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der Verfassung zum Zwecke des Erlasses Polizeivorschriften über den Automobil- und Fahrradverkehr ist auch im Berichtsjahre nicht gefördert worden. Dagegen haben wir, neben der einmütigen Befürwortung der baldigen eidgen. Regelung des Automobilverkehrs durch die kantonale Polizeidirektorenkonferenz, eine wertvolle Vernehmlassung im eidgen. Parlament über die Notwendigkeit der Bundesgesetzgebung über diese Materie zu verzeichnen. Bei der Behandlung des Geschäftsberichtes des Bundesrates in der Junisession wies im Ständerat ein Vertreter des Kantons Graubünden auf das neue Konkordat über den Motor- und Fahrradverkehr hin, dem heute sechzehn Kantone angehören. Der Redner gab zu, dass mit diesem Konkordat vieles erreicht worden sei, fügte aber bei, dass gleichwohl eine bundesgesetzliche Regelung dieses Verkehrs als wünschbar bezeichnet werden müsse. Das Gelingen einer solchen dürfte durch die heute allgemein anerkannten Vorteile dieses Transportmittels für das Heerwesen wesentlich erleichtert werden. Dies gelte auch für die Gebirgskantone und speziell den Kanton Graubünden. Gerade das Bündner Volk habe in den letzten Monaten Gelegenheit gehabt, dieses Verkehrsmittel kennen zu lernen, und denke heute über die Freigabe des Automobilverkehrs viel ruhiger als früher. Bei einer gesetzgeberischen Lösung der Frage, die auch den Gebirgskantonen Rechnung trüge, dürften sich diese, im Gegensatz zu ihrer bisherigen Haltung, mit einer bundesgesetzlichen Regelung der Materie befreunden können.

Man wird von dieser Erklärung gerne Notiz nehmen. Sie belebt die Hoffnung, dass die Fortsetzung der im Frühling 1913 stehen gebliebenen Beratung des Verfassungsartikels unter erfreulichern Auspizien erfolgen werde. Allerdings wird ja die eidgen. gesetz

geberische Lösung der Angelegenheit auch nach einer Annahme der Verfassungsrevision nicht im Automobiltempo erfolgen. Da es sich hier wesentlich auch um eine Strassenfrage handelt, werden Strassenverbesserungen von Nöten sein. Bezügliche Studien sind, nach den Ausführungen des Vorstehers des eidgen. Departements des Innern im Ständerat, im Gange. Die Verbesserungen würden sich für einmal auf ein Strassennetz von 1300 Km. erstrecken. In bezug auf die Kostendeckung denkt man an eine Benzinverbrauchssteuer, deren Erträgnis heute auf Fr. 600,000 pro Jahr geschätzt wird.

Folgende Kantone haben ihre Verfassungen revidiert und für die neuen Bestimmungen die eidgen. Gewährleistung erhalten:

Bern, 1. März 1914. Die Verfassungsänderung hatte zum Zweck, die Zahl der Mitglieder des Grossen Rates zu vermindern. Statt wie früher auf je 2500 Seelen bezw. auf einen Bruchteil von über 1250 Seelen der Wohnbevölkerung, wird nunmehr auf je 3000 bezw. auf einen Bruchteil von über 1500 Seelen der Wohnbevölkerung ein Vertreter gewählt.. Genf, 26. Juli 1914. Nach dem neuen Verfassungsgesetz ist das am 27. Februar 1910 eingeführte aktive und passive Wahlrecht der Frauen für die Gewerbegerichte wieder aufgehoben.

Uri, 2. Mai 1915. Zwei der revidierten Artikel haben nur formelle Bedeutung und beziehen sich auf die Umgestaltung der frühern << Ersparniskassa des Kantons Uri» in die «Urner Kantonalbank ». Zwei weitere Bestimmungen bedeuten eine Aenderung des materiellen Verfassungsrechtes. Sie bringen das Recht der Landsgemeinde auf die Abberufung von Behörden und beseitigen die Partialerneuerung des Regierungsrates je nach 2 Jahren; an die Stelle

der Partialerneuerung tritt die Gesamtwahl dieser Behörde nach dem Ablauf einer Amtsdauer.

Zivil- und Strafrecht.

Eine bedauerliche Unterbrechung hat der Krieg in die Neuordnung des Wechselrechtes gebracht. Noch kurz vor seinem Ausbruch war eine Expertenkommission bestellt worden zur Beratung des Entwurfes einer Botschaft an die Bundesversammlung über das am 23. Juli 1912 im Haag abgeschlossene Uebereinkommen betr. die Vereinheitlichung des Wechselrechtes. Dieser Vorlage an den Expertenausschuss hatte das eidgen. Justizdepartement den Entwurf eines Bundesgesetzes über das Wechselrecht beigefügt, der sich an die vorgeschlagene internationale Regelung der Materie anlehnt. Da die Ordnung auf internationalem Boden in der nächsten Zeit als ausgeschlossen betrachtet werden muss, wird sich der Bundesrat darüber schlüssig zu machen haben, ob er der Bundesversammlung vorschlagen soll, das Wechselrecht einstweilen für uns selbst neu zu redigieren unter möglichster Berücksichtigung der bereits diskutierten internationalen Grundsätze.

Bekanntlich steht auch die Revision des Gesellschaftsrechtes vor der Türe. Wie in der Bundesversammlung vom Bundesratstische aus mitgeteilt wurde, dürfte der Prof. Huber zur Ausarbeitung übertragene Vorentwurf bis zum nächsten Sommer zum Abschlusse kommen.

Im Schosse des Nationalrates gab in der Junitagung 1912 die Verordnung über das Verfahren bei der Gewährleistung im Viehhandel Anlass zur Kritik. Die damals angeregte Frage der Revision

dieser Verordnung wurde vom Bundesrat einlässlich geprüft. Er gelangte indessen zu dem Schluss, es sei zurzeit auf sie nicht einzutreten, da noch weitere Erfahrungen gesammelt werden müssten; die Beanstandung der Viehwährschaftsverordnung sei wohl hauptsächlich auf eine gewisse Schwerfälligkeit der die Bestimmungen handhabenden Organe zurückzuführen. Die ständerätliche Geschäftsprüfungskommission, die in der letzten Junisession die Angelegenheit aufgriff, stellte zwar keinen Antrag auf eine sofortige Anhandnahme der Revision, betonte aber sehr bestimmt ihre Wünschbarkeit.

Der Bundesrat hatte in einem Rekursfalle entschieden, dass bei Abfassung des Ehevertrages nach Art. 181 Z. G. B. die Eheleute persönlich unterschreiben müssen, dass also gewillkürte Vertretung nicht zulässig sei. Mit dieser Lösung einer in der Theorie umstrittenen Frage erklärte sich die Geschäftsprüfungskommission des Ständerates ausdrücklich einverstanden. Sie verlangte indessen zur Garantie für eine dem wirklichen Willen entsprechende Vertragsschliessung auch noch, dass die Parteien gleichzeitig vor der Urkundsperson ihre Erklärung abgeben. Die Anregung fand beim Vorsteher des Justizdepartements keine Zustimmung, da durch das Verlangen der gleichzeitigen Unterzeichnung des Ehevertrages die Vorteile, die der bundesrätliche Entscheid über die persönliche Unterschrift bringe, wieder illusorisch gemacht würden.

Erfreuliche Fortschritte sind auf dem Gebiete der Vereinheitlichung des Strafrechtes zu verzeichnen. Die Expertenkommission hat im laufenden Jahre die Beratung des Vorentwurfes soweit gefördert, dass zur Erledigung ihrer Aufgabe nur noch eine einzige Tagung, die im nächsten Frühjahr stattfinden soll, er

forderlich sein wird. Heute sind die beiden Bücher über die Vergehen und die Uebertretungen durchberaten, und vom dritten Buch, über die Einführungsbestimmungen, hat die Kommission die Hälfte erledigt. Die starke Opposition, auf die der erneut festgehaltene Opportunitätsbeschluss über die Ordnung der Todesstrafe, das sogen. Luzernerkompromiss, in der Presse stiess, veranlasste die Expertenkommission, auf den Beschluss zurückzukommen. Mit allen gegen zwei

Stimmen entschied sie sich definitiv für die einheitliche Ordnung im Sinne der Nichtaufnahme der Todesstrafe in den Entwurf. Niemand wird mit diesem Beschluss die vielumstrittene Frage als erledigt betrachten, haben doch nicht nur katholisch - konservative Pressorgane, sondern auch freisinnige, und zwar sowohl föderalistisch als zentralistisch gesinnte Blätter für die Aufrechthaltung des Luzerner Kompromisses plädiert. Dieses wollte den Kantonen das Recht, gewähren, gegenüber Personen, die auf ihrem Gebiete sich des Mordes schuldig gemacht haben, auf dem Wege der Gesetzgebung neben der lebenslänglichen Zuchthausstrafe wahlweise die Todesstrafe anzudrohen. Jedes Todesurteil wäre indessen von Amtswegen der kantonalen Behörde, die das Begnadigungsrecht ausübt, zur Entscheidung über die Begnadigung zu unterbreiten.

Nicht gerade erfreulich stehen zurzeit die Aussichten für die Anhandnahme der Prozessreform und vereinheitlichung. Die speziell auf die Unifikation des Zivilprozesses abzielende Motion Moll harrt allerdings noch der Behandlung durch den Nationalrat. Aus den Beratungen im Ständerat wissen wir indessen, dass das Justizdepartement für einmal nun die vollständige Revision des Obligationenrechtes

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