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Referendum kam das erstere bekanntlich in der Sommersession 1914 im Nationalrat zur Behandlung. Der Ständerat beschäftigte sich mit ihm am 13. April d. J. und fasste folgenden Beschluss:

<< Die Bundesversammlung der schweizer. Eidgenossenschaft, in Erwägung, dass die Behandlung der Initiative betr. die Verhältniswahl für die Nationalratswahlen in den Räten und im Volke geeignet wäre, die während des gegenwärtigen europäischen Krieges besonders notwendige Eintracht des Schweizer volkes zu stören, beschliesst: Die Weiterbehandlung der Initiative betr. Verhältniswahl für die Nationalratswahlen wird auf unbestimmte Zeit verschoben. Es wird dem Ständerate anheim gegeben, zu geeigneter Zeit die Behandlung des Gegenstandes wieder aufzunehmen. » In seiner Sitzung vom 15. April nahm der Nationalrat von diesem Beschlusse Vormerk.

Tags zuvor hatte der Rat die Verschiebung der Beratung der Staatsvertragsinitiative bis auf weiteres beschlossen und am 15. April stimmte ihm der Ständerat zu.

Mit einem Bericht vom 13. Nov. 1914 hatte der Bundesrat den eidgen. Räten Mitteilung gemacht über die Einreichung des Initiativbegehrens betr. Verbot der Errichtung von Spielbanken. In der Frühlingssession d. J. nahmen Nationalrat und Ständerat von dieser Vorlage Kenntnis und luden den Bundesrat ein, über den Gegenstand materiell Bericht zu erstatten.

Mit einer Botschaft vom 12. Februar 1915 unterbreitete der Bundesrat der Bundesversammlung einen Bundesbeschlussentwurf über die Aufnahme eines Art. 42bis in die Bundesverfassung zum Zwecke

der Erhebung einer einmaligen direkten Kriegssteuer.

Bundesbeschluss

betr. Aufnahme eines

Art. 42bis in die Bundesverfassung.

A. In die Bundesverfassung wird folgender Art. 42bis aufgenommen:

Art. 42bis. Der Bund ist befugt, zur teilweisen Deckung der Kosten des Truppenaufgebotes während des europäischen Krieges eine einmalige direkte Kriegssteuer auf Vermögen und Erwerb der natürlichen und der juristischen Personen zu erheben.

Die natürlichen Personen haben für ein Vermögen von nicht mehr als Fr. 2,500 keine Steuer zu entrichten. Für Witwen und Waisen kann das steuerfreie Vermögen erhöht werden.

Der Steuersatz ist bei den natürlichen Personen progressiv und beträgt eins bis fünfzehn vom Tausend des Reinvermögens und ein halb bis acht vom Hundert des Reinerwerbs.

Bei den Aktiengesellschaften und Kommanditaktiengesellschaften richtet sich der Steuersatz nach der Dividende und beträgt zwei vom Tausend bis zehn vom Tausend des einbezahlten Aktienkapitals, des Reservefonds und anderer Rückstellungen und einhalb vom Tausend bis zwei und einhalb vom Tausend des nicht einbezahlten Aktienkapitals. Bei Genossenschaften und Vereinen beträgt der Steuersatz acht vom Hundert des Reinertrags.

Der Bezug der Kriegssteuer erfolgt in mindestens zwei Raten. Er liegt den Kantonen ob. Diese haben vier Fünftel der eingehenden Steuerbeträge dem Bund abzuliefern.

Die Bundesversammlung wird die Vorschriften über die Ausführung dieses Verfassungsartikels endgültig aufstellen.

Dieser Verfassungsartikel tritt ausser Kraft, nachdem die Kriegssteuer erhoben sein wird.

B. Dieser Bundesbeschluss ist der Abstimmung des Volkes und der Stände zu unterbreiten.

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C. Der Bundesrat ist mit der Vollziehung beauftragt.

Die Kriegssteuervorlage war bereits in der Botschaft über das Büdget für das Jahr 1915 angekündigt und kam somit für niemand überraschend.

In der Botschaft vom 12. Februar gab der Bundesrat zunächst eine kurze Darstellung der Finanzlage des Bundes und setzte sodann auseinander, warum er es nicht für tunlich erachte, den in der Verfassung vorgesehenen Weg der direkten Erhebung von Geldbeiträgen der Kantone an die Kriegskosten zu beschreiten. Er betonte im weitern das sittliche und politische Moment der Kriegssteuer, beleuchtete ihre verfassungsrechtliche Grundlage und die Grundzüge des Steuerprojektes, besprach die Mitwirkung der Kantone bei der Erhebung der Steuer und ihre Beteiligung am Ertrag, berechnete das mutmassliche Ergebnis der Steuer, um zum Schlusse das formelle Vorgehen zu erörtern. Anfänglich hatte der Bundesrat beabsichtigt, den normalen Weg zu betreten, d. h. die Aufnahme einer ganz allgemein gehaltenen Kompetenznorm in die Verfassung zu beantragen und im Anschluss ein Ausführungsgesetz mit Referendumsklausel vorzulegen. Er entschied sich dann aber für ein ausserordentliches Vorgehen in dem Sinne, dass er eine ausführliche, alle Hauptnormen der zukünftigen Gesetzgebung in sich schliessende Verfassungsbestimmung formulierte, in der Meinung, dass der Ausführungsbeschluss in der endgültigen Kompetenz der Bundesversammlung liege. Die Ebnung dieses Weges besorgte der Bundesrat dadurch, dass er gleichzeitig mit der Vorlage über den Verfassungsartikel den Entwurf eines Ausführungsbeschlusses bekannt gab.

Die beiden eidgen. Räte berieten den Verfassungs

artikel in der Frühjahrssession und nahmen ihn mit einer Reihe von Abänderungen einstimmig an. Diese betreffen im besondern die Besteuerung der Witwen ohne Erwerb mit Kindern und der Familien ohne Vermögen, ferner die Besteuerung der Aktiengesellschaften und der Genossenschaften.

Die Vorlage, wie sie aus den Beratungen der Bundesversammlung hervorging, hat folgenden Wortlaut: Bundesbeschluss betr. Erlass eines Artikels der Bundesverfassung zur Erhebung einer einmaligen Kriegssteuer. (Vom 15. April 1915.)

A. Der Bundesverfassung wird folgender Artikel beigefügt:

1. Der Bund erhebt zur teilweisen Deckung der Kosten des Truppenaufgebotes während des europäischen Krieges eine einmalige Kriegssteuer.

2. Die natürlichen Personen haben diese Steuer zu entrichten von ihrem Vermögen und ihrem Erwerb. Die Steuerpflicht beginnt bei einem Vermögen, das zehntausend Franken, und bei einem Erwerb, der zweitausendfünfhundert Franken übersteigt; für Witwen ohne Erwerb mit Kindern wird das steuerfreie Vermögen und für Familien ohne Vermögen mit vier oder mehr Kindern unter achtzehn Jahren wird der steuerfreie Erwerb erhöht werden. Der Steuersatz ist progressiv und steigt in Klassen von eins bis fünfzehn vom Tausend des Reinvermögens und von einhalb bis acht vom Hundert des Reinerwerbes, nach Massgabe der diesem Beschlusse beigefügten Tabellen.

3. Die Aktiengesellschaften und Kommandit Aktiengesellschaften haben die Steuer von ihrem Aktienkapital, ihrem Reservefonds und ihren andern Rückstellungen zu entrichten. Der Steuersatz beträgt zwei bis zehn vom Tausend des einbezahlten Aktienkapitals und der Reserven, und eins bis fünf vom Tausend des nicht einbezahlten Aktien

kapitals. Innert dieser Grenzen richtet er sich nach der Höhe der zur Auszahlung gelangten Dividenden.

4. Die Genossenschaften des Obligationenrechts, mit Ausnahme der konzessionierten Versicherungsgenossenschaften, entrichten die Steuer von ihrem Reinertrag; der Steuersatz beträgt vier vom Hundert der den Mitgliedern gewährten Rückvergütungen und acht vom Hundert des übrigen Reinertrages. Die konzessionierten Versicherungsgenossenschaften entrichten die Steuer von ihrer schweizerischen Prämieneinnahme; der Steuersatz beträgt fünf vom Tausend dieser Prämieneinnahme.

5. Die übrigen juristischen Personen entrichten die Kriegssteuer von ihrem Vermögen nach den Vorschriften, die für die natürlichen Personen gelten; der Steuersatz steigt bei ihnen nur bis zehn vom Tausend.

6. Von der Entrichtung der Kriegssteuer sind befreit:

a) der Bund und die Kantone und ihre Anstalten und Betriebe, die schweizerische Unfallversicherungsanstalt in Luzern und die schweizerische Alkoholverwaltung;

b) die schweizerische Nationalbank;

c) die Gemeinden, sowie die andern öffentlich-rechtlichen und kirchlichen Körperschaften und Anstalten für das Vermögen, dessen Ertrag öffentlichen Zwecken dient;

d) die übrigen Körperschaften und Anstalten für das Vermögen, dessen Ertrag Kultus- oder Unterrichtszwecken oder der Fürsorge für Arme und Kranke dient;

e) die konzessionierten Transportanstalten für das Aktienkapital, für das keine Dividende verteilt wird.

7. Der Bezug der Kriegssteuer erfolgt in mindestens zwei Raten. Er liegt den Kantonen ob. Diese haben vier Fünftel der eingehenden Steuerbeträge dem Bund abzuliefern.

8. Die Bundesversammlung wird die Vorschriften über die Ausführung dieses Verfassungsartikels endgültig aufstellen.

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