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O. Ö. PROFESSOR DES INTERNATIONALEN PRIVATRECHTS AN DER UNIVERSITÄT ZÜRICH,
ASSOCIÉ DE L'INSTITUT DE DROIT INTERNATIONAL.

ZÜRICH

OL

VERLAG: ART. INSTITUT ORELL FÜSSLI

1906

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Vorwort.

Die vorliegende Arbeit ist eine Art Fortsetzung des von mir unter dem Titel: Das internationale Civil- und Handelsrecht (Zürich 1902) im gleichen Verlage publizierten Handbuches. In der Tat schliesst sich an die Darstellung des materiellen Kollisionsrechts naturgemäss diejenige über das formelle Recht und speziell also diejenige über das internationale Civilprozessrecht an. Die Probleme, welche die sogenannte collisio statutorum zu lösen aufgibt, werden nicht erschöpft, wenn man nicht gleichzeitig auch versucht, die prozessualischen Fragen zu behandeln, welche der grosse internationale Verkehr des modernen Lebens darbietet. Ich habe stets die Ansicht verfochten, dass namentlich auch die Lehre von der Jurisdiktion und den Fora parallel neben den materiellen Grundsätzen zur Diskussion gestellt und erörtert werden müsse. Und der schweizerische Bundesrat hat seinen Delegierten an den Staatenkonferenzen über internationales Privatrecht im Haag (1893, 1894, 1900 und 1904) direkt auch den Auftrag gegeben, auf die Mitbehandlung und internationale Ausscheidung der Gerichtsbarkeit zu dringen. Ich habe an meinem Orte als schweizerischer Delegierter diesen Auftrag an den bisherigen vier Staatenkonferenzen um so lieber ausgeführt, als er meiner wissenschaftlichen Überzeugung vollständig entsprach.

Naturgemäss habe ich in der vorliegenden Schrift wiederholt auf mein oben zitiertes Handbuch verweisen müssen. Auch darf es nicht überraschen, dass ich auch hier wieder viele Auszüge aus hervorragenden Schriften internationaler Juristen machte. Einmal nehmen in der Materie des internationalen Rechts die Autoren eine besondere Stellung ein, und sodann können die wenigsten Juristen eine so umfassende Bibliothek besitzen, dass sie in der Lage wären, blosse Zitate sofort nachzuschlagen. Selbstverständlich nahm ich überall auch Rück

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sicht auf die Konklusionen des Institut de droit international und zitierte sie wörtlich.

Die Schrift ist im übrigen nach einem neuen selbständigen Plane entworfen.

Ich hoffe, dass der vorliegenden Publikation das gleiche hohe Interesse entgegengebracht werde, wie dem eingangs zitierten Handbuche. Es freut mich, hier anfügen zu können, dass 1905 die englische Übersetzung, die Advokat A. K. Kuhn in New York zu besorgen die Güte hatte, in New York und London erschienen ist, - die japanische Übersetzung wird auch nicht mehr lange auf sich warten lassen.

Bei dieser Gelegenheit muss ich einen kleinen Irrtum berichtigen, der auf S. 364 und 367 enthalten ist. Die Verordnung von 1855 ist überholt durch das österreichische Gesetz vom 30. August 1891 über die Ausübung der Konsulargerichtsbarkeit.. § 9 dieses Gesetzes bestimmt, dass bei den Konsulargerichten in bezug auf die österreichischen Staatsangehörigen die für diese Gerichte dermalen geltenden Gesetze und Vorschriften in Anwendung kommen sollen. Das sonst gleichlautende ungarische Recht (Gesetzartikel XXXI von 1891 § 10) drückt. sich etwas anders aus.

§ 10 desselben Gesetzes sagt wörtlich:

§ 11:

Die Regierung bestimmt, welche in Zukunft (in Österreich) erlassenen Gesetze in betreff Rechts- und Handlungsfähigkeit der österreichischen Staatsangehörigen, ihrer Familienrechte, einschliesslich väterliche Gewalt, Vormundschaft, Kuratel und Pflegschaft und ehelichen Güterrechtes, Erbrechtes, Verlassenschaften und Strafsachen... bei den Konsulargerichten einzuführen sind.

Die Regierung wird hiebei die jeweiligen internationalen und eigenartigen lokalen Verhältnisse... berücksichtigen.

Welche neuen Gesetze und sonstigen Vorschriften in betreff der im ersten Absatze nicht angeführten Rechtssachen bei den Konsulargerichten einzuführen sind, wird von den Regierungen der beiden Staatsgebiete einverständlich nach Einvernehmen mit dem gemeinsamen Minister des Äussern bestimmt.

In gleicher Weise (§ 10) können die dermalen geltenden oder in Zukunft erlassenen Gesetze oder sonstigen Vorschriften für die Konsulargerichte abgeändert, ergänzt oder ausser Wirksamkeit gesetzt werden.

Dieses Gesetz von 1891 sagt nichts über die durch die kaiserliche Verordnung von 1855 anerkannte Kraft eines besonderen allgemein

anerkannten Gewohnheitsrechtes". Es ist daher anzunehmen, dass solches Gewohnheitsrecht auch heute noch bei den Konsulargerichten Österreich-Ungarns gültig ist, so lange es nicht gemäss § 11 obigen Gesetzes beseitigt wird.

Neben dem oberwähnten österreichischen Gesetz vom 30. August 1891 ist in Ungarn das inhaltsgleiche Gesetz vom selben Tage Gesetzartikel XXXI/1891 erflossen.

Beide Gesetze gelten nur für 10 Jahre und zwar gezählt vom Tage des Inkrafttretens (1. Januar 1898); also erlöschen eventuell diese Gesetze am 31. Dezember 1907.

Das S. 365 zitierte Werk von Malfatti di Monte Tretto ist 1904 ganz umgearbeitet in 2. Auflage erschienen, und es ist nun daraus zu zitieren I, S. 482 ff. und II, S. 474 ff.

Schon nach bisherigem Recht war es nicht ganz zutreffend, dass für Österreich die Appellhöfe von Wien und Triest die Appellationsgerichte über den Konsulargerichten seien.

Zufolge der oberwähnten österreichisch und ungarischen Gesetze vom 30. August 1901 besteht seit 1. Januar 1898 (einstweilen bis 31. Dezember 1907) in Konstantinopel ein österreichisch-ungarisches Obergericht, welches für alle österreichisch-ungarischen Konsularrichter, wo immer ihr Amtssitz sei, wenn auch ausserhalb der Länder der osmanischen Pforte, die zweite und letzte Instanz bildet.

Das Verfahren vor sämtlichen österreichisch-ungarischen Konsulargerichten ist auch neu geordnet, und zwar durch die Verordnungen der beiden Gesamtministerien (Österreichs und Ungarns) vom 15. Mai 1902. Diese vom gemeinsamen Ministerium des Aussern am 15. Mai 1902 Z. 31. 728/7 veröffentlichten Verordnungen verlieren durch den Ablauf des Jahres 1907 nicht die Geltung. Das Streitverfahren ist der österreichische (in Österreich selbst schon abgeschaffte) Summarprozess nach dem Hofdekret vom 24. Oktober 1845, nur mehrfach modernisiert, insbesondere durch Normierung der freien Beweiswürdigung; jedoch bestehen dabei die formalen Prozess-Parteieneide weiter.

Ich schulde diese Richtigstellung der Freundlichkeit des Herrn Professor Dr. Hans Sperl in Wien, und ich möchte nicht ermangeln, ihm dafür auch an dieser Stelle meinen Dank abzustatten.

Zürich, im Monat November 1905.

D. V.

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