Errichtung eines eidgenössischen Versicherungsgerichtes wird den eidgenössischen Räten auf die Dezembersession zugehen. Zu einer ziemlich lebhaften Diskussion in der Presse gab die Anregung Anlass, es sei mit Rücksicht auf die derzeitige Finanzlage die Inkraftsetzung des Unfallversicherungsgesetzes um etliche Jahre hinauszuschieben. Grosse Ersparnisse, meint Prof. Steiger, der diese Anregung zuerst in die Oeffentlichkeit warf, könnten temporär auf diesem Gebiete erzielt werden; eine rasche Durchführung der Unfallversicherung sei bei dem im grossen und ganzen befriedigenden Stand des freiwilligen Krankenkassenwesens und den alle andern Länder überragenden Leistungen der schweizerischen Unfallhaftpflicht nicht dringlich. Acht Millionen Franken im Minimum als jährliche Ausgaben des Bundes für die Kranken- und Unfallversicherung seien heute eine unerträgliche Last. In der Durchführung der Krankenversicherung sollte gebremst und mit der Inkraftsetzung der Unfallversicherung wenigstens bis zum Jahre 1920 zugewartet werden. Die << Schweizerische Arbeiterzeitung » verlangte die Zurückhaltung aller Ausgaben, die nicht geradezu Staatsnotwendigkeiten seien. Und dazu könne man beim besten Willen die Kranken- und Unfallversicherung nicht rechnen. Jahrzehntelang hätten sich die schweizerischen Arbeiter unter der Herrschaft des Fabrikhaftpflichtgesetzes ganz leidlich befunden; man werde also annehmen dürfen, dass mit diesem Erlass auch noch 10 bis 15 Jahre weiter auszukommen wäre. Um so eher als sich das neue Kranken- und Unfallversicherungsgesetz immer mehr als eine technisch äusserst mangelhafte Arbeit herausstelle um keinen schär fern Ausdruck zu gebrauchen. Die Abgrenzung der versicherungspflichtigen und versicherungsfreien Arbeiterkategorien verursache, wie aus den Verhandlungen des Verwaltungsrates der Luzerner Anstalt zu ersehen sei, fast unübersteigliche Schwierigkeiten; die Einteilung der Gefahrenklassen habe bereits zu einer Beschwerde des Schweizerischen Gewerbevereins, der früher das Gesetz befürwortet hatte, an den Bundesrat geführt; aller Voraussicht nach würden für gewisse Berufszweige so z. B. für das Baugewerbe die zu entrichtenden Prämien um mehr als die Hälfte gegen früher steigen usw. Die Schwierigkeiten hätten bereits einen solchen Grad erreicht, dass sich allen Ernstes die Frage aufdränge, ob es nicht besser wäre, statt das Kranken- und Unfallversicherungsgesetz in seiner heutigen mangelhaften Gestalt um jeden Preis in Kraft zu setzen, eine Abänderung vorzunehmen, welche 1. den Kreis der zu versichernden Personen genau umschreibt; 2. den Monopolcharakter der Unfallversicherung beseitigt; 3. die Versicherung der Nichtbetriebsunfälle auf Kosten des Staates aufhebt, und 4. die Versicherung des vollen Lohnausfalles bei Unfall und Krankheit verbietet. Ob die schweizerische Arbeiterschaft im Jahre 1917 oder 1925 in den Genuss der Unfall- und Krankenversicherung gelange, sei keine Haupt- und Staatsfrage, wohl aber dass der Bund und die Industrie, welche letztere unter der Ungunst der Zeitumstände schon gerade genug zu leiden habe, während der nächsten 10 Jahre nicht mit Ausgaben belastet werden, die nicht unbedingt notwendig seien. Dass die hier am Versicherungsgesetz geübte Kritik nicht so ganz unberechtigt ist, muss leider zugestanden werden. Auch ist zuzugeben, dass die Idee einer Hinausschiebung der Inkraftsetzung des Unfall versicherungsgesetzes nicht so ganz absurd erscheint. Allein, es ist doch zu sagen, dass ein solches Vorgehen in weiten Kreisen einen schlimmen moralischen Eindruck machen müsste. Mit aller Entschiedenheit ist denn auch in der Herbstsession der Bundesversammlung vom Bundesratstische aus und von verschiedenen Rednern die Anregung bekämpft worden. Man hofft, es werde möglich sein, den Betrieb der schweizerischen Unfallversicherungsanstalt auf Anfang 1917 eröffnen zu können. Gegen das revidierte, von den eidgenössischen Räten am 23. Dezember 1914 beschlossene Militärversicherungsgesetz (Bbl. 1915, I, 45) wurde das Referendum nicht verlangt. Der Bundesrat beschloss, die Inkraftsetzung dieses Gesetzes auf den Zeitpunkt der Beendigung der Mobilmachung zu verschieben. Durch den Bundesratsbeschluss über die Bewilligungen ausnahmsweiser Organisation in Fabriken (A. S. n. F. XXXI, 330) wurden die einschlägigen Verhältnisse neu geordnet. Ein bundesrätliches Kreisschreiben vom gleichen Tage an die Kantonsregierungen (Bbl. IV, 98) erläutert die neuen Vorschriften des nähern. Durch ein Kreisschreiben des Bundesrates vom 12. Oktober d. J. (Bыl. III, 352) erhalten die Kantonsregierungen eine nähere Orientierung über die Natur der von den Kantonen selbst aufzustellenden Vollzugsbestimmungen zum revidierten Fabrikgesetz und eine Wegleitung für ihren Erlass. Es handelt sich hierbei um die Art. 29 (Gerichtsstand und Verfahren für Zivilstreitigkeiten) und 30-35 (Einigungsstellen). Den Bestrebungen zur Regelung der interkantonalen Armenpflege widmete im Ständerat der Berichterstatter der Kommission für die Geschäftsprüfung des Bundesrates für 1914 ziemlich einlässlich gehaltene Ausführungen. Er konstatierte, dass man mit dem für die Dauer des Krieges berechneten Konkordat, das die wohnörtliche Armenfürsorge brachte, den grössten Uebelständen abgeholfen habe; die Bundesunterstützung sei durchaus am Platze gewesen. Als eine Ausführung der Motion Lutz dürfe aber dieses Konkordat nicht etwa gelten, dieselbe könne einzig in einer bundesrechtlichen Lösung bestehen und müsse baldmöglich erfolgen. Besonders hervorgehoben wurde als Bestimmung, die sich bewährt habe, die über die hälftige Teilung der Kosten zwischen Wohn- und Heimatgemeinde. Sie sei namentlich geeignet, den Verdacht der Landgemeinden gegenüber städtischen Armenpflegen aus der Welt zu schaffen, dass man es mit der Unterstützung zu leicht nehme. Gerne hätte man es gesehen, betonte der Referent zum Schlusse, wenn der Bundesrat auf Grund der ihm am 3. August 1914 erteilten Generalvollmacht eine einheitliche Regelung der interkantonalen Armenfürsorge für die Dauer des Krieges angeordnet hätte. Vom Notstandsfonds für Hülfsbedürftige war bereits an anderer Stelle des Berichtes die Rede. Wir fügen hier bei, dass dieser Fonds Anfangs Dezember d. J. einen Bestand von Fr. 1.166,006. 35 erreicht hatte. Verausgabt wurde bis zu diesem Zeitpunkt eine Summe von Fr. 678,782. 75. Mit seinem Kreisschreiben vom 30. Juli d. J. (Bbl. III, 57) kündigte der Bundesrat den Kantonsregierungen an, dass er den kantonalen Behörden einen weitern Beitrag aus diesem Fonds (5 Rp. auf den Kopf der gesamten Wohnbevölkerung) zukommen lasse. Er erneute dabei die Bedingung, dass für die Unterstützung das Prinzip der wohnörtlichen Armenpflege massgebend sei, und erklärte, dass es den Kantonen freigestellt bleibe, auch niedergelassene ausländische Familien aus den Notstandsgeldern zu unterstützen. Der Nationalrat nahm. in der Junisession einstimmig die Motion Daucourt an, die den Bundesrat mit der Prüfung der Frage beauftragte, welche Massnahmen zur wirksamen Bekämpfung des Alkoholismus ergriffen werden könnten. Der Motionär bezeichnete als wirksamstes Mittel die Verteuerung des Alkohols und postulierte neben Biersteuer und Weinzoll eine intensive Bekämpfung des Schnapses. Die bisherigen monopolfreien Brennereien sollten dem Alkoholmonopol ebenfalls unterstellt, event. sollte eine Fabrikationssteuer der monopolfreien Destillerien zugunsten der Kantone eingeführt werden. Der Vertreter des Bundesrates verhehlte sich die Schwierigkeiten namentlich in Bezug auf eine Aenderung in den Vorschriften über die Verwendung des Alkoholzehntels nicht, erklärte aber die volle Sympathie der Exekutive für die Forderung wirksamerer Massnahmen gegenüber dem Alkoholismus und sicherte eine gründliche Prüfung der ganzen Frage zu. Landwirtschaftliches, Haben uns schon die ersten Wochen nach dem Kriegsausbruch so recht zum Bewusstsein gebracht, welche bedeutende Rolle der Landwirtschaft in unserm volkswirtschaftlichen Leben zukommt, so waren und sind die seitherigen Monate so ganz dazu angetan, auch dem letzten Bürger das Verständnis für ihre Auf |