Page images
PDF
EPUB

verdienstvolle Karl Wietet, der alles in feiner Bibliothéque britannique gesammelt hatte, was Englands Dekonomen Großes und Gutes für den Landbau geleistet hatten, schien über die Wirkungen der Hofwyler landwirthschaftlichen Versuche alles Andere vergessen zu haben.

So wie einst in den guten alten Zeiten des Friedens, durchwanderten jest wieder zahlrei= che Reisende aus den verschiedensten Gegenden Europens (die reichspendenden Britten allein ausgenommen) die seit zeben Jahren wenig be= suchte Schweiz. Ausser den vielbeschriebenen, viel besungenen, viel gezeichneten Naturschönheiten Helvetiens zogen vorzüglich der schauerliche Bergsturz im Geldauer Thai, Pe= stalozzis Anstalten zu Iverdon und Fellenbergs Landwirthschaft zu Hofwyl, die meisten der Wallfahrer, von welchen die merkwürdigsten aus hohen Fürstenhäusern Süddeutschlands was ren, an. Mit Vergnügen bemerkte man auch das Streben der bessern Köpfe unter den Schweizern zur Vereinigung der Gemüther, zum grossen Zusammenwirken, zu einer moralischen Einheit der Kräfte, während das nun eingeführte Föderativ-System die einzelnen Völkerschaften der helvetischen Lande politisch schied. Daher

1

[ocr errors]

bildeten sich wieder aus Männern aller Kantone die Zusammenkünfte der helvetischen Gefellschaft daher entstand ein Verein der Künstler und Kunstliebhaber der gesammten Eidgenossenschaft in der Bildung der Kunstlergesellschaft, welche sich gleich der helve= tischen in der Stadt Zofingen von jeßt an verfammelte. Eben so vereinigten sich die Freunde der Tonkunft zu Luzern in eine musikalische Gesellschaft, und am 25. Weinmonde 1808 traten aus den verschiedensten Kantonen Pädagogen und Beförderer des öffentlichen Unterrichts zu einer besondern Gesellschaft in Lenzburg zysammen und wählten sich den vielberühmten P e ft a= lozzi zu ihrem ersten Vorsteher.

Wenn die Verbesserung des Volksunterrichts, die Erhebung des Landbaues und die Stiftung solcher gesellschaftlichen Verbindungen erfreuliche Erscheinungen in der Schweiz sind, und den immer regern und ausgebreitetern Sinn für alles Grosse und Gute, unter den Gebildeten im Volke aussprechen, so wurden diese Hülfsmittel zu Beförderung der Humanität um fo dringender, weil Aberglaube und Religionsschwärmeren bei der katholischen sowohl als bei der protestantischen Volksmasse ihr gefährliches Spiel zu treiben begann, und der Verbreitung

gründlicher Kenntnisse und einer liberalen Dentart bey dem gemeinen Manne, entgegen arbeitete. Ein neues Orakel, das sich das Ansehen eines Dolmetschers der göttlichen Rathschlüsse und das Amt eines Provheten gab, erschien in der Person des großherzoglich badenschen Hof= raths Jung eines sehr geschickten Augenarztes, dessen religiöse Volksschriften ihren moralischen Werth aber darinn offenbarten, daß sie den Kopf unwissender, zur Schwärmeren geneigter Leute noch mehr verwirren, indem ihr Ver fasser politische wie Naturereignisse als Zeichen der Zeit erklärte, und damit nichts Geringeres als die Ankunft des jüngsten Ta• ges deducirte. Den Termin seiner Prophezeibung feste er auf das Jahr 1836 hinaus, wo am Himmel ein Komet erscheinen soll, der die erste Auferstehung der Todten unzweifelhaft mache. Beim Póbel, welcher ausser feinen aberglaubensvollen Kalendern, nichts von astronomischen Berechnungen kennt und weiß erhielt die Juugische Prophezeihung von der Erscheinung dieses Kometen und seiner Folgen besonders Ansehen, und richtete in manchem Kopfe viel Unheil an. Was Jung ben den Reformirten war wurde ein gewisser Fruoes sus Unterwalden Pfarrer zu ** im Kan

ton Ury und Peier Kaplan zu Kersiten bey den Katholiken. Der erste von diesen beyden Thaumaturgen heilte Kranke und Schwache, ohne ihnen andere Arzneyen als den Glauben zu empfehlen, und sie wurden gesund und priesen seinen Namen. Wallfahrten zu diesen Heiligen unternahmen besonders Bauersleute mit allerlen körperlichen Gebrechen behaftet, um durch ein wohlfeiles Wunder, durch ihn gewirkt, Geld und Zeit und die Langwierigkeit einer grossen › Kur zu ersparen. Aus den gesammelten Zeugnissen ergab sich aber, daß kranke Personen, vorzüglich von Lähmungen und Gliedersucht be= fallene, auf einige Tage zu Leibeshewegungen gebracht wurden, die ihnen vorher unglaublich vorkamen, aber nach wenigen Tagen in die vorige Schwäche zurückfielen. Ihre Heilung war das Werk einer außerordentlich aufgeregten Phantante, einer unnatürlichen Anstrengung und gewaltigen, gleichsam fieberhaften Gemüthsbewegung Kraft des Glaubens. Das Zurückünken aus diesem erzwungenen Zustande hieß natürlich und begreiflich Abfall von Glauben. In diesem eingebildeten Wundergarten zu lustwandeln gefiel es auch dem zweiten Wundertbåter Peier, einem Manne von geringen Geistesgaben und sehr beschränkten Kennt=

[ocr errors]

Kenntnissen, der aber seine Fantasie mit Visionen, Profezeihungen, apokalyptischen Zeichen und Mirakeln erhiste, sich jest wie ein Missionår kleidete, seltsame Vorträge von der Kanzel hielte, und überhaupt den Sonderling spielte. Schaarenweise eilten nicht nur Katholiken, sondern selbst viele reformirte Berner und Zürcher nach Kirüten, um sich von ihm von den verschiedenartigsten Verbrechen mit dem Namen Jesu heilen zu lassen. Dieses Hinstrdmen zu den beyden Schwärmern dauerte jedoch nicht. gar lange, weil die höchßte geistliche Behörde zu Konstanz diesen Unfug durch scharfe Verbote an ite untersagte und solchem dadurch ein Ende machte.

Auf seiner einträglichen und für ihn zum gleich noch sehr wohlfeilen Reise durch Europa sprach der durch seine Kranioscopie berühmte Doktor Gall mit seinem Gebülfen Spur zheim in den Monaten September und Oktober 1807 zu Zürich, Bern und Basel ein, wo sich für seine Vorlesungen in kurzer Zeit ein erwünschtes Auditorium zusammen fand. In der Lestern Stadt fand er aber in dem jungen_ta= lentvollen und geschäßten Professor Melchior Huber einen eben so sachkundigen als entschie➡ denen Antagonisten, der durch seine öffentlich

« PreviousContinue »