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29. Mai 1915.

Aufruf

der << Schweizerischen Vereinigung für einen dauerhaften Frieden ».

Die Katastrophe, die über Europa hereingebrochen ist, und deren mittelbare und unmittelbare Wirkungen sich zur Zeit nicht annähernd übersehen lassen, stellt die Schweiz, die « Brücke Europas», vor eine Reihe wichtigster und höchster Aufgaben. Es gehört zu den edelsten Traditionen unseres Landes, von jeher die Hüterin des Gedankens der internationalen Verständigung und des internationalen Rechts gewesen zu sein.

Zur Zeit gibt es keine bedeutungsvollere Aufgabe für die Menschheit und insbesondere für unser Land als die, darauf hinzuwirken, dass in dem künftigen Friedensvertrag Garantien gegen die Wiederkehr eines solchen katastrophalen Zusammenbruchs unserer Kultur geschaffen werden.

Diese Garantien sind keine Utopie, sie sind ebenso wohl möglich und erreichbar, als sie notwendig sind, wenn die heutige Kultur Europas nicht schliesslich an sich selber zugrunde gehen soll. In allen Staaten, krieg führenden wie neutralen, verlangt das Volk jetzt schon mit allem Nachdruck, dass nach diesem Kriege ein Friede geschlossen werde, der derartige Konflikte für die Zukunft ausschliesst.

Es muss daher vor allem auf einwandfreie Weise Klarheit darüber geschaffen werden, welches das Minimum der für die Sicherung eines dauernden Friedens unbedingt notwendigen Garantien ist.

Dieses Minimum müsste sodann zu einer Forderung der gesamten Menschheit gemacht und in jedem Organ, das nicht im Solde der Rüstungsindustrie und anderer Kriegsinteressen steht, mit Nachdruck verfochten werden. Die einen dauerhaften Frieden wünschende Menschheit muss sich auf eine gemeinsame Formel einigen und diese Formel vor jedem Thron, an jedem Regierungstisch niederlegen, dann wird und muss die Hoffnung der Menschheit erfüllt werden.

Die Schweizerische «Vereinigung für einen

dauerhaften Friedensvertrag» hat bereits eine Reihe wichtiger Vorarbeiten zur Erreichung dieses ihres Endzieles abgeschlossen. Sie hat eine Konzentration der auf ähnliche Ziele gerichteten Bestrebungen in der Schweiz zu erreichen gesucht, indem sie Vertreter dieser Verbände, hervorragende Fachleute auf dem Gebiete des Völkerrechts und andere Persönlichkeiten veranlasste, zu einem Studienkomitee zusammenzutreten. Sie hat Beziehungen in andern Ländern angeknüpft, um überall eine ähnliche Konzentration der Kräfte anzuregen und auf dasselbe Ziel gerichtete Organisationen zu schaffen. Sie hat endlich eine Denkschrift herausgegeben, in der sie die Forderungen begründet, die nach ihrer Meinung im künftigen Friedensvertrag berücksichtigt werden müssen, wenn er darauf Anspruch machen will, der Menschheit und namentlich den blutenden Völkern einen Frieden zu schenken, der nicht den Keim zu neuen Ungeheuerlichkeiten enthält.

Noch aber bleibt weit mehr zu tun.

Es muss ein die Welt umspannender Zusammenschluss aller derjenigen Glieder der Menschheit geschaffen werden, die einen Frieden herbeisehnen, der diesen Namen verdient.

Es müssen durch einen Areopag von unanfechtbarer Bedeutung die Minimalforderungen rechtlicher und allgemeiner Natur studiert und aufgestellt werden, die an einen dauerhaften Friedensvertrag zu stellen sind, Forderungen, die dann als mächtige Willensäusserung der gesamten Kulturwelt zu gelten haben.

Es muss in der Schweiz nicht nur, sondern in allen neutralen und kriegführenden Staaten eine der Grösse und Wichtigkeit des zu erreichenden Zieles angemessene Aufklärungsarbeit einsetzen. Parlamentarier, Staatsmänner, Persönlichkeiten von Bedeutung müssen für die Sache eines dauerhaften Friedens, für die Sache der Menschheit gewonnen werden.

Die Aufgabe ist gross und schwer. An ihr zu verzweifeln, hiesse aber an der Zukunft des Menschengeschlechts verzweifeln.

Um sie durchzuführen, bedürfen wir der Unterstützung aller, die den Versuch, einen Völkermord wie

den gegenwärtigen zu verhindern, nicht mit einem Lächeln abzutun gedenken.

Wir gelangen daher an jedermann, an Einzelpersonen wie namentlich auch an Kollektivpersonen, Vereine und Verbände aller Art, mit der höflichen und dringenden Bitte, sich unserer Vereinigung anzuschliessen. Dies kann für Einzelpersonen durch Einzahlung irgend eines kleineren oder grösseren Beitrages geschehen. Der Beitrag kleinerer Verbände beträgt im Minimum Fr. 10.-, für grosse Verbände minimal Fr. 100.-.

Noch sei darauf hingewiesen, dass sich in Holland unter dem Namen << Anti-Oorlog Raad» (Antikriegsbund) eine analoge Vereinigung gebildet hat, deren Aufruf zum Beitritt einen so lebhaften Widerhall fand, dass sich bisher über 15,000 Einzelmitglieder und mehr als 700 Vereine dem Bund anschlossen.

Es ist anzunehmen, dass die Schweiz demselben Werk der Menschenliebe nicht weniger sympathisch gegenüberstehe.

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1. Juni 1915.

Der Bundesratsbeschluss vom 18. September 1914 betreffend

Ausfuhrverbot

erhält den Zusatz, dass neben Geldbusse oder Gefängnis (oder beiden Strafen zusammen) auch auf Konfiskation der Ware erkannt werden kann.

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14. Juni 1915.

Die vorausgegangenen

Ausfuhrverbote

werden auf eine Reihe weiterer Artikel ausgedehnt, so u. a. auf den Wein.

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19. Juni 1915.

Eine Mitteilung des schweizer. Militärdepartements betr. die

Höchstpreise für Teigwaren und Hartweizengries.

besagt:

Mit Verfügung vom 19. Juni 1915 sind die Höchstpreise der Teigwaren für den Verkauf durch die Fabrikanten auf 74 Fr. 50 für Prima, und 79 Fr. 50 für Supérieur, das heisst auf gleicher Höhe belassen worden wie bisher. Das Rohmaterial zur Herstellung von Teigwaren (Hartweizen) ist in disponibler Ware gegenwärtig sehr teuer und kaum mehr erhältlich. Um an den erwähnten Preisen festhalten zu können, musste der Hartweizen ganz erheblich unter dem Kostenpreis und unter dem Marktpreis abgegeben werden, was für den Bund eine bedeutende Einbusse zur Folge hat. Die allgemeine Lebensmittelteuerung und die Wichtigkeit, die den Teigwaren als Volksnahrung zweifellos zukommt, werden dieses Opfer rechtfertigen.

Gleichzeitig mit der Festsetzung der Höchstpreise für die Teigwaren wurde den Teigwarenfabrikanten der Wiederverkauf von Hartweizengries gestattet und auch hiefür ein Höchstpreis von 56 Fr. 25 ab Magazin des Verkäufers festgesetzt. Dieser Preis steht wesentlich unter den Ansätzen, zu welchen Hartweizengries, entsprechend dem Hartweizengries, bisher gehandelt worden ist.

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23. Juni 1915.

Durch Bundesbeschluss werden die im Bundesgesetz vom 3. April 1914 für Erfindungspatente und gewerbliche Muster und Modelle vorgesehenen

Prioritätsfristen

vorläufig bis zum Ablauf des 31. Dezember 1915 verlängert.

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25. Juni 1915.

An die schweizerischen Rindviehzüchter richtet die Vereinigung landwirtschaftlicher Verbände, Gesellschaften und Vereine für Schlachtviehlieferung an die Armee folgenden Aufruf:

<< Seit mehr als 10 Monaten wütet um unsere Landesgrenzen der furchtbare Krieg. Vor drei Wochen hat unser südliches Nachbarland ebenfalls zu den Waffen gegriffen. Ein Ende ist vorläufig nicht abzusehen. Bis vor kurzem gab die Fleischversorgung angesichts des trotz der minimen Einfuhr befriedigenden Angebotes an inländischem Schlachtvieh zu keinen ernsten Besorgnissen Anlass. Da aber die schweizerische Landwirtschaft normalerweise nur etwa 3/4 des Inlandbedarfes an Fleisch deckt und seit Ausbruch des Krieges infolge der Viehausfuhrverbote aller in den Krieg verwickelten Staaten nur wenig Schlachtvieh aus dem Auslande bezogen werden konnte, bildet auch die Frage der Fleischversorgung unseres Landes je länger je mehr den Gegenstand der Diskussion.

Die Schweiz verfügt über einen Rindviehbestand im Wert von rund 900 Millionen Franken. Dank der Leistungsfähigkeit dieses Viehbestandes ist es bis heute gelungen, Armee und Zivilbevölkerung trotz der fast vollständigen Unterbindung der Fremdvieheinfuhr rationell und sicher mit Fleisch zu versorgen.

In der Absicht, die Fleischproduktion zu vermehren und gleichzeitig dem Ueberschuss an Milch wirksam zu begegnen, hat das schweizerische Volkswirtschaftsdepartement am 8. August 1914 das Schlachtalter der Kälber auf 6 Wochen festgesetzt. Das Ziel wurde damit erreicht. Als aber im Winter infolge Fehlens von Kraftfuttermitteln die Milchproduktion eine starke Einschränkung erfuhr, gaben die eidgenössischen Behörden das Schlachtalter für Kälber wieder frei. In Rücksicht auf das bis Ende März recht befriedigende Angebot an Schlachtvieh inländischer Herkunft durfte dies ohne Bedenken geschehen.

Mit dem Zeitpunkte des knapper werdenden Ange

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