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Karl Adolf Menzel,

Königlich Preußischem Consistorial: und Schul-Rath.

3 weiter Band.

Vom Nürnberger Religionsfrieden bis zum Ausbruche des
Schmalkaldischen Krieges.

Breslau,

Druck und Verlag von Graß, Barth und Comp.
1 8 28.

DIVINITY SCHOOL

LIBRARY.

HARVARD

UNIVERSITY

Vorrede.

Die argwöhnische Stimmung, welche sich seit einiger Zeit nicht wenige Mitglieder der evangelischen Kirche haben einreden lassen, ist dem Urtheil über den ersten Band dieses Werkes nicht überall günstig gewe= sen. Nach der Erwartung, die Männer und Verhåltnisse der Reformation bei jeder neuen Darstellung in dem Schimmer, in welchen die Begeisterung sie gehüllt hat, stets nur verklärter wieder zu finden, ha= ben Viele, unter ihnen auch Wohlwollende, ein Mißbehagen gefühlt, solche, welche sie einmal gewohnt sind, sich stets als Heroen und halbe Heilige vorzustellen, als Menschen, wenn auch als ausgezeichnete und achtungswerthe, doch mit Eigenschaften zu erblicken, welche oft genug, theils an die allgemeine Gebrechlichkeit der menschlichen Natur, theils an gewisse besondere Untugenden des Gelehrtenstandes erinnern. Wer aus füßen Träumen erweckt, muß auf mürrische Gesichter gefaßt seyn. Aber troß derselben behauptet der Tag seine Rechte, und wie verdrüßlich im Schlummer Gestörte sich die Augen reiben,

doch gewöhnen sie sich endlich an das Sonnenlicht. Mit den Fortschritten, welche die historische Wissenschaft und Kunst in den letzten Jahrzehnden gemacht hat, ist die Forderung, den einflußreichsten, fortdauernd lebendigen Act der Deutschen Geschichte nur durch das gefärbte Glas des Parteigeistes ansehen zu sollen, ganz unyereinbar geworden. Wer sich einbilden kann, die Deutsche Nation durch einen, aus der Seckendorfschen Geschichte des Lutherthums gemachten Auszug über diesen großen Gegenstand für immer so glücklich abgefunden zu haben, daß er mit gutem theologischen Gewissen jeden Versuch einer selbstståndigen, über dem Standpunkte des siebzehnten Jahrhunderts stehenden Reformationsgeschichte, als eine Auflehnung gegen alte und neue Rechtgläubigkeit anklagen, auch den Verfasser nebenbei als einen heimlich Katholischen verdächtigen dürfe, der bezeichnet sich selbst als einen solchen, der in den Dünsten der Trophoniushöhle, in welcher er Weisheit sucht, die Besinnung verloren hat. Es wäre der schmählichste Widersinn, die Fesseln der kirchenthümlichen Autoritåt, deren die Theologie sich entledigt hat, an die Staats- und Weltgeschichte zu legen; es wäre die unwürdigste Heuchelei, in der Gemeinschaft derjenigen, welche nirgends von einer Schranke der Wissenschaft hören wollen, für einen kleinen Vorrath gewisser, nüßlich erachteter Vorurtheile und Ueberlieferungen ein Tempelgehöft abzustecken, dem die Forschung mit ihrer Leuchte nicht nahe kommen dürfe.

Das Planksche Hauptwerk über die Geschichte des protestantischen Lehrbegriffs håtte einer unbefangenen Ansicht über die Reformation schon vor vierzig Jahren Bahn brechen können. Aber dieses lehrreiche Werk

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scheint bei seinem Erscheinen, - dem Zeitpunkte, in welchem bei den Deutschen Bücher wirken müssen, wenn sie überhaupt wirken sollen - keine eigentlich nationale Beachtung gefunden zu haben, vielleicht, weil es nach dem Titel für ein blos theologisches gehalten ward, und damals keine allgemeine Theilnahme an gediege= nen Werken dieses Faches vorhanden war. Die jetzige Zeit stärkerer Aufregung für kirchliche Gegenstände hat bisher mehr Eifer für vorgefaßte Meinungen, als Empfänglichkeit für Belehrung gezeigt. Auch bei den Mitgliedern derjenigen Kirchenpartei, in welcher der wissenschaftliche Geist am regsamsten und der Eifer für Religionssachen am lebendigsten ist, herrscht große Unkunde über die eigentlichen Streitpunkte. Wie håufig kommt es nicht vor, daß eifrige Protestanten, selbst Geistliche, die in andern Stücken gut unterrichtet sind, bei Controversen über die Lehren vom Werthe des Glaubens und der Tugend das, was ihre eigene Kirche als Hauptwahrheit lehrt, der andern als Grundirrthum zum Vorwurfe machen! Aus dieser Unkunde fließt der größte Theil der Erbitterung, welche das wiedererwachte Leben der beiden Kirchen verunziert. Der von mir gemachte Versuch, den Hergang ihrer Trennung zu berichten ohne Vorliebe und ohne Abnei= gung für und wider die Werkzeuge, deren die Vorsehung sich zur Erfüllung ihrer Absichten bedient hat, ist daher lediglich aus der wie ich glaube, åcht evangelischen Ueberzeugung hervorgegangen, daß auf dem Gebiete der Religion keinerlei Versteck und Verheimlichung, sondern nur reine und lautere Wahrheit ersprießlich ist. Je eher man in beiden Kirchen davon zurückkommen wird, außerhalb der eigenen Grenzen nichts als unbedingte Gegensäge zu sehen, je

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