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b) Es sollen gleichzeitig nach und nach Auskunftsund Kontrollorgane errichtet werden, die allmählich das administrative Gerüst des Bundes aller zivilisierter Nationen bilden werden. »

Dem Problem der Erreichung eines dauerhaften Friedens soll auch der anfänglich für den Monat Dezember in Bern geplante internationale Studienkongress gelten. Die Veranstaltung geht auch von der << Internationalen Organisation für einen dauerhaften Frieden» aus, hinter der der bereits erwähnte <«<Anti-Oorlog Rad» steht. Nach dem Einladungsschreiben handelt es sich bei diesem Kongress einzig darum, << die Grundsätze zu studieren und die allgemeinen Grundlagen auszuarbeiten, auf denen ein künftiger dauerhafter Friede aufgebaut werden sollte, nicht aber darum, in den Gang der Ereignisse einzugreifen oder die Frage zu prüfen, wie dem gegenwärtigen Kriege ein rascheres Ende bereitet werden könnte. »

Selbstverständlich sind auch die aus der Zeit vor dem Krieg datierenden Friedensgesellschaften an der Arbeit, unter ihnen die schweizerische Friedensgesellschaft.

Aus der Literatur über die Friedensfrage ist namentlich zu erwähnen die von Prof. Dr. Nippold ausgearbeitete Denkschrift über die Grundlagen eines dauerhaften Friedensvertrages.

Es erübrigt noch zu erwähnen, dass im Monat Februar folgende Verbände und Einzelpersonen an den Bundesrat das Gesuch richteten um Einberufung einer internationalen Konferenz der neutralen Staaten: Die Schweizerische Friedensgesellschaft, die Schweizerische reformierte Kirchenkonferenz, die Bischöfe der Bistümer Basel, Lugano, Chur, Lausanne, Genf, St. Gallen, Sitten, der Bischof der christkatholischen Kirche der Schweiz, die Hochschulen von

Basel, Freiburg, Genf und Zürich, die Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft, der Schweiz. gemeinnützige Frauenverein, der Schweiz. Arbeiterbund, der Schweiz. Lehrerverein, der Schweiz. Lehrerinnenverein, der Schweiz. Buchdruckerverein, der Schweiz. Typographenbund, die Fédération des Typographes de la Suisse romande und der Schweiz. Buchhändlerverein. Diese Konferenz hätte die geeigneten Schritte zu beraten: a) wie ein Friede anzubahnen wäre, der die Bedingungen grösserer Dauer in sich schliesst, b) wie die gemeinsamen Interessen der neutralen Staaten während des Krieges und beim zukünftigen Friedensschluss gewahrt werden könnten.

Wir haben die Frage eines Zusammenschlusses der neutralen Staaten zur Wahrung ihrer gemeinsamen Interessen im letztjährigen Jahresbericht kurz erörtert. Der Gedanke ist seither mehrfach in der Presse aufgegriffen worden. Die Wünschbarkeit eines solchen Zusammenschlusses dürfte kaum zu verneinen sein; je länger der Krieg sich hinzieht, um so stärker werden die neutralen Staaten von ihm in Mitleidenschaft gezogen. Nun haben aber die vom Bundesrat schon im letzten Herbst unternommenen Sondierungsversuche ein negatives Resultat ergeben, und sie sind seither unseres Wissens nicht mehr erneuert worden. Damals handelte es sich allerdings noch nicht um die Erörterungen der Friedensfrage, indessen möchten wir sehr bezweifeln, dass diese geeignet sei, einen Zusammenschluss der neutralen Staaten zu erleichtern. Die allgemeine Meinung versteift sich bei uns etwas zu stark auf die Idee, es könne die Friedensfrage einzig auf einem Staatenkongress nach dem Vorbild des Wiener Kongresses von 1815 ihre Erledigung finden. Eine solche Annahme greift zum mindesten dem Gange der krie

gerischen Ereignisse vor. Aber auch angenommen, es werde über den künftigen Frieden an einem solchen Staatenkongress verhandelt werden, so erscheint es zum wenigsten noch fraglich, ob ganz Europa d. h. auch die neutralen Staaten dazu eingeladen würden.

Der Gedanke eines Eingreifens der Regierungen der neutralen Staaten für die Vorbereitung von Friedensverhandlungen hat in unserm Lande neue Wurzeln gefasst, als die Meldung durch die Presse ging, die Errichtung einer schwedischen Gesandtschaft in Bern solle diesem Problem nicht ganz ferne stehen. Inwieweit eine solche Mutmassung begründet ist, hat die Oeffentlichkeit bis heute allerdings nicht erfahren. Mit der Friedensfrage glaubte man auch die Wiedereinrichtung einer ottomanischen Gesandtschaft in Bern in Verbindung bringen zu sollen. In der Tat muss man sich fragen, was für andere Erwägungen die Pforte bestimmt haben könnten, gerade im jetzigen Zeitpunkt mit der Schweiz wieder direkte diplomatische Beziehungen anzuknüpfen, als die Möglichkeit der Mitwirkung unseres Staates bei der Anbahnung von Friedensverhandlungen.

Eines wird zu sagen sein: Keine neutrale Regierung, auch unser Bundesrat nicht, wird sich durch Wünsche und Anregungen, mögen sie noch so gut gemeint sein und der Stimmung weiterer Volkskreise entsprechen, von der strengen Reserve und Vorsicht abbringen lassen, die hier geboten sind. Und mag vom Standpunkt des politischen Desinteressements aus vielleicht auch kaum ein zweiter Staat Europas so sehr berufen erscheinen, sei es allein oder in Verbindung mit andern neutralen Staaten, seine guten Dienste für die Einleitung von Friedensunterhandlungen anzubieten, wie die Schweiz, so ist doch Eines nicht zu vergessen. Wir müssen

leider konstatieren, dass wir Eidgenossen uns redlich Mühe gegeben haben, das hohe Ansehen, das die streng neutrale Haltung dem Bundesrat bei den kriegführenden Staaten eingetragen hat, nicht auch für das ganze Schweizervolk zu erwerben. Wir haben damit möglicherweise für die Rolle des « Friedensstifters » ein nicht wenig in die Wagschale fallendes moralisches Gewicht eingebüsst. Und endlich ist auch nicht ausser acht zu lassen, dass dem Anschein nach ein mächtiger aussereuropäischer neutraler Staat schon längst gewissermassen als Konkurrent der europäischen Neutralen für die Einleitung vorbereitender Schritte zu Friedensunterhandlungen zur Stelle ist: die Vereinigten Staaten von Amerika. Diese könnten gegebenenfalls mit einem stärkern moralischen Druck in die Situation eingreifen, vorausgesetzt natürlich, dass die kriegführenden Staaten nicht vorziehen, die Monroe-Doktrin ihrerseits auf Europa anzuwenden.

Die internationale Seite der Lösung des Ueberfremdungsproblems hat durch die aktuell gewordene italienische Wehrpflicht der in der Schweiz naturalisierten Italiener eine ungewöhnliche Beleuchtung erfahren. Ueberraschen konnte die Einberufung dieser Schweizerbürger in den Kriegsdienst Italiens allerdings nur da, wo man mit der italienischen Bürgerrechtsgesetzgebung nicht vertraut war. Wie sehr das Vorkommnis überraschend wirkte und wie peinlich es in unserm Volke empfunden wurde, beweisen die Erörterungen in der Presse und bezeugt auch der Umstand, dass die Angelegenheit den Gegenstand einer Interpellation im Tessiner Grossen Rat bildete.

Laut des Art. 12 des italienischen Codice civile vom Jahre 1865 befreit der in den Fällen des Art. 11 erwähnte Verlust des italienischen Bürgerrechtes weder

von den Pflichten des Militärdienstes, noch von den Strafen, die den treffen, der gegen sein Vaterland die Waffen trägt. Und nach der frühern italienischen Gerichtspraxis erstreckte sich die Fortdauer der Wehrpflicht auch auf die Kinder von in der Schweiz naturalisierten Italienern. In den Unterhandlungen über den italienisch - schweizerischen Niederlassungsvertrag vom 22. Juli 1868 bemühte sich der Bundesrat umsonst, durch eine vertragliche Bestimmung Konflikten aus der Vorschrift des Art. 12 vorzubeugen, er musste sich sogar da Italien andernfalls vom ganzen Vertrag nichts wissen wollte dazu bequemen, in einer besondern Erklärung zum Vertrag auf Art. 12 des Zivilgesetzbuches Bezug zu nehmen. In den eidgen. Räten stiess diese Erklärung auf Widerspruch. Während die Mehrheit der ständerätlichen Kommission der «unnatürlichen » Bestimmung nur mit Rücksicht auf den Handelsvertrag beipflichten zu können erklärte, beantragte die Minderheit die Nichtgenehmigung des Vertrages; es sei, wurde bemerkt, der Würde der Schweiz wenig angemessen, einem fremden Staate vertragsmässig derartige Rechte über Schweizerbürger einzuräumen und es erscheine daher die Verwerfung des ganzen Vertrages als ein kleineres Uebel denn die Anerkennung so naturwidriger Grundsätze.

Selbstverständlich kann Italien die in der Schweiz wohnenden naturalisierten Italiener zum Militärdienst nicht zwingen, die Weigerung, dem Aufgebot Folge zu leisten, hat aber zur Folge, dass der Aufgebotene, wenn er italienisches Gebiet betritt, riskieren muss, verhaftet und als Fahnenflüchtiger bestraft zu werden.

In allen Erörterungen der Presse kam der bestimmte Wunsch zum Ausdruck, es möchte der Bundesrat auf die Beseitigung dieses unnatürlichen inter

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