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Als wichtigste internationale Verständigung sind zu nennen die Uebereinkommen mit Frankreich über den Dienst der Post, des Zolls, der Telegraphen, der Gesundheitspolizei und der Viehseuchenpolizei im internationalen Bahnhof Vallorbe, sowie auf den Linien Frasne-Vallorbe und PontarlierVallorbe, vom 11. Juli 1914. Die Genehmigung durch die Bundesversammlung erfolgte in der Frühlingssession.

Die in der Junitagung genehmigte Zusatzübereinkunft zum Freundschafts-, Handelsund Niederlassungsvertrag mit Grossbritannien vom 6. September 1855 bringt eine Verständigung über die Anwendung gewisser Bestimmungen dieses Vertrages in einigen Besitzungen Grossbritanniens.

Mit einem Schreiben vom 13. April d. J. ersuchte der Bundesrat die Bundesversammlung, sich damit einverstanden zu erklären, dass er die geplante Revision der internationalen Schiffahrts- und Hafenordnung für den Bodensee und des Staatsvertrages zwischen der Schweiz und dem Grossherzogtum Baden über die Schiffahrts- und Hafenordnung für den Untersee und den Rhein zwischen Konstanz und Schaffhausen endgültig zum Abschlusse bringe. Die eidgen. Räte stimmten in der Frühlingssession dem Vorschlage, den zeitliche Erwägungen veranlasst hatten, zu.

Am 4. März d. J. schloss der Bundesrat mit der italienischen Regierung ein neues Schiedsabkommen ab. Das frühere war am 16. November 1914 abgelaufen. Der Bundesrat schlug der italieni

schen Regierung ein neues Abkommen gleichen Wortlauts, wie das alte, vor, mit dem Zusatz der Klausel der stillschweigenden Erneuerung von fünf zu fünf Jahren. Wie die Botschaft an die Bundesversammlung vom 10. April 1915 (Bbl. I, 961) mitteilt, machte Italien die Anregung, den Text des bestehenden Schiedsabkommens zwischen Italien und den Niederlanden weitern Unterhandlungen zu Grunde zu legen, in diesem Vertrag sei auch die Klausel der stillschweigenden Erneuerung aufgenommen worden. Der Bundesrat glaubte indessen dem Vorschlag der italienischen Regierung aus dem Grunde nicht beistimmen zu können, weil dieses Abkommen das schiedsgerichtliche Verfahren für sämtliche Streitfälle vorsieht, die zwischen den vertragschliessenden Teilen auftauchen könnten. «Wir konnten uns in der Tat nicht dazu entschliessen, von dem Grundsatze abzugehen, wonach der Schiedsvertrag nur auf die Fälle Anwendung finden soll, die nicht die Lebensinteressen, die Unabhängigkeit und die Ehre der vertragschliessenden Staaten berühren. >>

Die eidgen. Räte waren noch nicht im Falle, sich mit dem neuen Schiedsabkommen mit Italien zu befassen. Wir zweifeln daran, dass die Kritik einiger links stehender Blätter, die dem Bundesrat aus der Ablehnung der Anregung der italienischen Regierung einen Vorwurf machten, im Ratssaale ein starkes Echo finden wird. Die Schweiz ist als Grenzstaat Italiens nicht in der gleichen Lage wie die Niederlande, die unbedenklich ein Schiedsabkommen für alle event. Streitfälle mit Italien vereinbaren konnten. Der Bundesrat hat, wie wir im letzten Jahresbericht mitteilten, auch einen über unsere üblichen Schiedsabkommen hinausgehenden Vertrag, einen sogen. Kriegsaufschubvertrag abgeschlossen und zwar mit den Vereinigten

Staaten von Amerika. Hier konnten die Bedenken, auf die die Begrenzung des Anwendungsgebietes unserer Schiedsabkommen zurückzuführen ist, zurücktreten. Die Behandlung dieses Kriegsaufschubvertrages durch die Bundesversammlung steht übrigens ebenfalls noch aus.

Schliesslich sei auch noch der Erklärung zwischen der Schweiz und dem Deutschen Reich über den Geschäftsverkehr in Vormundschaftssachen erwähnt, die am 1. Oktober v. J. in Kraft trat (A. S. n. F. XXX, 277). Die Anregung, für die in der Haager Vormundschaftskonvention vorgesehenen Mitteilungen an Stelle des diplomatischen Weges den direkten Verkehr zwischen den schweizerischen und deutschen Vormundschaftsbehörden einzuführen, ging vom Bundesrat aus. Gemäss dem Vorschlag der deutschen Regierung wurde dann dieser direkte Geschäftsverkehr auf alle die vormundschaftliche Fürsorge für Minderjährige betreffenden Angelegenheiten ausgedehnt.

Beitritte zu beistehenden Konventionen sind folgende zu verzeichnen:

China ist dem internationalen Vertrag betr. die Auswechslung von Poststücken, vom 26. Mai 1906, beigetreten.

Dem internationalen Uebereinkommen betr. den Austausch von Briefen und Schachteln mit Wertangabe, vom 26. Mai 1906, haben sich angeschlossen NordBorneo und die Malaischen Staaten Negri, Sembilan, Pahang, Parak und Selangon.

Gekündigt wurde von Süd-Nigeria der Welt

postvertrag.

Wie im letzten Jahresbericht mitgeteilt wurde, hat Frankreich die Haager Abkommen vom 12. Juni 1902 über Eheschliessung, Ehescheidung und

Vormundschaft über Minderjährige auf den 1. Juni 1914 gekündigt. Nach einer Mitteilung im Geschäftsbericht des schweizerischen Justiz- und Polizeidepartements für 1914 führte die französische Regierung als Grund der Kündigung an, sie sei immer von der Ansicht ausgegangen, dass diese drei Konventionen nur das Privatrecht betreffen und das öffentliche Recht unberührt lassen. Nun habe es sich aber gezeigt, dass einzelne Konventionsstaaten es ablehnen, diese Scheidung zwischen Privatrecht und öffentlichem Recht durchzuführen; um aber nicht fremdes öffentliches Recht anwenden zu müssen, und da seine Nichtanwendung zu Konflikten mit andern Staaten führen könnte, sehe sich Frankreich veranlasst, die drei Uebereinkünfte zu kündigen.

B. Inneres.

<< Grosse Lehren hat er uns gegeben, dieser Krieg, gleich einem Sturmwind hat er überall den Egoismus weggefegt, hat gegenüber dem Parteitreiben das soziale und nationale Gesamtbewusstsein zum obersten Grundsatz erhoben. Beinahe über Nacht sind wir andere Menschen geworden: Putz und Tand, Habgier und Gewinnsucht, Mammon und Mode sind uns aus Göttern zu Götzen geworden; sorgen wir, dass sie's auch bleiben! Das hat der glück- und menschenmordende Krieg gleich wie mit einem Zauberschlage zuwege gebracht, sollte nicht der glück- und menschenerhaltende Friede es noch besser vermögen? » In diese Einsamkeit des Urteils verstieg sich ein Neujahrsartikel des schweizerischen Friedensvereins. Ob sein Verfasser noch heute einem solchen Hymnus auf das Volk der Eidgenossen

die Feder liehe? Ist nicht, was wir tagtäglich in unserm Lande sehen und erfahren, eher das Gegenteil dessen, was hier, namentlich auch staatspolitisch verstanden, als segensreiche Wirkung des Krieges gepriesen wird? An Stelle von Eintracht und Gesamtbewusstsein Streit und Hader, Auflösung des nationalen Denkens und Empfindens, auf wirtschaftlichem und sozialem Gebiet Verdrossenheit, Unzufriedenheit und Klage? Wir wissen es: nichts ist schwerer, als in so aussergewöhnlichen Zeiten über das eigene Volk zu urteilen. Stärker als sonst treten in den Bildern des Tages die Schatten hervor, und die Neigung zur pessimistischen Beurteilung der Dinge und Erscheinungen macht sie lebhafter geltend als sonst. Das Bewusstsein dieser Gefahr, den richtigen Massstab zu verlieren, zwingt zu einer gewissen Zurückhaltung in der Würdigung der Vorgänge und Ereignisse, zumal in einer Arbeit, deren Urteil nicht so leicht, wie in der Tagespresse korrigiert und richtig gestellt werden kann. Aus dieser Erwägung heraus möchten wir denn auch den nachstehenden allgemeinen Betrachtungen keinen allzu weiten Rahmen verleihen.

Wer dereinst unsere Tagesliteratur in diesen Kriegsmonaten durchgehen wird, dürfte vor allem eine Erscheinung zu konstatieren haben: dass unser Land in eine einzige grosse Schulstube verwandelt worden ist. Steckt die Neigung zum Schulmeister uns Schweizern ohnehin im Blute in der ersten Zeit des Krieges lernten uns auch die kriegführenden Staaten ganz besonders von dieser Seite kennen so haben wir es in der belehrenden Literatur doch noch nie soweit gebracht wie heute. Bände, dicke Bände liessen sich mit den zahllosen Zeitungsartikeln und Broschüren füllen, in denen dem Volke gute Lehren und Ermahnungen

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