Verständigung mit den Staaten des Vierverbandes gab der Bundesrat die von ihm vorgenommene Z u sammensetzung der Société Suisse de Surveillance éco

nomique bekannt. Diese wurde gebildet aus fünfzehn Mitgliedern aller Landesteile.

Als Direktor wählte die Versammlung den vom Bundesrat empfohlenen Herrn Nationalrat Grobet in Lausanne.

Ob und inwieweit die Schwierigkeiten der Praxis dieses Einfuhrtrusts auch überwunden werden, bleibt zu gewärtigen. Die Hoffnung, dass es gelingen werde, gründet sich einmal auf die natürliche Entwicklung der Dinge und sodann auf die Anpassungsfähigkeit unserer schweizerischen Industrie.

Die Lösung der Trustfrage, deren endliches Zustandekommen bei der Gegenpartei namentlich die französische Regierung gefördert haben soll, war dringlich geworden. Die Gründung einer Privattrustgesellschaft, die für den Fall des Scheiterns der staatlichen Unterhandlungen den Kaufleuten und Industriellen als Vermittlungsstelle für den Warenimport dienen wollte, erweckte grosse Bedenken und stiess in der Presse auf lebhafte Kritik. Es wurde auf die Monopolstellung hingewiesen, die die ausländischen Regierungen einer solchen Gesellschaft in unserm internationalen Handelsverkehr verschaffen würden, und auf daraus resultierende Gefahr für unsere wirtschaftliche Neutralität und unsere künftigen Handelsverträge.

Im Geschäftsbericht des Politischen Departements wird darauf hingewiesen, wie die von den kriegführenden Staaten ergriffenen Kriegsmassnahmen wirtschaftlichen Charakters auch die Interessen von daselbst niedergelassenen Schweizern in Mitleidenschaft gezogen, ja vielerorts schwer geschädigt haben. Vorab hätten die nacheinander von den am Kriege beteiligten

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