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feinem Souverain erhalten hatte, enthielten in der Hauptfache: daß, sobald er Polozk eingenommen, und Marschall Dudinot auf das Korps des Generals Steinheil zurückgeworfen haben würde, er sich nach Dockszyce begeben, feine Verbindung mit Minsk eröffnen, und sich mit dem Admiral Tsitsagow vereinigen folle. Statt sich an die Vollziehung der empfangenen Aufträge zu halten, die ihm ferner aufgaben, Lepel und die Ufer der Ula zu befestigen, rückte. General Witgenstein bis nach Czasniki vor, dem Marfball Victor entgegen, den er zu Lepel und in den Morås ften zwischen dieser Stadt und der Beresina erwarten konnte. Die Verbindungen mit Minsk konnten nicht beunruhigt werden, da die Straße von (Ober-) Beresina nach Borisow über Pleszczenice, durch die ungangbaren Moråste, die sich an der Beresina bis Ziembin befinden, gedeckt ist. Also war es nicht ndthig (?)*) für ihn, sich mit dem Korps des Mar: fchalls Victor abzugeben, der den Paß von Lepel weder überwältigen wollte, noch konnte, (?) und alsobald gendthigt gewesen wäre, sich auf Bobr zurück zu ziehen, um sich mit der Armee zu vereinigen. Håtte er sich hingegen, wie ihm aufgegeben war,, mit Admiral Tschitschagow vereinigt, so håtte er ein Korps von 15, bis 20,000 Mann in die Eng

tet, mittheilen zu müssen, da dies am besten zur Wiederles gung dieser Angaben führen, und in jedem Fall zur Beleuchtung eines so wichtigen Akts in dem ungeheuern Feldzug dienlich seyn kann. Das Vorurtheil, welches der Verfasser überall gegen die Generale Kutusow und Witgenstein blicken läfft, ist ein unangenehmer Flecken in seiner Arbeit, die im Uebrigen unstreitig viele militairische Kenntnisse und zugleich eine genaue Kunde der vorgefallenen Begebenheiten, in so weit der Verfasser unmittelbarer Zeuge davon war, und ur kundliche Dokumente hatte, verräth.

*) War aber nicht, wenigstens eine Zeitlang, Victors. Stel, lung noch wegen Witepsk und Polosk beunruhigend?

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påffe von Ziembin stellen und die Erbauung der Brücken von Weselowo gånzlich verhindern können. Also war der erste Fehler des General Witgenstein seine Bewegung auf Czasniki. Sein zweyter Fehler war, der rückgängigen Bewes gung des Marschall Victor gefolgt zu seyn. Håtte er nach dem Gefecht vom 15. November zu Smoliani, statt noch fünf Tage zu Czasniki zu verweilen, und hernach noch den Umweg von Czerein und Cholopenicze zu machen, gleich am 16ten die Straße von Krasnolaki eingeschlagen, und sich gerade zu über Selek und Cholchowezi auf Borisow gerichtet, so wåre er den 21. angekommen, und hätte sich denselben Tag mit Admiral Ischitsch ago w verbunden, eben als dieser den Brückenkopf angreifen ließ. Sein dritter Fehler ward aber mals durch Mangel an Thätigkeit verursacht. Den 27. gegen 3 Uhr Nachmittags war sein Vortrab schon zu Studenky, wo seine Armee bald nachher eintraf. Er musste weiter vordrüs cken und sogleich das Korps des Marshalls Victor angreis fen. Die Unordnung war so groß, und die noch schlagferti gen Truppen, durch das Gepäck und die Artillerie, die wäh rend der Nacht großentheils abzog, dergestalt eingeengt, daß die Vertheidigung fast unmöglich und der Schaden an diesem Ort noch weit beträchtlicher gewesen wäre. Marschall Kutus fow selbst beging einen nicht weniger großen Fehler, indem ́ er der Französischen Armee mit so viel Lässigkeit folgte. Wåre er den 25. November statt zu Kopys zu seyn, das heißt 25 Stunden rückwärts, zu Bobr gewesen, dann hätte er vers suchen können, was er mit so viel Ruhmredigkeit in seinen Bulletins ankündigte. *),

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*) Wir lassen hier einen fernern höchst unbescheidnen Ausfall gegen Kutusow und Witgenstein weg; ihr ganzer Ruhm wird hier als ein anmaßlicher, den sie nur durch den glücklichen Wurf der Umstände, und lügenhafte Berichte sich zus gelegt hatten, angegriffen.

Uebrigens ward die Französische Armee, wie ich schon gefagt habe, nur zum Theil an der Beresina gerettet, denn nach dem Uebergang über dieselbe ward die Unordnung so groß, daß die meisten Korps, die bis dahin noch einen Schein von Organisation behalten hatten, sich fortan gänzlich auflösten. Bey 30,000 Vereinzelte, wiewol sie wie Schafe in einer Masse marscirten, fielen von da bis Wilna dem Feind in die Hånde. Der Feind konnte nicht so viel von den Erfolg einer Hauptschlacht, die er an den Ufern der Bere= fina håtte liefern wollen, erwarten. Und dies war es jedoch, wohin das Manduvre, das er erdacht hatte, und die Bewe= gung, die dem Admiral und dem General Witgenstein vorgeschrieben waren, zielten. Aber, hatte man berechnet, was beynahe 80,000 alte Soldaten, die man zur Wahl zwi= schen Sieg und einen schrecklichen Tod zwingt, leisten kön= nen? Glaubte man im Ernst Kutu sow. im Stande, einent fo furchtbaren Stoß Schranken zu sehen? Das rühmliche Gefecht des Marschalls Victor mit nicht 15,000 Mann gegen General Witgenstein, der deren 45,000 hatte, kann zum Maßstabe dienen. Unser Glauben ist daher, daß der Erfolg, so wie ihn die Umstände herbeyführten, für die Russische Armee am vortheilhaftesten war. Die Veteranen wurden ihr wohlfeilern Preises, wie sie sie zu Tausenden, abgemattet, långs der Straße hinziehend, durch den Hunger geschwächt, halb verfroren und unfähig, sich ihrer Waffen zu bedienen, antraf, als es auf dem Schlachtfelde geschehen wåre.

Was den Admiral Tschitschagow betrifft, auf den aller Tadel geworfen wurde, so wird ihn der Leser nach der Uebersicht obiger Darstellung schon selbst gerechtfertigt haben. Er war der Einzige, der die Befehle vollzog, die er erhalten hatte, und die Unfolgfamkeit der Generale, die ihm beystehen follten, war die einzige Ursache, die ihn hinderte, den ihm gegebnen Auftrag zu erfüllen. Man entfernt ihn von Ziembin,

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durch einen Befehl, der ihm aufgibt, sich (Unter-) Berezino und Usza zu nähern, und man klagt ihn an, daß er sich im Augenblick des Uebergangs nicht an ersterm Ort befand. Allein mit seinen 15,000 Mann konnte er nicht eine Uferstrecke von 20 Stunden mit hinlänglicher Macht decken; er konnte höchstens einen Punkt mit Erfolg vertheidigen, und zuverlässig war der Brückenkopf von Borisow der wichtigste, den er auch niemals verwahrloste. Håtte er dies wirklich gethan, so hätte sich der Marschall Victor auf der Stelle dieses Paffes be mächtigt, was das Heil der Französischen Armee gewesen wåre; denn da dieser Flecken von drey Seiten durch den Fluß und durch einen Teich gedeckt ist, so wåre er leicht gegen die Russische Armee zu vertheidigen gewesen; so wie sich gesamm: tes Gepäck und die Artillerie in dieser Art Festung verschlos sen befunden hatten, so wåren sie ohne Schwierigkeit über die Brücke, die breit und dauerhaft war, hinübergekommen; mit einem Wort, die Französische Armee håtte weder Kanye nen noch Pulverwagen verloren, und wäre nicht nachher in die Unordnung gerathen, die ihr so verderblich wurde.

Europ. Annalen, 4tes Stück. 1816.

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Die eigentliche militärische Disciplin hatte jezt schon aufgehårt; der Bedürfnisse wegen war der Soldat sich selbst überlassen; er war Bauer, Schneider, Schäfer, Gerber, Maurer, Hirte und Dieb; seine eigene Industrie musste ihm Nahrung, Kleidung, und Alles, was zu seiner Eristenz und zu seinem Vergnügen gehörte, verschaffen. Ganze Detaschements von Marodeurs nisteten sich in Schlösser ein, wo sie einen beträchtlichen Vorrath verborgener Lebensmittel aufgefunden hatten; sie verschanzten sich dort, und verweil ten dann so lange, bis der Vorrath aufgezehrt war, uneinge denk ihrer Kameraden, die in dem schwach beseßten Lager mit hungrigem Magen ångstlich sie erwarteten, uneingedenk der Pflicht, welche sie zu den längere Zeit verlassenen Fahnen zurückrief; ja, sie widerseßten sich oft mit den Waffen in der Hand jenen Detaschements, die abgeschickt wurden, sie aufzuheben, und vertheidigten sich gegen Brüder, die von ihnen Nahrung und Labung erwarteten, hartnäckig in ihren verschanzten Schlössern. Spottweise wurden diese Maro

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