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nationalen Rechtszustandes bedacht sein. In seiner Abhandlung über « Die Einbürgerung der Ausländer » im letztjährigen Bande des Politischen Jahrbuches wies Prof. Dr. Burckhardt darauf hin, dass der Neuordnung des Bürgerrechts die Spezialabkommen nicht im Wege ständen, die am 23. Juli 1879 mit Frankreich und im Niederlassungsvertrag mit Italien vom 22. Juli 1868 und der dazu abgegebenen Erklärung getroffen worden seien. Die << Erklärung » sollte aber unter allen Umständen aufgehoben werden; wenn Italien die Folgen der Naturalisation in der Schweiz nicht anerkennen wolle, so brauchten wir ihm nicht noch die Richtigkeit seiner Auffassung vertraglich zu bestätigen. Uebrigens sei es nicht klar, ob für die Schweiz mit dieser Bestimmung Verpflichtungen begründet werden, oder ob die Erklärung bloss die Bedeutung einer Verweisung auf die italienische Gesetzgebung habe. Jedenfalls hindere sie uns nicht, die Bedingungen für die Erwerbung des Schweizerbürgerrechts anders zu gestalten, als sie es bisher waren. Es werde sich für die Schweiz empfehlen, mit Italien ein Abkommen zu treffen, das im Gegensatz zur Erklärung von 1868 bestimme, dass die in der Schweiz eingebürgerten Italiener, solange sie ihren Wohnsitz in der Schweiz haben, nicht zur Erfüllung ihrer Militärpflicht in Italien verhalten werden dürfen.

Ob Italien einer solchen Regelung seine Zustimmung geben wird? Auf alle Fälle sollte eine Aenderung des gegenwärtigen Zustandes energisch versucht werden.

Rekognoszierungs- Fahrten deutscher bewaffneter Motorboote auf dem Bodensee haben zu Beginn des Jahres der Frage einer vertraglichen Regelung der Hoheitsrechte an diesem See wieder einmal Aktualität verliehen. Wie be

kannt, stehen sich in Bezug auf die Hoheitsgrenzen der Bodensee - Uferstaaten grundsätzlich zwei Ansichten gegenüber. Nach der einen liegt diese Grenze in der Mitte dieses Sees, nach der andern besteht am Bodensee ein Condominium der Uferstaaten. Während also die Vertreter der ersten Auffassung eine geteilte Herrschaft über den See annehmen, befindet sich nach der zweiten das ganze Seegebiet in der ungeteilten Herrschaft der Uferstaaten. Die uns bekannte schweizerische Literatur über diese Frage steht ohne Ausnahme auf dem Standpunkt der geteilten Herrschaft der Uferstaaten über den Bodensee, während die deutschen Schriftsteller verschiedene Auffassungen vertreten. Hervorragende deutsche Staats- und Völkerrechtslehrer haben sich sehr bestimmt für die geteilte Herrschaft ausgesprochen. Da nach ziemlich unbestrittener Auffassung die Binnenmeere nach den Grundsätzen über die Grenzflüsse behandelt werden, diese aber unter der geteilten Herrschaft der Uferstaaten stehen, würde der Bodensee bei der Annahme eines Condominiums eine Ausnahme von der Regel machen. Der Nachweis, dass irgendwie, z. B. durch Verträge, ein solches Condominium geschaffen worden sei, ist in unwiderlegbaren Ausführungen unseres Wissens von keiner Seite erbracht worden.

Je nach der Annahme einer geteilten oder ungeteilten Herrschaft der Uferstaaten über das Seegebiet gestalten sich natürlich eine Reihe wichtiger Rechtsverhältnisse verschieden, und zwar fallen dabei nicht nur die Jurisdiktionsverhältnisse in Betracht, deren Festsetzung der Bundesrat schon im Jahre 1867 als sehr wünschenswert bezeichnete.

Vertraglich geordnet sind für den Bodensee heute die Schiffahrts- und Hafenverhältnisse, ferner bestehen Vereinbarungen über die Fischerei. In der internationalen Schiffahrts- und Hafenordnung findet sich auch ein Artikel über die Gerichtsbarkeitsverhältnisse, soweit es sich um Uebertretungen der in dieser Ordnung enthaltenen Vorschriften handelt. Ferner besteht ein Uebereinkommen über das Verfahren bei Beurkundung von Geburts- und Sterbefällen auf dem Bodensee oder wenn eine Leiche aus dem See aufgenommen wird.

Neben diesen Fragen bleiben aber eine Reihe anderer, für die eine vertragliche Regelung noch fehlt, so bestehen keine Vereinbarungen über die Zivil- und Strafgerichtsbarkeit, über Entschädigungsklagen allgemein, über Eheschliessung und Verlassenschaftsangelegenheiten, über die Nationalitätsverhältnisse und über die Militär- und Neutralitätsverhältnisse. Was im besondern die Neutralität des Bodensees anbelangt, so ist sie nach ihrem Umfang eine verschiedene je nach der Annahme einer geteilten oder ungeteilten Herrschaft über den See.

Schon im Jahre 1867 wurde ein Anlauf zur Regelung der internationalen Verhältnisse am Bodensee genommen und zwar aus Anlass der Verhandlungen über die am 22. September 1867 abgeschlossene Schiffahrts- und Hafenordnung. Leider hatte es damals bei der Erörterung der von badischer Seite gemachten Vorschläge sein Bewenden, zu einer Beschlussfassung fehlten den Abgeordneten, mit Ausnahme derer von Baden, die nötigen Vollmachten. Erfreulicherweise kann konstatiert werden, dass der Bundesrat in neuester Zeit der Angelegenheit wieder näher getreten ist und über sie auch ein Gutachten eingeholt hat. Nach Beendigung des

Krieges dürfte er sich wohl angelegen sein lassen, Verhandlungen mit den interessierten Bodenseestaaten einzuleiten.

Seit der anlässlich des Angriffes auf Friedrichshafen erfolgten erstmaligen Verletzung unseres Luftgebietes am 21. November 1914 haben verschiedene deutsche und französische Flieger unser Territorium überflogen. Diese Vorkommnisse gaben dem Bundesrat jedesmal Anlass zu einer Beschwerde bei der zuständigen Regierung. Die von ihm verlangte Entschuldigung liess jeweilen nicht lange auf sich warten. Es handelte sich bei diesen Gebietsverletzungen zweifellos nicht um beabsichtigte Eingriffe in unsere Neutralität, jedenfalls benutzten die resp. Regierungen ihre Entschuldigungen, um die Anerkennung der Unverletzlichkeit unseres Luftgebietes ausdrücklich zu erneuern.

Ein besonders schwerer Fliegerüberfall erfolgte am 17. Oktober d. J. in La Chaux-de-Fonds. Ein deutsches Flugzeug, das, wie man annimmt, den Auftrag hatte, eine der nahe unserer Grenze liegenden französischen Bahnlinien nach Belfort zu zerstören, erschien Nachmittags über La Chaux-de-Fonds und warf beim dortigen Ostbahnhof und längs der Bahnlinie Chauxde-Fonds-Saignelégier acht Bomben ab. Es wurden vier Personen, glücklicherweise nicht schwer, verletzt und es entstand überdies erheblicher Schaden. Gleichzeitig überflog, ohne Bomben abzuwerfen, ein anderer deutscher Doppeldecker das Gebiet von Pruntrut, von Bonfol bis Bure. Das Politische Departement bemerkte in seiner Mitteilung an die Presse u. a.:

<< Die Vorfälle haben begreifliche und hochgradige Aufregung verursacht; sie sind um so bedauerlicher, als sie kurz auf den durch einen deutschen Flieger in der Nähe von Pruntrut hervorgerufenen Zwischenfall folgen, der durch eine Note der kaiserlich deut

schen Regierung vom 29. September erledigt worden war, in welcher ausgeführt wurde, dass gegen eine Wiederholung ähnlicher Vorfälle von den zuständigen Stellen die strengsten Massregeln ergriffen worden seien.

ist

Die schweizerische Gesandtschaft in Berlin beauftragt worden, mit allem Nachdruck bei der kaiserlich deutschen Regierung gegen die neue Verletzung der schweizerischen Neutralität Protest zu erheben und volle Genugtuung, die Bestrafung der schuldigen Flieger, sowie Schadenersatz für die Verletzungen und Sachbeschädigungen zu langen.» In der Antwortnote der deutschen Regierung heisst es u. a.:

ver

<< Nach dem Ergebnis ist es in der Tat ein deutsches Flugzeug gewesen, das durch Wolken und Dunst die Orientierung verloren und in der irrtümlichen Meinung, sich über französischem Gebiet zu befinden, die Bomben hat fallen lassen.

Der Flugzeugführer und der Beobachter sind sofort von ihrer Dienststellung enthoben und bestraft worden. Auch hat die Militärbehörde Anlass genommen, die Fliegerabteilungen von neuem strengstens vor dem Ueberfliegen schweizerischen Gebiets zu warnen und ihnen einzuschärfen, unter keinen Umständen Bomben zu werfen, falls sie sich nicht ganz zweifellos über Feindesland befinden.

Die deutsche Regierung zögert nicht, der schweizerischen Regierung ihr lebhaftes Bedauern über den Vorfall und die dadurch verursachten Verleztungen der getroffenen Personen, die glücklicherweise nur leicht sein sollen, auszusprechen. Zugleich erklärt sie sich bereit, den entstandenen Schaden zu ersetzen sowie den Verletzten ein angemessenes Schmerzensgeld zu gewähren. »

Die Zahl der internationalen Vereinbarungen, die im Berichtsjahr unsere Behörden beschäftigten, ist eine sehr bescheidene und es befindet sich unter ihnen keine Uebereinkunft von aussergewöhnlicher Bedeutung.

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