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1. Juli 1915.

Unter dem Titel «Schutz den Nahrungsmitteln!» erscheint folgender

Aufruf:

In der Schweiz werden jährlich 3 Millionen Hektë liter Bier getrunken. Um diese Menge herzustellen sind wenigstens 70 Millionen Kilo Gerste nötig, die zu Malz verarbeitet werden. Da die schweizerischen Brauereien Schwierigkeiten in der Malzbeschaffung hatten, haben sie seit einigen Monaten auch Reis zum Brauen verwendet (10-20 %).

Gerste und Reis gehören zu den wichtigsten Nahrungsmitteln, da sie viel Nährwert haben und dabei billig sind. Es ist noch zu wenig bekannt, wie vielseitige Verwendung die Gerste im Haushalt finden kann, als Suppe, Grütze, Brei, Gemüse, Pudding usw.; man denkt auch kaum daran, dass vermahlene Gerste, mit dem gewöhnlichen Mehl vermischt, ein schmackhaftes Brot liefert. Wenn die jetzt in den Brauereien verbrauchte Gerste als Zusatz zum Brotmehl Verwendung fände, so könnte das Brot wesentlich billiger werden.

Gerste und Reis, die zur Herstellung von Bier verwendet werden, verlieren mehr als zwei Drittel ihrer Nährstoffe. Im Verhältnis zu seinem geringen Nährwert ist das Bier teuer, es kann also durchaus nicht als << flüssiges Brot» gelten. Wer Gerste und Reis in Form von Bier zu sich nimmt, handelt genau wie Einer, der von einem dreipfündigen Laib Brot von vorneherein zwei Pfund zum Fenster hinaus wirft.

Heisst das in diesen teuren Zeiten vernünftig han

deln?

Die Lebensmittelteuerung nimmt von Tag zu Tag zu, und sie kann sich noch verschärfen, wenn die nächste Ernte ungenügend ausfällt, oder wenn die Schwierigkeiten in der Lebensmitteleinfuhr zunehmen.

Unter diesen Umständen kommt es einer unverantwortlichen Vergeudung gleich, wenn in den Brauereien einheimische oder eingeführte Gerste oder Reis

verbraucht wird. Diese Lebensmittel sollten der direkten Ernährung ihrem vollen Werte nach erhalten bleiben.

Man sollte sich darauf beschränken, zur Herstellung von Bier nur eingeführtes Malz zu verwenden. Die Beschaffung ist vielleicht schwierig, das Bier wird möglicherweise aufschlagen, aber das sind untergeordnete Dinge, wenn es gilt, dem Schweizervolk genügende Nahrung zu erschwinglichen Preisen zu verschaffen.

Zahlreiche Mitglieder der Bundesversammlung, hervorragende Vertreter der Wissenschaft, der Landwirtschaft und der Nationalökonomie haben dem Bundesrat eine Eingabe eingereicht, er möge während der Dauer des Krieges nur die ausschliessliche Verwendung von eingeführtem Malz zu Brauzwecken gestatten.

Wenn der Bundesrat diesem Gesuch entsprechen sollte, so wird das Schweizervolk sich diesem Beschluss willig fügen, selbst wenn dadurch die Interessen Einzelner zu leiden haben, und wenn die Zahl der üblichen Abendschoppen eingeschränkt werden müsste.

Jenseits unserer Landesgrenzen opfern die Bürger der krieg führenden Länder Gut und Blut für ihr Vaterland, und wir sollten nicht ein Glas Bier weniger trinken, um dazu beizutragen, dass unserm Volk die nötigen Nahrungsmittel ungeschmälert erhalten bleiben? Schweizerischer Ausschuss zur Erhaltung wichtiger Nahrungsmittel.

*

An das schweizerische Reisepublikum

richtet das Zentralbureau des Schweizer. HotelierVereins folgenden Aufruf:

<< Mit dem 1. August des letzten Jahres ist der grosse Weltkrieg ausgebrochen und hat mit seiner Riesenfaust in die Speichen des internationalen Reiseverkehrs gegriffen, so dass urplötzlich das ganze blühende Getriebe stillestand. Unsere schweizerischen Hotels verloren Knall und Fall ihre Gäste und seither konnte trotz aller gutgemeinten Bestrebungen ein belebender Zug im Fremdenverkehr nicht mehr auf

kommen, wenn sich auch die Hoteliers alle Mühe gaben. ihre internationale Klientèle auf die Ruhe, den Frieden unseres schönen Landes aufmerksam zu machen, das heute wie eine stille Insel inmitten des tobenden Völkersturmes daliegt. Das geschäftliche Ergebnis der Wintersaison fiel überaus dürftig aus und auch der kommende Sommer wird kaum glänzendere Erfolge zeitigen, weshalb sich die Lage der Hotelindustrie völlig trostlos gestaltet.

Dennoch sind die schweizerischen Hoteliers nicht gesonnen, die Flinte ins Korn zu werfen; getreu der ausgegebenen Losung: Durchhalten, so gut es eben gehen will, werden sie zur grossen Mehrheit ihre Häuser öffnen; sagen sie sich doch, dass dieser starke Baum des Fremdenverkehrs, an dessen Gedeihen sozusagen alle andern wirtschaftlichen Faktoren mitinteressiert sind, nicht durch die Kriegsstürme entwurzelt werden darf. Der Fremdenverkehr, die Hotelindustrie müssen diese Krise überdauern, damit nach Abschluss des Krieges zum Nutzen des ganzen Volkes auf den bestehenden Grundlagen weitergebaut werden kann. Denn der Reiseverkehr ist vielleicht der einzige Erwerbszweig des Landes, in dem uns fremde Konkurrenz und Kapitalkraft die Führung niemals zu entreissen vermag, solange sich schweizerische Tatkraft zu der blendenden Schönheit unserer Berge und Gletscher gesellt. Allerdings schläft die fremde Konkurrenz nicht! In Deutschland-Oesterreich sowohl, wie in den Ländern des Vierverbandes liest man in der Tagespresse die regelmässige Mahnung, in dieser Kriegszeit die Erholungsreisen aufs Inland zu beschränken, aus Gründen der Nationalwohlfahrt kein Geld ins Ausland zu tragen.

Dadurch wird selbstredend unsere bisherige Klientèle zu unseren Ungunsten beeinflusst, und wenn auch nicht anzunehmen ist, dass deshalb der fremde Zuzug gänzlich ausbleiben wird, so muss die schweizerische Hotelerie immerhin mit einem starken Ausfall rechnen. Ihre einzige Hoffnung gründet sich daher jetzt in der Hauptsache nur noch auf den schweizerischen Besuch. Von ihm und seiner Intensität hängt es zum wesentlichen ab, ob die Notlage der Hotelindustrie

sich in etwas beheben, oder noch mehr verschärfen soll. So wird es denn auch jedermann begreiflich finden, wenn wir hier den Weckruf an die schweizerische Reisewelt ergehen lassen, ihren diesjährigen Ferienaufenthalt im eigenen Lande zu verbringen und so an der Festigung eines unserer wichtigsten Wirtschaftsfaktoren, der Hotelerie, mitzuwirken. Wer sonst seine Badekur ins Ausland verlegte, wird ohne Zweifel unter den schweizerischen Heilquellen vollgültigen Ersatz finden, und wer zum Vergnügen reist, dem stehen in unserem Lande genug der herrlichen Gegenden, heimelige Sommerfrischen und Kurorte zur Verfügung, die seinen Erwartungen entsprechen. Vor allem aber ist darauf hinzuweisen, dass jeder Franken, der im Ausland verbraucht wird, unsere Volkswirtschaft um eben so viel schädigt und darum sollte zur jetzigen Kriegszeit kein Fünfer über die Grenze wandern, für den im Lande eben so gute Verwendung wäre.

Nun gibt es zwar in unserem Lande sicherlich manche ängstliche Seele, die sich aus Rücksicht auf Nachbarn, Hausgenossen, Verwandte und Freunde davon wird abhalten lassen, in diesem Sommer in die Ferien zu gehen, weil es sich angeblich schickt, in diesen Zeiten jede Luxusausgabe zu vermeiden. Ist aber ein Ferienaufenthalt wirklich eine Luxusausgabe? Wir glauben es nicht, denn was für Gesundheits- und Körperpflege ausgegeben wird, lässt sich durch vermehrte Arbeitslust und -Fähigkeit immer wieder einbringen. Auch sind die Verhältnisse für weite Kreise unserer begüterten Klassen denn doch noch nicht so trostlos, dass sie sich jegliches Vergnügen verbieten müssen, jenen ängstlichen Gemütern möchten wir daher nahelegen, gerade in diesem Sommer auf ihren gewohnten Kuraufenthalt nicht zu verzichten, zumal die Summen, die sie dafür aufwenden, einem ganzen Heer von Angestellten Arbeit und Brot verschaffen, also indirekt der gesamten Volkswirtschaft zugute kommen. Wenn man sich sodann vor Augen hält, dass fast alle übrigen Erwerbskreise am Fortbestand der Hotelindustrie interessiert sind, so erscheint es sozusagen als nationale Pflicht des reisebedürftigen schweizeri

schen Reisepublikums, auch dieses Jahr in die Ferien zu gehen, und dabei vor allem die Kurorte und Sommerfrischen der Schweiz zu bevorzugen!»

*

2. Juli 1915.

Der Bundesrat erlässt folgende

Verordnung

über die Beschimpfung fremder Völker, Staatsoberhäupter oder Regierungen:

Art. 1. Wer öffentlich in Wort oder Schrift, in Bild oder Darstellung ein fremdes Volk, dessen Staatsoberhaupt, oder dessen Regierung in der öffentlichen Meinung herabwürdigt oder dem Hasse oder der Missachtung preisgibt;

wer eine nicht öffentliche Aeusserung dieses Inhalts in beleidigender Absicht öffentlich macht;

wird mit Gefängnis bis zu sechs Monaten oder mit Busse bis zu 5000 Franken bestraft. Beide Strafen können verbunden werden.

Art. 2. Wer Drucksachen, Bilder oder andere Darstellungen, die solche Beschimpfungen gegenüber einem fremden Volke, dessen Staatsoberhaupt oder dessen Regierung enthalten, ausstellt, in Verkehr bringt oder feilhält, wird mit Gefängnis bis zu drei Monaten oder mit Geldbusse bis zu 1000 Franken bestraft. Beide Strafen können verbunden werden.

Art. 3. Auf diese Vergehen finden die allgemeinen Bestimmungen des Bundesstrafrechtes vom 4. Februar 1853, und wenn die Widerhandlung mittels der Druckerpresse oder auf ähnliche Weise verübt worden ist. die Artikel 69 bis 71 dieses Gesetzes Anwendung.

Art. 4. Die Strafverfolgung findet nur auf Beschluss des Bundesrates statt.

Die Beurteilung erfolgt durch das Bundestrafgericht.

Art. 5. Die Bundesanwaltschaft wird, in Verbindung mit der gerichtlichen Polizei und nach den Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Bundesstrafrechts

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