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Art. 3. In bezug auf die Anwendung des Bundesratsbeschlusses vom 30. September 1914 betreffend Verwarnung und Suspendierung inländischer Pressorgane wegen besonders schwerer Ausschreitungen, durch welche die guten Beziehungen der Schweiz zu anderen Staaten gefährdet werden oder die mit der neutralen Stellung der Schweiz nicht vereinbar sind, hat die eidgenössische Presskontrollkommission keine Entscheidungsbefugnis, sondern nur die Aufgabe, dem Bundesrat von Fall zu Fall Antrag zu stellen.

Art. 4. In allen anderen Fällen trifft die eidgenössische Presskontrollkommission selbständig und endgültig ihre Verfügungen. Sie ist befugt, zu verbieten, dass Drucksachen, durch welche die guten Beziehungen der Schweiz zu anderen Staaten gefährdet werden oder die mit der neutralen Stellung der Schweiz unvereinbar sind, oder die unter die Verordnung vom 2. Juli 1915 betreffend Beschimpfung fremder Völker, Staatsoberhäupter oder Regierungen fallen, eingeführt, in unverschlossenen Postsendungen befördert, ausgestellt oder vertrieben werden. Auch kann sie die betreffenden Drucksachen und die zu deren Herstellung speziell bestimmten Werkzeuge einziehen lassen.

Art. 5. Widerhandlungen gegen die Anordnungen der eidgenössischen Presskontrollkommission oder gegen polizeiliche Verfügungen, die gestützt auf jene erlassen wurden, werden nach Artikel 6 der Verordnung vom 6. August 1914 betreffend Strafbestimmungen für den Kriegszustand bestraft und nach Art. 7 der gleichen Verordnung verfolgt und beurteilt.

Art. 6. Dieser Bundesratsbeschluss tritt am 31. Juli 1915 in Kraft.

Der Bundesrat wird den Zeitpunkt bestimmen, in dem er ausser Kraft tritt.

Während der Geltungsdauer des Bundesratsbeschlusses sind alle ihm widersprechenden Bestimmungen der Bundesgesetzgebung aufgehoben.

Als Mitglieder der eidgen. Presskontrollkommission werden ernannt:

Prof. Dr. Eugen Huber, Bern (Präsident); Nationalrat Max de Diesbach, Fribourg; Prof. Dr. Röthlis

berger, Bern; Prof. Paul Rochat, Präsident des Vereins der schweizer. Presse, Lausanne; Dr. August Welti, Redaktor der «N. Z. Z. », Bern.

*

Der evang. reformierte Synodalrat des Kantons Bern erlässt an die Kirchgemeinderäte und Pfarrämter folgendes

Schreiben betr. die Feier des 1. August:

Am 1. August werden wir zum 25. Male die Erinnerungsfeier an die Gründung der Eidgenossenschaft begehen. Den Aeltern unter uns bleibt noch unauslöschlich im Gedächtnis jener 1. August des Jahres 1891, als die grosse vaterländische Bundesfeier in Schwyz und die Gottesdienste und die Höhenfeuer auf den Bergen im ganzen Lande herum Zeugnis ablegten von unserer Freude, ein freies Volk zu sein, und die Kirchenglocken zur Dankbarkeit aufforderten gegen Gott, der unser kleines Land inmitten mächtiger Staaten so gnädig behütet und ihm seine Unabhängigkeit gewahrt hat sechs Jahrhunderte hindurch.

Seither wurde Jahr für Jahr der Gründungstag der Eidgenossenschaft begangen; aber mit Bedauern haben wir wahrgenommen, wie diese Feier vielfach ausartete, rohe Auswüchse zeitigte und da und dort nur noch als ein Schauspiel für die Belustigung der Fremden betrachtet wurde, eine Entwürdigung, die jedem ernsten Bürger weh tat und unserm Lande keine Ehre einbrachte.

Da kam voriges Jahr ein neuer 1. August und redete eine ernstere Sprache; ein ganz anderer Geist schwebte plötzlich über unserm Lande. Das war der Tag, da unsere oberste Landesbehörde die wehrfähige Mannschaft des ganzen Volkes unter die Waffen rief und wir mit banger Sorge in die dunkle Zukunft hinausschauten. Der Lärm war verstummt, zum Anzünden der Feuer auf den Bergen war die Stimmung zu trüb, und die Kirchenglocken erklangen wie Sturmgeläute. Das war der 1. August 1914, und wer ihn erlebt, der wird ihn nie vergessen.

Nun ist die Wiederkehr dieses Tages schon nahe gerückt. Was damals keiner gedacht, ist Tatsache geworden. Der Krieg geht bald ins zweite Jahr; er wütet heftiger als je, und nirgends zeigt sich die Zuversicht auf Frieden. Für unser Land ist die erste Gefahr vorüber; dafür ist es erst recht von allen Seiten von kriegführenden Nationen umringt, und niemand weiss, was das zweite Jahr uns alles bringen wird. So ist auch dieses Jahr die Stimmung unseres Volkes im Blick auf den 1. August eine ernste und ruft geradezu nach religiöser Durchdringung. Darum möchten wir, da dieser Gedenktag auf einen Sonntag fällt, den Kirchgemeinderäten und Pfarrämtern angelegentlich empfehlen, der bevorstehenden Feier ihre besondere Aufmerksamkeit zu schenken, sie aus den andern Tagen herauszuheben und ihr ein besonderes Gepräge zu verleihen. Genauere Vorschriften über ihre Durchführung wollen wir nicht geben, die Verhältnisse in den Gemeinden sind gar verschieden. Wo es möglich ist, möge man die Jugend und die Gesangvereine beiziehen. An manchen Orten kann man die Feier im Freien abhalten oder auf den Abend verlegen. Die letztes Jahr für den Bettag herausgegebenen Gebete können mit beliebigen Aenderungen auch hier benutzt werden. Jedenfalls wird man gut tun, die Durchführung schon jetzt an die Hand zu nehmen, damit etwas Rechtes zustande komme. Ausserordentliche Zeiten bedingen ausserordentliche Massregeln. Auch der Kirche erwachsen neue und dankbare Aufgaben. In diesen Tagen soll es besonders deutlich zum Bewusstsein kommen, dass die Landeskirche an des Landes Geschick in Wohl und Wehe Anteil nimmt und die Vaterlandsliebe uns eine religiöse Pflicht ist. Kirche und Volk können nicht auseinander gehen; sie gehören zusammen. Nicht umsonst heisst es im Schweizerpsalm:

Unsere fromme Seele ahnt

Gott im hehren Vaterland. >>

*

30. Juli 1915.

Aus Anlass der Beendigung des zweiten

Verwundetenaustausches hat der deutsche Reichskanzler an Bundespräsident Motta fol

gendes gesandt:

Danktelegramm

<< Nachdem der zweite Austausch deutscher und französischer Kriegsgefangener in so glücklicher Weise beendet worden ist, ist es mir ein tief empfundenes Bedürfnis, Ihnen, hochverehrter Herr Bundespräsident, für die erneute Betätigung der menschenfreundlichen Gesinnung und der altbewährten Gastlichkeit der Schweiz gegenüber den heimkehrenden Deutschen den wärmsten Dank des deutschen Volkes auszusprechen. Die deutsche Nation wird die Liebesdienste nie vergessen, die die Schweiz ihren verwundeten Kriegern in so hochherziger Weise erwiesen hat. Ich werde besonders erkenntlich sein, wenn Sie die Güte haben wollen, diesen Dank allen beteiligten Militär- und Zivilbehörden, insonderheit auch dem schweiz. und dem internationalen Roten Kreuz, die bei der Aufnahme und der Beförderung unserer Heeresangehörigen sɔ aufopferungsvoll mitgewirkt haben, freundlichst zu übermitteln.

Ein

gez. von Bethmann Hollweg. »

*.

1. August 1915.

Aufruf

für unsere Soldaten lautet:

Ein Jahr ist seit dem Ausbruch des Völkerkrieges verflossen. Am 1. August 1914 erging im Schweizerland der Befehl, der die Wehrmänner zum Schutz unserer Freiheit und Unabhängigkeit an die Grenzen rief. Von dem Unheil und Elend, das die kriegführenden Völker heimsucht, blieb unser Volk bis heute gnädig verschont; Blutopfer blieben uns erspart. Doch keiner weiss, was in der nächsten Zukunft bevorsteht. So, wie die Sicherheit des Landes von dem Schutze der Waffen abhängt, so ruht hinwiederum die Stärke und Festigkeit des Heeres auf dem Vertrauen und dem

Rückhalt, den ihr das ganze Volk gewährt. Dankbar ist der Soldat, für den keine Familie sorgt, wenn er nach mühsamem Marsch sich im Quartier die Wohltat frischer Wäsche gönnen darf. Dankbar ist er, wenn er im abgelegenen Grenzdorf saubere Räume findet, wo er ungestört schreiben und packen kann; dankbar ist er für Speise und Trank, die ihm um bescheidenen Preis in einer heimeligen Soldatenstube oder in einer wohnlichen Soldatenhütte geboten werden, und dankbar greift mancher Soldat in der freien Zeit nach einem guten Buch, das ihm Unterhaltung und Belehrung verschafft.

Eine Reihe gemeinnütziger Verbände hat es sich seit Monaten zur Aufgabe gemacht, im Einverständnis mit der Armeeleitung dem Wohl der Soldaten zu dienen. Um durch planmässige Leitung und Arbeitsteilung Zeit und Kräfte zu sparen, sind sie neuerdings in engere Verbindung untereinander und mit dem Armeestab getreten; mit vereinten Kräften suchen sie sich gegenseitig in die Hand zu arbeiten.

Die Kriegswäschereien in Bern und Lausanne besorgen das Waschen und Flicken der Leibwäsche derjenigen Soldaten, die nicht in der Lage sind, diese Arbeiten durch Angehörige besorgen zu lassen. Stark beschädigte Wäschestücke werden dabei, soweit möglich, gratis durch neue ersetzt. Die « Militärkommission der christlichen Vereine junger Männer der deutschen Schweiz » und die « Commission militaire romande des Unions chrétiennes des jeunes gens et des Sociétés de la Croix-Bleue » errichten Leseund Schreibstuben, die sie mit Schreib- und Packmaterial ausstatten. Diese letztere Kommission befasst sich ausserdem mit der Gründung von Temperenzwirtschaften, sowie dem Bau und Betrieb zerlegbarer Soldatenhütten (maisons du soldat). Der Verband << Soldaten wohl» verfolgt die Aufgabe, Soldatenstuben mit alkoholfreier Verpflegung einzurichten und zu bewirtschaften. Fast 100 Soldatenstuben sind gegenwärtig in Betrieb. Die vom Armeestab geleitete << Soldaten - Bibliothek», deren Gründung den reichen Zuwendungen schweize

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