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sie durch Dritte, z. B. ihre Mitbürger erfahren; nur dürfen sie nicht unlautere Mittel anwenden, um es in Erfahrung zu bringen. Sie selbst und ihre Regierung sind ja aber auch dafür verantwortlich, dass sie nicht

ihrem Wissen einen neutralitätswidrigen Gebrauch machen; dadurch rechtfertigt sich die bevorzugte Stellung, die sie, im Vergleich zu allen andern Bewohnern des Staates, auch zu den Landesangehörigen selbst, geniessen. Es folgt daraus m. E., dass sie auch Mitteilungen ihrer Mitbürger im Aufenthaltsstaate an andere Privatpersonen im Heimatstaate (aber nicht auch an Landesangehörige in dritten Staaten) übermitteln dürfen, wie das während dieses Krieges oft geschehen ist, wenn die Privaten nicht unmittelbar miteinander verkehren konnten; sie sollen aber nur solche Mitteilungen zur Beförderung entgegen nehmen, deren Inhalt vom Empfangsstaate nicht beanstandet würde; dafür stehen sie gewissermassen

ihrem stillschweigend gegebenen Worte ein. Schweizerische Gesandtschaften dürfen daher Briefe unverfänglichen Inhaltes, z. B. persönliche Nachrichten, die ihnen von Mitbürgern anvertraut werden, unter dem Schutze des amtlichen Umschlages in ihren Heimatstaat schicken, auch wenn im übrigen jeder Postverkehr eingestellt ist, z. B. aus okkupiertem feindlichem Gebiete; das ist oft die einzige Verbindung, die den Angehörigen eines neutralen Staates noch bleibt, und sie ist auch während dieses Krieges oft benutzt worden. Sind die Briefe für Landesangehörige, die im gegnerischen Staate niedergelassen sind, bestimmt, so können sie von der Regierung an die Gesandtschaft des neutralen Staates im dortigen Staate weitergesandt und von dieser endlich an die Adressaten bestellt werden. Durch die respektiven

Gesandtschaften in den feindlichen Staaten können also, wenn alle andern Mittel versagen, die zerstreuten Angehörigen eines neutralen Staates wieder miteinander in Verbindung treten. Dagegen ist gewiss nichts einzuwenden, da ja der Gesandte selbst auch die Mitteilungen in sein amtliches Schreiben aufnehmen könnte. Nur dürfen, wie bemerkt, die Nachrichten selbst nicht gegen die Verbote des Empfangsstaates verstossen, selbst dann nicht, wenn der neutrale Staat das Verbot, z. B. das Handelsverbot, nicht als berechtigt anerkennen würde. Die Gesandten mögen dagegen offen protestieren, sie sollen es aber nicht heimlich umgehen.

Die diplomatischen Agenten können auch frei mit den im Empfangsstaate wohnenden Konsuln ihres Staates und, wie auch diese selbst, mit ihren Mitbürgern verkehren. Konsuln können wohl das Privileg der Unverletzlichkeit ihres auswärtigen Postverkehrs nicht beanspruchen, weil sie nicht selbst bei der Regierung akkreditiert sind; sie können es aber für ihren internen Verkehr mit ihren Mitbürgern und mit der Gesandtschaft ihres Landes; und diese Unverletzlichkeit gilt auch für die sichtbar an Konsulate und Gesandtschaften gerichteten Sendungen Privater. Die Vermittlung der Gesandtschaft gerade verbürgt die Ungefährlichkeit des Verkehrs mit dem Ausland. So

unseres Wissens im Verkehr zwischen der Schweiz und den kriegführenden Staaten auch gehalten worden. Sichere, anerkannte Regeln über all dies gibt es aber nicht.

Eine besondere Bewandtnis hat mit den telegraphischen Mitteilungen. Telegramme in offener Sprache können von den Behörden des Aufenthaltsstaates kontrolliert werden; dieser Staat wird sie

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daher auch, wenn sie ihm unzulässig scheinen, aufhalten und den diplomatischen Vertreter davon in Kenntnis setzen. Er kann aber nicht verlangen, dass die Telegramme der diplomatischen Agenten in offener Sprache abgefasst seien, da die diplomatischen Agenten befreundeter Staaten frei, d. h. unbewacht mit ihren Regierungen sollen verkehren können. Indessen ist diese Freiheit des Verkehrs, bei der Raschheit der telegraphischen Mitteilungen, nicht ohne Gefahr, namentlich wenn man annimmt, dass die Gesandtschaft eines fremden Staates ebenso frei mit ihren Konsuln und Mitbürgern im ganzen Gebiete des Aufenthaltsstaates sollte verkehren können. Man denke an die Tage der Mobilisation bei uns. Soll man gestatten, dass die Vertreter der uns umgebenden Staaten in dieser kritischen Zeit jede Stunde die bei ihnen einlaufenden militärischen Nachrichten ihrer Regierung übermitteln können ? An eine Regierung, von der man noch nicht weiss, ob sie Frieden halten wird, ob sie nicht ihr Verhalten von unserer militärischen Bereitschaft abhängig macht, und die nun vielleicht nicht einmal richtig informiert wird! Die richtige Antwort besteht wohl darin : Solange ein Verkehrsmittel, z. B. die internationale telegraphische Verbindung, aufrecht erhalten wird, können sich auch die diplomatischen Agenten seiner bedienen. Jeder Staat ist aber befugt, gewisse Beförderungsmittel überhaupt einzustellen, und dann kann der Gesandte eines fremden Staates nicht verlangen, dass sie seinen Korrespondenzen zuliebe aufrecht erhalten bleiben; wenn z. B. der internationale Telegraphendienst eingestellt wird, kann der Gesandte auch seine Telegramme nicht spedieren, sowenig wie er einen Extrazug für seinen Kurier verlangen kann, wenn der internationale Eisenbahnverkehr unterbrochen wird. Der Telegraphendienst mit dem Ausland muss aber ganz eingestellt sein, auch für die Vertreter des Staats selbst im Ausland. Verkehrt die Regierung mit ihren Vertretern im Ausland weiter, so kann sie auch den bei ihr beglaubigten Vertretern des Auslandes nicht verwehren, mit ihren Regierungen zu verkehren 1); die andern Regierungen würden ihr übrigens sofort mit Vergeltung antworten. Die Gegenseitigkeit wird die Gefahren des Verkehrs nicht immer, aber oft, wett machen. Das sind m. E. die rechtlichen Grundsätze; aber die Praxis wird in solchen Fällen die militärischen Interessen entscheiden lassen, und z. B., ohne den Verkehr zu sperren, gewisse Telegramme, ihres mutmasslichen Inhaltes oder ihrer Bestimmung wegen, tatsächlich einige Stunden zurückhalten. Die schweizerische Feldtelegraphenordnung vom 24. Februar 1913, Art. 23, schliesst vom Zeitpunkt der Mobilmachung an chiffrierte Telegramme aus, mit Aus

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-) In diesem Sinn möchte ich den von verschiedenen Schriftstellern absolut formulierten Grundsatz der Freiheit der diplomatischen Korrespondenz einschränkend präzisieren. Rivier, z. B. (Principes ... I, S. 480) sagt vom Gesandten: « Il a le droit d'expédier des dépêches télégraphiques chiffrées, en tout temps et sans restrictions >; er fügt aber bei : « Il convient de rappeler à ce sujet que le droit de conservation prime tout». Das erste ist zu absolut, das zweite zu unbestimmt. Als im Herbst 1870. die Diplomaten, die sich entschlossen hatten, in Paris zu bleiben, mit der Regierung der Nationalverteidigung in der Stadt eingeschlossen wurden, verlangte Bismarck, dass sie nur durch offene Depeschen, die nichts über die militärischen Ereignisse enthalten, mit ihren Regierungen verkehren; die Diplomaten weigerten sich, diese Bedingung anzunehmen. Odier, Les privilèges des agents diplomatiques, 1890, p. 84 ff.

nahme derjenigen, die vom Bundesrat, vom politischen oder vom Militärdepartement, oder von einer Kommandostelle der Armee ausgehen oder an sie adressiert sind. Schon von Anfang an aber wurde den Gesandtschaften gestattet, in chiffrierten Telegrammen sowohl mit ihren Konsulaten in der Schweiz als mit ihrer Regierung und mit Privatpersonen im Ausland zu verkehren. Es ist klar, dass dadurch auch militärische Informationen, die die Schweiz Interesse hätte, geheim zu halten, an die ausländischen Kabinette gelangen; aber ganz lässt sich der Verkehr zwischen den in der Schweiz akkreditierten Gesandtschaften mit dem Ausland nicht hindern, und ihn einzuschränken, etwa auf Mitteilungen zwischen Gesandtschaft und auswärtige Regierung, nützt nicht viel. Auch die uns umgebenden Staaten haben die telegraphischen Verbindungen unserer Gesandtschaften mit dem Bundesrat nie ganz unterbrochen. Die internationalen telephoni

. schen Verbindungen wurden allerdings bis jetzt ganz aufgehoben; die interurbanen wurden vom 7. August bis zum 1. September 1914 eingeschränkt.

Für jeden Verkehr der diplomatischen Agentschaften, finde er per Post, per Telegraph oder durch Kuriere statt, gilt also der Grundsatz, dass der Aufenthaltsstaat ihn seiner eigenen Sicherheit wegen zeitweise einstellen, dass er aber das Geheimnis der nicht offen beförderten Mitteilungen niemals verletzen soll. Es hätte keinen Sinn, die Unverletzlichkeit der diplomatischen Archive zu gewährleisten, wenn alles, was bei der Gesandtschaft ein- und ausgeht, kontrolliert werden könnte.

In Friedenszeiten ist es, ohne dass eine ausdrückliche Abmachung darüber bestände, ein anerkannter Grundsatz, dass auch dritte Staaten dem Verkehr einer

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