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bieg, in diesem leßten Kriege, nicht geschehn ist, davon. liegt nicht der Grund, in der mindern Heftigkeit und Krafs tigkeit des Kampfes, sondern in der größern Mildigkeit und Mäßigung der Sieger. Frankreich würde nicht mehr das französische Reich seyn, wenn die verbündeten Monars chen für gut befunden hätten, es aus der Reihe der euros päischen Staaten auszuftreichen.

Was aber den neuen Kampf, über jenen alten weit hinaus sest, ist die Erhabenheit und Wichtigkeit des Zwecks und das Entscheidende und Weitgreifende der Wirkungen. Der Kampf Roms mit Carthago war ein Kampf der Ehrsucht und der Herrschsucht; die Zwecke waren, für beyde Staaten, rein egoistisch. Durch seine Entscheidung, wurde, nur die Herrschaft der Römer, auf der afrikanis schen Küste begründet, und Erweiterungen des römischen Reichs, in Afrika und Asien, erleichtert; und dadurch, daß Roms Macht bis zur entschiedenen Uebermacht, für alle drey Welttheile, durch ihn ausgedehnt wurde, wurs de die Despotie, welche in ihrem Wesen lag, und das Verderben, was sie hervor gebracht, auch um eben so viel der Vollendung genähert und allgemeiner gemacht. Wie ganz anders verhält es sich, mit dem jegt beendigs ten neuen Kampfe! Er war gerade gegen den Ehrgeiß und die Herrschsucht gerichtet; sie sind, durch ihn, überwåltigt und, für die Zukunft, unwirksam gemacht. Dieser Kampf gegen Herrschsucht und Ehrgeiß, war auch zus gleich ein Kampf gegen den politischen Egoismus; sein Zweck war auf das Allgemeine gerichtet und das Besons dere diesem untergeordnet. Die Wirkung sollte eine neue und feste Ordnung der Dinge in Europa seyn; die auf Recht und Gerechtigkeit beruht, welche die Bes gründung einer dauernden öffentlichen Sicherheit und

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Ruhe und, in dieser, Unabhängigkeit und möglichstes
Wohlseyn aller Staaten zum Gegenstande hat.

Nach dem beendigten zweyten Kampfe, im Jahre 1814, schien der Zweck schon erreicht zu seyn; doch war er es nicht; auch war noch kein allgemeines Vertrauen, auf den Erfolg der Wirkungen, begründet. Anders vers hält es sich, nach dem vollendeten dritten Kampfe, in diesem jezt beendigten Jahre; der Zweck ist in der That erreicht; die Wirkungen können nun mit Zuversicht erwars. tet werden. Dürfte es auch zu einer allgemeinen neuen Ordnung der Dinge nicht, wie man hoffte, gedeihen; so kann man sie doch da, wo sie gegründet ist, auch für gesichert annehmen; und ist für die Sicherheit:und Ruhe des Ganzen, so weit man jetzt sehen kann, nichts weiter zu fürchten.

Die Begründung liegt, in der Friedensbasis und den Resultaten des Wiener Kongresses; welche, in dieselbe, aufgenommen sind. Wenn darin freylich noch Einiges und das andere zurecht zu rücken ist; so stehet doch das Ganze fest; und nur die aufgeregte und so lange in Spans nung erhaltene Phantasie, kann die Furcht, vor neuen Ges fahren und Erschütterungen erhalten, die jedoch dem rus hig Prüfenden nicht anders erscheinen können, als was fie sind – d. h. als Phantome. Die Gewähr leistet der erneuerte Bund, der vier großen Mächte; von welchen die neue Ordnung der Dinge, durch ihre Einigung, ihre Anstrengung und ihr Beharren, bewirkt worden ist. Es ist doch wohl nun zur Begründung des Vertrauens, ges nugʻ dargethan, was sie vereinigt vermögen, und welch ein Wahnsinn müßte den einzeln Staat, wenn auch den mächtigsten ergriffen haben, dem es einfallen

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follte, mit diesen Vereinigten, einen erneuerten Kampf zu beginnen, -um fie zu überwältigen!

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Doch nicht bloß diese Vereinigung der Kräfte sichert Europa die Ruhe; sondern auch der Mangel an Kräften.. Mehr oder weniger sind alle Staaten erschöpft; der aber am meisten, und noch dazu in seinem Innern verheert und zerrüttet, der noch immer am meisten gefürchtet wird; weil Störung der Ruhe bisher immer von da ausging. Die andern haben gekämpft, um ihren Staaten die Ruhe zu geben; sie werden die Frucht ihrer Arbeit nicht zwecklos selbst wieder vernichten. Auch dürften, in einem Jahrzehnt, die Kräfte, in dem Maße wenigstens, nicht wieder gesamms let seyn, daß man, ohne die dringendste Noth, sich entschlies fen könnte, sie wieder zu zerstreuen. Sammlen geht übers all langsamer als verthun; was aber, in zwanzig Jahren, mit so vollen Hånden ausgeworfen ist, das kann wohl nicht weniger, als das doppelte der Zeit, nöthig haben, um wieder zusammen geschafft zu werden.

Kein Staat ist, in diesem Augenblicke in Europa, dem es nicht dringende Angelegenheit wäre, sich, mit sich selbst, und in seinem Jnnern, zu beschäftigen. Ein flüchs tiger Blick, über dieselben hingeworfen, wird dieß leicht erkennen lassen, und zugleich die Gesammtheit der Lage Europa's auffaffen und zur Anschauung bringen.

Frankreich, noch immer der Hauptgegenstand der öffentlichen Aufmerksamkeit und zugleich noch immer Ges genstand des Argwohns und der Besorgniß, mdge hier zuerst Gegenstand der Betrachtung seyn. Diese Besorgs - nisse, nur noch in wirksamen Gewohnheitsideen begründet, müssen verschwinden, sobald wir die Lage dieses Landes so weit wir es vermögen, in einer klaren Anschauung auffaffen...

Der Regent und feine Familie sind und werden noch geraume Zeit, durch ihre Lage), genöthigt seyn, sich mit dieser und sich selbst zu beschäftigen. Ihr Hauptaugens merk ist und bleibt dahin gerichtet, sich in der Regierung zu befestigen. In sich selbst nicht genug determinirt, bes findet sich der schwache, wieder eingesezte König, in der Läftigen und gefahrvollen Lage, durch Einwirkungen von Außen, schwankend und wechselnd bestimmt zu werden, Seine Familie selbst theilt mit ihm nicht einerley Ansich ten; Jeder will mitregieren, und Jeder, auf seine Weise und nach seinen Ideen, in das Ganze einwirken. Der König, zu schwach, als Haupt der Familie zu handeln, ist verhältnißmåßig noch weniger fråftig genug, um, als Regent, mit Festigkeit, sionsequenz und Energie zu verfahren. Als er, nach seiner ersten Rückkehr, den Thron bestieg, ergriff er, im Allgemeinen, das Mittel der Gnade und Milde, -- oder, was hier einerley ist, der Heuchelen, Schmeicheley und Berstellungskunst, um sich auf dem Throne zu befestigen; was seiner Denkungsart selbst am meisten zusagen mogte, aber in seinen Wirkungen sich nicht bewährt hat, und bewähren konnte. Jezt dringt man in ihn, das entgegengesette System zu ergreifen; was in seinem Gemüthe Widerstreben erregt, und dessen Wirkung wenigstens nicht in Voraus, ale velommen sicher, verbürgt werden kann. Indem es die Einen ma pfehlen, erheben die Andern ein Geschrey dagegen; und indem die Einen es, als das einzig sicheres Rettungsmittel darstellen, schildern es die andern, als' die gefahrvoliste Maßregel. So streiten erzte, die zu zwey entgegens gefeßten Systemen geschworen, über den Werth und die Wirksamkeit zweyer Heilmittel; und indem jeder das seine, als eine wahre Panace preißt, stellt es der andere als das zerstörendste Gift dar. Der arme unentschlossene Kranke

aber langt bald nach jenëm, bald nach diesem; und wählt endlich den Ausweg, von dem einen einen Theil mit eis nem Theile von dem andern zu vermischen; wodurch er die Wirksamkeit beyder vernichtet.

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Einzelne Beyspiele, selbst der gerechtesten Strenge; werden als Grausamkeit empfunden; wenn andere, Gleichs schuldige, oder doch Mitschuldige, Begnadigung oder Verschonung erfahren. Ist nicht das ganze Bonapartes sche Heer in fast gleicher Verschuldung? Man greift eis nen einzelnen Regimentschef aus, um an ihm das erste Exempel zu statuiren. Nach langem Zögern und Schwans ten, wagt man sich endlich an einen wieder einen eins zelnen - Reichsmarschall. Heute wird Ney, in der Kammer der Pairs, zum Tode verurtheilt; und morgen wird ein Gefeßvorschlag, in die Kammer der Deputirs ten gebracht, der eine allgemeine Verzeihung zum “Ges genstande hat; - jedoch wieder mit Ausnahmen, welche die Allgemeinheit beschränken, und die Wirkung des Gans gen vernichten, indem sie das Princip, mit sich selbst, in Widerspruch sehen. Dadurch verråth sich Inkonsistenz und Schwäche; welche weder Furcht noch Gunst, als wirksames Princip, anzuwenden vermögen; da sie weder das eine noch das andere angemessen hervor bringen. Ein Mitglied der königlichen Familie, das auf Begnadigung dringt, wird exilirt; die Begnadigung aber doch defres tirt. Indem man das Begnadigungsprincip im Allges meinen ausspricht, übt man das Straf- oder vielmehr Rachprincip, im Einzelnen. Indem der eine Marschall vor Gericht gestellt wird; werden andere, die mit ihm, im Wesentlichen, die Verdanimlichkeit theilen, und sich durch nichts von ihm unterscheiden, als daß sie etwas Tanger geheuchelt zu seinem Richter bestellt! Nur in

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