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botes an Schlachtvieh, namentlich an solchem erstklassiger Qualität, fand der Bundesrat den Zeitpunkt gekommen, auf 1. März neuerdings zu verfügen, dass keine Kälber unter fünf Wochen geschlachtet werden dürfen. Einem Zirkular des schweizerischen Volkswirtschaftsdepartementes an sämtliche Kantonsregierungen vom 26. April 1915 konnte man aber die bemühende Tatsache entnehmen, dass dieser Vorschrift sowohl von seiten der Produzenten, der Viehinspektoren, als der Metzger und Händler nicht überall nachgelebt wird. In den städtischen Schlachthäusern musste wiederholt konstatiert werden, dass die Kälber oft in einem viel jugendlicheren Alter an die Schlachtbank abgeliefert und auf diese Weise die im Interesse der Erhöhung der Fleischproduktion getroffenen Massnahmen unserer Behörden vereitelt wurden. Ja, es scheint in der letzten Zeit sogar vorgekommen zu sein, dass selbst kantonale Behörden das Ansinnen der Viehbesitzer unterstützen zu müssen glauben, man sollte das Schlachtalter der Kälber wieder frei geben. Da scheint uns denn doch entschieden der Ernst der Lage nicht erfasst worden zu sein. Bei der grossen Nachfrage nach Schlachtvieh und der dringenden Notwendigkeit, die Produktion an solchem nach Möglichkeit auszudehnen, scheint es eine Mindestforderung, unsere Bauern zu veranlassen, die Kälber bis zu dem vorgeschriebenen Minimalalter von fünf Wochen zu behalten. Angesichts der gegenwärtigen Preise wird durch die Kälbermast entschieden eine rationelle und finanziell profitable Verwertung der Milch erzielt. Warum umgeht man trotzdem die Vorschriften des Bundesrates?

Die letzten Herbst und auch dieses Frühjahr gemachten Erfahrungen haben gezeigt, dass das Verbot der Schlachtung zu junger Kälber überdies noch eine andere sehr beachtenswerte Seite hat, nämlich die, dass bei einer längern Haltung der für die Mast bestimmten Kälber die Aufzucht eine ganz wesentliche Ausdehnung erfährt, weil manches Tier infolge günstiger Entwicklung später zur Aufzucht bestimmt wird. Die Aus

dehnung der Aufzucht ist aber in Rücksicht auf die in allen Ländern steigenden Fleischpreise von fundamentaler Bedeutung.

Im Interesse der Erhöhung des Angebotes und der Verbesserung der Qualität sollten Kühe, die für die Schlachtbank bestimmt sind, vorerst einige Wochen trocken gestellt werden. Bei den gegenwärtigen Preisen für Schlachtvieh lohnt es sich sehr wohl, die Tiere mit Grünfutter in Verbindung mit neuem, gehaltreichem Heu zu mästen und nicht alles Gewicht auf die Milchproduktion zu legen.

Bei diesem Anlasse mag es am Platze sein, noch auf einen andern, in letzter Zeit schon wiederholt festgestellten Uebelstand hinzuweisen. Wir meinen das Schlachten trächtiger Kühe und Rinder. Durch das stetige Steigen der Schlachtviehpreise ist es nach den Berichten der städtischen Schlachthausdirektoren und den Schlächtereirapporten der Armee in letzter Zeit wiederholt vorgekommen, dass trächtige Rinder dem Schlachtbeil verfallen. Angesichts der ausserordentlich günstigen Aussichten für den Zucht- und Nutzviehabsatz in den kommenden Zeiten ist es im höchsten Grade verwerflich, ja strafbar, trächtige Rinder an die Schlachtbank abzugeben.

Die bei Ausbruch des europäischen Krieges geschaffenen Organisationen für die Lieferung von Schlachtvieh an die Armee und die Reglung des Käseexportes durch die Gründung der Genossenschaft schweizerischer Käseexportfirmen haben bis dahin in unserem Lande im allgemeinen eine günstige Wirkung ausgeübt. Sie haben namentlich verhütet, dass zur Zeit des grossen Angebotes eine Verschleuderung der Produkte stattgefunden hat. Heute wirken dieselben aber im gegenteiligen Sinne, indem sie das konsumierende Publikum vor spekulativen Preistreibereien schützen. Leider ist aber zu konstatieren, dass nicht alle Landwirte den Wert und die Bedeutung der Organisationen richtig einzuschätzen vermögen. Gerade hinsichtlich der genossenschaftlichen Schlachtviehlieferungen an die Armee muss man seit dem Zeitpunkte der gestiegenen

Nachfrage der Wahrnehmung machen, dass nicht alle Bauern das Genossenschafts- und Solidaritätsprinzip hoch halten. Zum Glücke sind diese Produzenten, die heute so denken, in der Minderheit. Die Mehrheit unserer Berufsgenossen ist heute davon überzeugt, dass auch dem Landwirte in dieser ernsten Zeit gegenüber der Allgemeinheit Pflichten erwachsen, deren er sich nicht entziehen will. Auf alle Fälle soll man auch von den Viehbesitzern verlangen dürfen, dass sie die im Interesse des ganzen Landes durch unsere obersten Landesbehörden getroffenen Massnahmen genau befolgen.

Unsere drei schweizerischen Rindviehrassen eignen sich ihrem Zuchtziel auf mehrseitige Leistung wegen in ganz hervorragender Weise auch zu Mastzwecken. Ohne an dem bisherigen bewährten Zuchtziel irgendwie rütteln zu wollen, dürfte es doch für die nächste Zukunft am Platze sein, der Aufzucht schwerer Tiere besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Schwere, gutwüchsige Tiere können auch viel Milch geben, leisten aber im Zuge (beim nicht zu vermeidenden Pferdemangel besonders wichtig) mehr und ergeben auch einen viel höheren Schlachterlös als leichte Tiere. Wenn in unserem Lande am Platze der einseitigen Milchwirtschaft die Rindviehmast eine entsprechende Ausdehnung erfährt, so kann dies nur begrüsst werden. An einer rentablen Gestaltung des Mastviehabsatzes dürfte für die Zukunft nicht zu zweifeln sein.»>

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28. Juni 1915.

Das Schweizerische Volkswirtschafts - Departement richtet an die Kantonsregierungen folgendes

Kreisschreiben.

In wenigen Wochen jährt sich der Ausbruch des europäischen Krieges und noch ist kein Ende abzusehen. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten dürften sich in der kommenden Zeit eher noch vergrössern als vermindern. Wir müssen uns daher rüsten, um ihnen ge

wachsen zu sein. Vor allem gilt es, die Hilfsquellen des Landes tunlichst heranzuziehen und mit ihnen wie mit dem, was uns das Ausland zur Verfügung stellt, möglichst haushälterisch umzugehen.

Wir möchten im nachfolgenden nach den Erfahrungen der abgelaufenen Periode auf einzelne Punkte in der Versorgung unseres Landes aufmerksam machen und auf Massregeln hinweisen, die mit Unterstützung der kantonalen und Gemeindebehörden und der öffentlichen Meinung durchgeführt werden sollen.

I.

Letztes Jahr entstanden durch den Mangel an Petroleum, der zufolge Unterbrechung der Zufuhr eintrat, grosse Verlegenheiten und Schädigungen. Es erscheint als fraglich, ob dies Jahr, zumal da nun alle vier Nachbarländer im Kriege stehen, auf eine genügende Einfuhr gerechnet werden kann, und es dürfte daher klug sein, rechtzeitig vorzusorgen.

Wo immer es möglich ist, sollte das Petroleum durch andere Hilfsmittel ersetzt werden, um die vorhandenen und noch einzuführenden Mengen für die Verbraucher zu reservieren, bei denen ein Ersatz ausgeschlossen ist. Die Verhältnisse des letzten Winters haben bereits dazu geführt, vielfach Petroleumlicht durch elektrisches und Petroleumfeuerung durch Gasfeuerung zu ersetzen. Diese Entwicklung sollte für die gewerbliche Betätigung wie für den Haushalt weiter eifrig gefördert werden. Fast überall sind die Gas- und Elektrizitätswerke in die Hand der Gemeindewesen übergegangen oder sie stehen doch unter deren Einfluss. Aber auch, wo noch reine private Organisationen vorhanden sind, wird es leicht sein, diese für Massregeln zu gewinnen, die den Absatz von elektrischer Energie und Gas zu fördern geeignet sind. Die Bestrebungen müssen dahin gehen, den Anschluss noch nicht versorgter Gemeinden durchzuführen und den Kreis der Abonnenten auch in den ökonomisch schwächern Bevölkerungsschichten zu erweitern. Dabei scheint es gegeben, für die Beleuchtung dem elektrischen Lichte, das aus unsern Wasserläufen genommen werden

kann, den Vorzug zu geben und anderseits Gas namentlich zu Kochzwecken als Ersatz der Petroleumfeuerung anzubieten.

Es wird Sache der lokalen Behörden und der einzelnen Elektrizitäts- und Gaswerke sein, zu beurteilen, mit welchen Mitteln in ihrem Gebiete der bezeichnete Zweck am besten erreicht werden kann. Wir nennen bloss beispielsweise als Förderungsmittel eine rationelle Preispolitik, die billige Erstellung von Anschlüssen an die Gas- und Elektrizitätsversorgung, sowie das Vermieten von Gasherden und von kleinen Motoren und endlich die Stundung der Zahlungen. Sehr begrüssenswert wäre speziell auch für die wirtschaftlich schwächere Bevölkerung, wenn die Installationen von den Werken auf eigene Rechnung durchgeführt und den Hauseigentümern oder Mietern Gelegenheit gegeben würde, die Kosten durch einen bescheidenen Zuschlag zum Preise der Elektrizität oder des Gases nach und nach abzubezahlen. Bei allen diesen Massregeln dürften unseres Erachtens die Abgeber von elektrischem Strom und von Gas weites Entgegenkommen zeigen, da sie für alle Zukunft neue Kunden gewinnen. In städtischen Verhältnissen sollte danach gestrebt werden, eine möglichst lückenlose Verwendung von Gas und Elektrizität durchzuführen und den Gebrauch des Petroleums tunlichst auszuschalten. Nach Aufschlüssen, die wir erhalten haben, ist eine dieser Bestrebungen fördernde Preispolitik der Elektrizitäts- und Gaswerke durchführbar.

Die Volkswirtschaft der Schweiz würde durch eine möglichst verbreitete Verwendung des elektrischen Stromes unabhängiger und die einzelnen Interessenten wären von der Sorge befreit, die ihnen aus dem Mangel an Petroleum erwachsen könnte. Nach der gegenwärtigen Lage zu urteilen, darf angenommen werden, dass die Gaswerke mit Kohlen in befriedigender Weise versorgt sind und dass sie weitere Bezüge machen können.

Wir möchten besonders ein Wort für die ländlichen Gemeinden einlegen, die bis jetzt noch keinen Anschluss an ein Verteilungsnetz elektrischer Energie erlangt haben. Gerade für sie sind die Kantone am ehe

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