in die wirtschaftlichen Verhältnisse einzugreifen und auf allen Gebieten den gewaltigen ökonomischen Einwirkungen des Krieges mit staatlichen Massnahmen zu begegnen, so herrscht aber auch in einer andern Hinsicht ziemliche Uebereinstimmung unter den Volksgenossen: dass wir der militärischen Verteidigung des Landes nicht auch eine wirksame wirtschaftliche Rüstung zur Seite zu stellen hatten. Der Krieg überraschte uns bei einer wirtschaftlichen Lebensführung, deren Zusammenbruch erfolgen musste, weil sie das grosse Gesetz der Wandlung und Entwicklung nicht oder zu wenig bestimmt erkannt hatte und weil sie sich des engen und stark abhängigen Verwobenseins mit der Weltwirtschaft im allgemeinen nicht genügend bewusst war. Die wirtschaftliche Katastrophe, die mit dem Ausbruch des Krieges über uns hereinbrach und deren Ausdehnung auf zahllose Gebiete auch durch das Eingreifen des Staates mit seinen Machtmitteln nicht verhütet werden konnte, hat uns die Augen über unser Wirtschaftsleben geöffnet, und zahlreiche Federn sind heute damit beschäftigt, Vorschläge über seine Neuorientierung zu machen. Aus diesen Vorschlägen tritt namentlich eine Richtung in den Vordergrund: die Verkündigung der Notwendigkeit eines ausgeprägten wirtschaftlichen Nationalismus. So hob der Sekretär der Basler Handelskammer, Dr. Geering, an dem Beispiel der Basler Chemischen Industrie hervor, wie sehr dieser Krieg die schweizerische Volkswirtschaft auf die Verselbständigung, auf die Arrondierung ihrer Produktion und die Ausfüllung ihrer industriellen Lücken hinweise. Im « Schweizer. Export » liess sich ein Einsender dahin vernehmen, es sollten Handel und Verkehr, mögen sie noch so international sein, bei uns doch mehr auch ihre spezifische schweizerische Seite haben, einen ge sunden Chauvinismus, einen nationalen Egoismus zeigen. Unterstützten wir bis heute, frägt der Einsender, wirklich unsere schweizerische Industrie und unsern Handel genug und soweit in unsern Kräften lag? Diese Frage, die leider nicht bejaht werden könne, richte sich an den Privatkäufer wie den Detaillisten, den Grossisten und den Fabrikanten. Die Kriegszeit habe uns bewiesen, dass wir in der Schweiz in nicht wenigen Artikeln viel unabhängiger vom Ausland seien, als mancher glaubte. Und wenn der eine oder andere Fabrikant die Möglichkeiten, die in seinem Artikel liegen, noch besser studierte, sich der Schweizer Kundschaft noch gründlicher anpasste, so dürfte das Inlandkonto ein schönes « Mehr » zeigen. Die Ueberschwemmung unseres Landes so massenhaft mit Auslandware komme zum Teil auch daher, dass es bei uns viele Leute gebe, denen es nur wohl sei, wenn sie ausländische Dinge, die gar nicht immer Modetorheiten sein müssen, nachahmen oder tragen. Also in dieser Hinsicht etwas mehr schweizerisch denken, fühlen und handeln. Praktisch den schweizerischen Handel und die Industrie unterstützen, und vieles werde besser werden. Nicht zu vergessen sei, dass sich auf dem Weltmarkte völlig veränderte Verhältnisse zeigen werden. Die Feindschaft einzelner Völker werde auf Jahrzehnte hinaus für geschäftliche Transaktionen einen grossen Widerstand bilden, trotzdem man behaupte, dass Handel, Verkehr und Kapital in jedem Falle internationale Dinge seien. Es würden sich für uns Schweizer neue Exportmöglichkeiten öffnen, neue Industrien sich entwickeln; die Seele des Neutralen 'werde die Vermittlungszentrale sein in einer Zeit, wo leider nichts mehr als das «Rote Kreuz» internationale Bedeutung besitze. Wer anders als wir neutrale Schweizer sollten nachher Dinge, die international sein müssen, in die Hand nehmen und ausbauen: Wechselrecht, Patentwesen, Tarifwesen, Völkerrecht usw.... Gewiss würden sich ja Bestreben geltend machen, an Stelle des erschwerten Exportes die Neutralen wirtschaftlich noch abhängiger zu machen wie vorher. ver Durch kluge handelspolitische Verträge mit allen Staaten könnten wir dies verhindern. Es stehe zu hoffen, dass die erfolgte Vereinigung des Handelsdepartements mit dem des Aeussern gute Garantien biete für weitsichtigere und gründlichere Handelsverträge. Dazu gehöre ferner eine grössere Geschlossenheit unserer schiedenen Industrien, weniger Eigenbrödlerei der wirtschaftlichen Verbände, mehr Selbstlosigkeit, mehr nationaler Geist, bessere Organisation der Arbeiter, der Produzenten, der Konsumenten, weniger unklare Stellungnahme in volkswirtschaftlichen Dingen. In einer Reihe von Blättern wurde die Frage aufgeworfen und erörtert, ob sich die Schweiz vom Ausland wirtschaftlich nicht unabhängiger machen könnte, wenigstens soweit, um selbst einen politischen oder Zollkrieg von längerer Dauer auszuhalten, ohne dass unser Wirtschaftsleben dadurch dauernden schweren Schaden erlitte und ohne dass wir gezwungen wären, uns von andern Staaten demütigende Bedingungen gefallen zu lassen. Die Ansichten über den Grad einer solchen Verselbständigung gehen nicht unwesentlich auseinander. Zu erwähnen sind die Bestrebungen, die dahin gehen, vor allem den Absatz der eigenen Erzeugnisse im Lande zu fördern. Die Neue Helvetische Gesellschaft hat sich ihrer angenommen und Mitte November tagte in Bern eine zahlreich besuchte Versammlung zur «Wahrung und Förderung der schweizerischen Interessen in Industrie, Handel, Gewerbe und Landwirtschaft». Als nächstes praktisches Ziel schlugen die Initianten die Schaffung einer « Schweizer Messe >> in Form einer Schweizer. Wanderausstellung vor. Diese Messe hätte drei Hauptziele zu verfolgen: 1. Orientierung über die Produktion des Inlandsmarktes für den inländischen Konsum, wobei namentlich auch ein sich gegenseitig Besserkennenlernen von Ostschweiz und Westschweiz anzustreben wäre. 2. Förderung der Ausfuhr durch Musterausstellungen und Auskunfterteilung und 3. Orientierung über Lücken in der schweizerischen Produktion und die Möglichkeit der Schaffung neuer existenzfähiger Industrien. Dass man bisher über die theoretische Begründung von Vorschlägen und den Anfang von Projekten nicht hinausgekommen ist, wird nirgends befremden. Je gründlicher übrigens die Abklärung dieser wirtschaftlichen Neuorientierung bis zur Wiederkehr des Friedens erfolgt, um so besser wird damit dem Lande gedient sein. Es ist kein Zweifel, schrieb die «N. Z. Z. », dass sich für die schweizerische Volkswirtschaft einiges wird tun lassen, wenn man sich auch nicht etwa eine unmittelbare bedeutende Umwälzung in den bisherigen Gepflogenheiten vorstellen darf. Dass die Sache in Chauvinismus ausarte, ist bei dem Wesen unserer Bevölkerung wahrlich nicht zu befürchten. In einem Artikel «l'Expansion suisse à l'étranger » weist das «Journal de Genève » darauf hin, wie auch bei den Schweizern im Ausland der initiative Geist erwacht ist, um an dieser «expansion économique » mitzuwirken. Man darf sagen, alle Kräfte sind heute eingespannt und arbeiten auf das grosse Ziel der Neuorientierung unseres Wirtschaftslebens hin, nicht zuletzt auch die Handelskammern, die Handels- und Industrievereine, die besonders berufen sind, an der Lösung dieses schweren Problems mitzuwirken. Wenn im Zusammenhang mit diesem Streben der Handelsverträge erwähnt wird, und an ihre. Neuordnung grosse Hoffnungen geknüpft werden, so begreift sich dies leicht. Allerdings ist kaum zu erwarten, dass diese Neuordnung so rasch erfolgen werde; unsere wesentlichsten Handelsverträge laufen allerdings Ende 1917 ab, doch erscheint es heute wohl als ausgeschlossen, dass es möglich sein wird, bis dahin eventuell neue Verträge zu vereinbaren. Vorauszugehen hat die Revision des Zolltarifes, deren Vorarbeiten beim Ausbruch des Krieges eingestellt werden mussten. Die kriegführenden Staaten werden vollends in der nächsten Zeit schwerlich in der Lage sein aus zeitlichen und sachlichen Gründen sich in Unterhandlungen über die Neuordnung der handelspolitischen Beziehungen einzulassen. Auch im Nationalrat wurde der Auffassung Ausdruck gegeben, man werde die Vorbereitungsarbeiten für die Revision des Zolltarifes und der Handelsverträge zurücklegen können, zumal man ja doch nicht wisse, wie die Landkarte Europas nach dem Kriege aussehen werde. Anderer Meinung ist Dr. Laur, der in der « Schweizer. Bauernzeitung » schrieb: « Es ist nicht ausgeschlossen, dass ein Teil der handelspolitischen Beziehungen schon durch den Friedensvertrag geordnet wird. Jedenfalls ist es wahrscheinlich, dass nach dem Kriege mehr Aenderungen in den Handelsverträgen notwendig sein werden, als wenn uns diese Wirren erspart geblieben ären. Die Schweiz sollte nichts versäumen, sich möglichst gut zu rüsten und sich so bereit halten, dass sie jederzeit in der Lage ist, einzugreifen. Wir würden es bedauern, wenn wir uns durch die politischen Verhältnisse verleiten liessen, das vom Bundesrat vorgesehene Arbeitsprogramm zu unterbrechen. Es ist in solchen Dingen immer besser, zu viel als zu wenig zu tun. Sind wir bereit, so können wir die Ereignisse ruhig abwarten und uns ihnen jederzeit anpassen. » Was uns Not tut, um mit neuen Handelsverträgen auch die an sie geknüpften Erwartungen zu erfüllen, liegt für jedermann auf der Hand. Mehr als je bedürfen wir der Einigkeit und der Geschlossenheit, die aber nur zu erreichen sein werden, wenn die Interessengruppen fest entschlossen sind, sich im Dienste des Ganzen |