Reglement über die innere Organisation des Großen Raths und die Behandlungs - Art der Geschäfte. Wir Schultheif Klein und Große Räthe der Stadt und Republik Bern, thun kund hiermit : Nachdem Wir die Nothwendigkeit in Betrach: tung gezogen, die zerstreuten Vorschriften über die Formen der Versammlungen und der Berathschla: gungen vor dem Großen Rath zu revidiren, in ein Ganzes zusammenzufassen und mit den vers ånderten Constitutions: Gesehen in Uebereinstimmung du bringen, so haben Wir über diesen Gegenstand, auf angehörten Vortrag Unsrer Råthe und XVI. nachfolgendes Reglement anzunehmen und für die Zukunft festzusehen gutbefunden: Convocation. Art. I. Die ordentlichen Versammlungen des Großen Raths werden durch den Glockenschlag und das ges wohnte Bot bey den Häusern an alle in der Stadt wohnende Mitglieder, die außerordentlichen und halbjährlichen aber durch besondere von der Canzlen auszufertigende Einberufungs: Schreiben an alle außer der Stadt, jedoch im Canton wohnende Mitglieder zusammenberufen; lekteres in dem Verz stand, daß sobald die halbjährlichen Versammlun gen einst ihren Anfang genommen haben, die täglich fortlaufenden Sikungen nur auf die gewohnte Weise angezeigt werden. Art. II.. Die in jeder Sikung zu behandelnden Geschäfte sollen. Tags vorher auf einer in der Canzley ange: hångten Tafel verzeichnet und sollen auch in den Einberufungs: Schreiben angezeigt werden, in dem Verstand jedoch, daß wenn während der Dauer der halbjährlichen oder außerordentlichen Versammlung unvorgesehene Gegenstände eine Berathung des Großen Raths erheischen, solche nach vorhergegan: gener Anzeige auf der Tafel behandelt werden können. Art. III. Gutachten über allgemeine Geseke und Verord: nungen oder andere besonders wichtige Gegenstände, deren Behandlung den halbjährlichen oder außeror: dentlichen Sikungen vorbehalten ist, sollen, ehe sie in Berathung gezogen werden, vorerst auf einige Zeit zur Einsicht in die Canzley gelegt, und solches in der nächst vorhergehenden Sikung oder in dem Einberufungs: Schreiben an sämtliche Standes: Glieder, dem Großen Nath angezeigt werden. 1 1 Diejenigen aber, welche in den gewohnlichen Sikun: gen behandelt werden, sollen zweymal vier und zwanzig Stunden vorher in die Canzley gelegt werden. In außerordentlichen Fällen ist dem Kleinen Rathe überlassen, dergleichen Gutachten nach Bes wandtniß der Umstände durch den Druck verviels fältigen, und den Mitgliedern des Großen Raths austheilen zu lassen. Art. IV. Sämtliche Große Rathsglieder sind nach ihrem Eid verbunden, den Sikungen, zu welchen ihnen geboten wird, fleißig beyzuwohnen und selbige ohne dringende und ehehafte Ursachen nicht zu verabsau: men. Insbesonders sollen alle diejenigen, welche sich außer dem Canton aufhalten, und nicht in außerer Fürsten und Staaten, Civil oder Militair: Diensten stehen, wenigstens sich bey der halbjährli: chen Versammlung im December einsinden; es sen denn, daß sie die Grunde ihres Ausbleibens Unserm fürgeliebten Ehrenhaupt bekannt gemacht hätten. Wenn aber ein großes Rathsglied, das weder in Standes: Geschäften noch in außerer Fürsten Dien: sten steht, ohne Entschuldigung und ohne erhaltene Dispensation über Jahr und Tag von den Versamm lungen wegbleibt, so sollen die Kammern und Commißionen in denen es gewesen, ergänzt werden, und das betreffende Standesglied selbst für ein Jahr 1 lang alles Stimmrechts und aller Wahlfähigkeit bey Besehung von Aemtern, Stellen und Gnadeners weisungen verlustig seyn. Nach zweyjähriger Ab: wesenheit ohne Entschuldigung soll dasselbe ohne weiters durchgestrichen und entsekt werden. Art. V. Kein Mitglied des Großen Raths kann den Sikungen benwohnen, oder irgend ein Stimmrecht ausuben, es habe denn vorher, wenn es neu gewählt ist, den Standes: Eid beschworen, oder Falls dieses bereits geschehen, im Lauf jeden Jahrs zu der Er: füllung der daherigen Pflichten gelobt. Art. VI. Die Mitglieder des Großen Raths sollen in den Versammlungen nicht anders als in schwarzer Kleis dung mit dreyeckigtem Hut und Degen erscheinen. Unsere geliebten Mitrathe die Heimlicher sind be: auftragt, auf die Anständigkeit des Costums zu achten, und wenn sie etwas Unschickliches bemerken sollten, so werden sie den betreffenden Standes: Gliedern durch Unsre Staatsbediente verdeuten, daß sie nach Vorschrift und nach den angenomme: nen Begriffen von Schicklichkeit in der Versammlung des Großen Raths erscheinen sollen. Ben feyerlichen Anlåßen ist der Herr Amts Schultheiß bes gwåltiget, die Versammlung aufzufordern, im Mantel zu erscheinen. Art. VII. Die periodischen und außerordentlichen Sikun: gen sollen nicht eroffnet und keine Berathung anges fangen werden können, es seyen dann wenigstens Einhundert Mitglieder gegenwärtig. Für die ge: wöhnlichen Sikungen ist nach alter Uebung die Gegenwart von fünfzig Mitgliedern nothwendig, und eben so viele Votanten werden auch erfordert um einen gültigen Beschluß zu fassen. Präsidium. Art. VIII. Die Versammlung wird jeweilen von Unserm fürgeliebten Ehrenhaupte, in dessen Abwesenheit aber von dem Herrn Alt-Schultheiß und nach diesem von dem ältesten im Rang folgenden Rathsgliede präsidirt. Art. IX. Unser fürgeliebtes Ehrenhaupt oder dessen Statt: halter hat in dieser Eigenschaft eines Präsidenten die Versammlungen zusammenzuberufen, jede Sikung zu eröffnen und aufzuheben; während derselben die gesekliche Ordnung zu handhaben, die Materien vorzutragen und der Berathschlagung zu unterwerfen; nach beendigter Umfrage die gefallenen gutachtlichen oder andere Meynungen zu scheiden und in's Mehr zu sehen, ben außerordentlichen Gelegenheiten das |