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anerkennen". Doch genug der Auszüge aus dieser Einleitung über die Philosophie des 18. Jahrh., die fast 90 Seiten füllt; man wird schon aus dem Angeführten ersehen können, wie lehrreiche Aufschlüsse uns hier geboten werden; Ref. bemerkt nur noch, dass sie mit der bereits angedeuteten Charakteristik der Philosophie des Royer Collard schliesst, nachdem eine Darstellung der Lehren des Thomas Reid, auf welchem der letztgenannte raht, cingeschaltet worden. Álsdann geht der Vf. zur Schilderung des Victor Cousin selbst über. Vorläufig bestimmt er seinen Standpunct den bisherigeu Leistungen gegenüber. Cousin knüpft zunächst an Collard an. Indem bei diesem die Principien des verständigen Denkens als absolute Gesetze behauptet werden, wird vermittelst ihrer Anwendung auf die verschiedenen Sphären des empirischen Seins sein System sich zu einem verständigen Dogmatismus gestalten. Dieser, fährt Hr. Fuchs fort, hat sich indessen bei ihm nicht rein entwickelt. Das Studium der neueren deutschen Philosophie, die jetzt rühriger betrieben zu werden anfing, blieb nicht ohne Einfluss auf die Cousin'sche. Mit dem im Princip verständig-dogmatischen Gesichtspunct wurden successiv Elemente combinirt, die demselben fremd und mit ihm unverträglich sind. Cousin wurde Eklektiker. Er gibt sich zwar den Schein, als ob seine Philosophie von jeher dieselbe geblieben wäre; dass dieses aber eine eitle Prätention sei, lässt sich leicht nachweisen. Sein System hat hauptsächlich drei Umgestaltungen erfahren. In der ersten Periode (1815-1817) bewegt er sich noch ganz in dem beschränkten Kreise Collards und der Schotten. In der zweiten (1817-1824) leistet ihm die Kant'sche Kategorientafel gute Dienste; wenn er auch die Resultate des Kant'schen Kriticismus nicht adoptirt, so wird doch ein kritisches Moment in den Dogmatismus herübergenommen; das Erkenntnissvermögen wird kritisirt, die Frage nach der Gültigkeit der Verstandesgesetze beantwortet, und nachdem diese Untersuchung zu Gunsten der letzteren ausgefallen, eine Metaphysik à la Wolf construirt. Schon in dieser Periode finden sich manche fremdartige Elemente vereinigt, noch mehr aber in der dritten, in welcher er mit der Philosophie des bon sens einen guten Theil der Identitätsphilosophie vermengt, ohne zu zu wissen, dass dieselbe mit dem Dualismus der zweiten Periode, der daneben stehen bleibt, durchaus unvereinbar sei. Dieses sind die Puncte, welche der Vf. bei der eigentlichen Ausführung seines Thema's behandelt. Ein Auszug würde hier eben so unmöglich sein, wie er auf unerlaubte Weise der Lecture des Buches vorgreifen müsste. Ref. bemerkt daher nur noch, dass der Analyse der Werke Cousins, wie sie sich unter jenen drei Perioden vertheilen, ein Abschnitt über seine Methode, über Begriff und Aufgabe seiner Philosophie, und über die seiner Thätigkeit zu Grunde liegende Tendenz vorausgeschickt wird. Am Schlusse spricht sich der Vf. über die Bedeutung Cousins für die Entwickelung der französischen Philosophie aus, also über

die Cousin'sche Schule, so wie über die nächste Aufgabe, welche nach seiner Ansicht der französischen Philosophie vorliege. Er wiederholt hier kurz, was er in der Einleitung gesagt hatte, aber mit bestimmter Anwendung auf die Polemik, welche Quinet, Lerminier, Leroux gegen Cousin eröffnet haben, indem sie seiner Philosophie allen Zusammenhang mit der französischen Philosophie des 18. Jahrh. absprechen. Diesen Leuten gegenüber, welche auf die zuletzt genannte Entwickelungsphase zurückgehen wollen, und in ihr alles Spätere, allen Fichtenianismus und Hegelianismus schon präformirt sehen, vindicirt Hr. Fuchs dem Cousin einen bedeutenden Fortschritt. Nur wenn er auch über die deutsche Philosophie hinauszugehen behaupte, wenn es sein Ehrgeiz sei de voir l'idéalisme allemand et l'empirisme anglais cités en quelque sorte au tribunal du bon sens français et là condamnés et contraints à s'absoudre réciproquement et à contracter une tardive et féconde alliance, so sei das eine Verkennung des wahren Verhältnisses dieser Veredelungsstufen. Dann ist die Rede von Jouffroy, der im Reidianismus stehen bleibe, so wie von Garnier, Damiron, Tissot, die sich fast ganz auf psychologische Untersuchungen beschränken. Endlich wird Cousins Verdienst um die Belebung des Studiums der Geschichte der Philosophie in Frankreich rühmend erwähnt. Das Endergebniss der ganzen Schrift ist, dass die französische Philosophie auf einen Idealismus hinweise; nur in diesem könne der Widerspruch der Elemente, die in ihr vereinigt sind, aufgehoben werden. Welches die bestimmte Form dieses Idealismus sein werde, diess möge dahin gestellt bleiben, doch scheine nach allem Vorangehenden als das nächste Bedürfniss ein Idealismus angesehen werden zu können, der mit dem Fichte'schen im Wesentlichen übereinstimme, doch der Vf. die Philosophie des Maine de Biran schon in der Vorrede mit Vorliebe behandelt. So lange aber eine solche Stufe nicht erreicht sei, müsse man sich von deutscher Seite dem bekannten Urtheil des Jouffroy in der Vorrede zu Reids Werken: Tandis que le mouvement écossais est épuisé et le mouvement allemand affaibli, le mouvement français est encore plein de jeunesse et semble destiné à recueillir leur héritage et à poursuivre à lui-seul pour un temps l'oeuvre philosophique en Europe, entschieden widersetzen. Die deutsche Philosophie liege noch gar nicht in den letzten Zügen und denke noch gar nicht daran, ihr Testament zu machen u. s. w. Gewiss ist das Buch des Hrn. Fuchs eine sehr wichtige Erscheinung; cine so gründliche und übersichtliche Darstellung der Schicksale der Philosophie im neuen Frankreich war noch nicht vorhanden. Gleichwohl hätte Ref. gewünscht, dass der Verfasser bei demselben einen andern Standpunct eingenommen hätte nämlich einen mehr historischen. Er geht gar zu sehr von der Identitätsphilosophie unserer Tage aus und von ihrer Vornehmheit, mit welcher sie, was nicht ihr angehört, nicht als misslun

hatte

gene Versuche redlicher Forscher, die Wahrheit zu finden, beurtheilt oder widerlegt, sondern als niedere Standpuncte belächelt. Besonders macht sich diess in der Behandlung des Sensualismus geltend, die doch in der Schrift ihrem ganzen Inhalte nach einen so bedeutenden Platz einnimmt. Der Sensualismus wird immer nur als eine gewissermaassen sittlich verwerfliche Anschauungsweise betrachtet; nirgends macht der Vf. den wissenschaftlichen Fehlgriff namhaft, auf welchem er beruhe. Die Geschichtschreibung wird niemals darüber hinauskommen, den Maassstab der Gegenwart in einer oder der andern Weise an die Vergangenheit anzulegen, und sie braucht auch gar nicht darüber hinauszukommen, denn was ich einmal für wahr halte, muss ich eben auch für richtiger halten, als anderes, aber das muss auf unbefangene Weise geschehen; die Reflexion,,, wie wir es denn zuletzt so herrlich weit gebracht" ist ganz und gar vom Uebel; die Entwickelung geht durchaus nicht so geradlinig fort, dass der Letzte immer der am Weitesten fortgeschrittene sein müsste. Doch man könnte es einem Schriftsteller oder einer Schule von Schriftstellern gönnen, sich selbst auf solche Weise vor dem Spiegel zu bewundern, wenn nur nicht für die Darstellung selbst daraus erhebliche Uebelstände hervorgingen. Hr. Fuchs verfällt aber bisweilen in die Manier Erdmanns in seiner Geschichte der Philosophie, im Voraus anzugeben, was nun habe kommen müssen worauf es denn auch immer richtig eintrifft. Ja selbst in Bezug auf Einzelnes dürfte ihm seine vorher abgeschlossene Anschauungsweise den unbefangenen Blick geraubt haben. Es dürften Wenige sich bei der Verstimmung gegen Diderot betheiligen können, mit welcher S. 57 ff. auf einige abgerissene Aeusserungen desselben hingewiesen wird, um zu zeigen, dass derselbe uns ein Sensualist und Materialist gewöhnlichen Schlages gewesen sei. Wenn er allerdings in der Correspondence de Grimm es ist ganz unbegreiflich, wie der Vf., der gründliche Kenner der französischen Literatur, dieses Buch zu zweien Malen Diderots Correspondenz mit Grimm nennen kann einmal sagt, Freiheit ist ein Wort ohne Sinn, und ein andermal, die Sinne seien die Quelle aller unserer Erkenntnisse, so hat es damit eine ganz besondere Bewandtniss, die doch Hrn. Fuchs nicht hätte verborgen bleiben sollen; führt er doch selbet S. 7 an, Diderot habe den moralischen Sinn" von Shaftesbury adoptirt nun ist aber dieser der Anfangspunct der schottischen Philosophie, und also weist schon durch diese Sympathie Diderot gerade in die Periode hinüber, welche Hr. Fuchs selbst als die Ueberwindung des Sensualismus bezeichnet ganz abgesehen davon, dass Diderots geistiger Gehalt überhaupt durch die einzelnen theoretischen Ansichten, die er äussert, nicht erschöpft wird; es gibt bei ihm, wenn es sich um eine Geschichte der französischen Philosophie handelt, gar wenig zu excerpiren, aber um so mehr muss man der von dem Vf. bestrittenen Aeusserung

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des Ste. Beuve, dass sich in ihm die philosophische Facultät des 18. Jahrhunderts individualisirt habe, beipflichten; er mag als Theoretiker ein Materialist gewesen sein, als Mensch aber war er nichts desto weniger ein Idealist, Hr. Fuchs mag sagen was er will.

[2196] Die wissenschaftliche Aufgabe der Gegenwart als bleibende Idee im akademischen Studium. Hodegetische Vorträge von Chr. H. Braniss. Breslau, Gosohorsky's Buchh. (L. F. Maske). 1848. 345 S. 8. (1 Thlr. 10 Ngr.)

Diese hodegetischen Vorträge sind diess nicht im gemeinen Sinne des Wortes, wonach in ihnen dem jungen Studirenden gleich bei seinem Eintritt in die Akademie eine Art für ihn passender, auf Erfahrung beruhender praktischer Lebensweisheit entgegengetragen werden soll, um ihn vor möglichen Missgriffen zu schützen und es ihm zu ersparen, durch Schaden klug zu werden. Eine solche Hodegetik ist nach des Vfs. Ansicht ein Widerspruch, denn Lebensweisheit, welcher Art sie immer sei, kann nur durch eigene Erfahrung erworben werden. Die Hodegetik, mit welcher wir es hier zu thun haben, beabsichtigt nicht, heilsame Maximen in Betreff der Lebenseinrichtung und Studienordnung in das Bewusstsein des Studirenden zu bringen, sondern sie hat von Haus aus eine rein wissenschaftliche Tendenz:,,Sie stellt sich, sagt Hr. Braniss, die Aufgabe, den jungen Akademiker, bevor er noch seine Kraft und sein Interesse einer besondern Richtung des intellectuellen Lebens zuwendet, schon auf den Standpunct der Idee zu erheben, von welcher alle jene Richtungen wie Radien aus dem Mittelpuncte ausströmen, und ihr Wesen empfangen. Diese Idee will sie aussprechen, und zwar nicht in jener Allgemeinheit, in welcher dieselbe über dem Wechsel ihrer zeitlichen Erscheinung steht, sondern in der bestimmten und eigenthümlichen Gestalt, in welcher sie das bewegende Princip des wissenschaftlichen Lebens der Gegenwart bildet". Diess ist nun in Zeiten, die nicht im Erzeugen, sondern in der Aneignung des Erzeugten, nicht in der Production, sondern in der Reflexion leben, im Grunde ganz unnöthig, denn hier tritt der junge Akademiker in eine gangbare Form der Idee unmittelbar ein um so nöthiger aber, und dazu höchst schwierig, wo es darum gilt, das Entstehende gleichsam auf der That zu ertappen. Die jüngst vergangene Zeit, deren Beruf es war, die Errungenschaft der ersten anderthalb Jahrzehende unsers Jahrhunderts in sich zu verarbeiten, gehörte der ersteren Classe an; die Gegenwart ist wieder eine Periode der Neuschaffung, sie gehört daher der Jugend an und diese ihr, und in sofern diese die akademische Jugend ist, ist es ihr Beruf, die Zeit zu erkennen und ihr Ohr zu schärfen, dass es die schön erschallende Botschaft vernehme, ihr Auge zu waffnen, dass es durch die trüben Nebel der Gegenwart die grüne Saat der Zukunft erblicke, ist der Zweck, den der Vf. mit diesen Vorträgen verbindet. So viel die erste Vorlesung; die zweite spricht 1848. II.

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,,Von dem. intellectuellen Princip der alternden Zeitbildung". Diese Zeitbildung war zum ruhenden Resultat gebracht in der Hegel'schen Philosophie, in sofern diese die Identität des Idealen und Realen im Denken gefunden hatte. Demzufolge lautete das Dogma derselben - Ref. kann hier leider die Worte des Vfs. nicht anführen, weil diess zu viel Raum in Anspruch nehmen würde dahin, dass der Gedanke an sich alle Wirklichkeit seier projicire sich als Universum, trete daraus aber als denkender Gedanke in sich zurück diess geschehe in der Philosophie, die jetzt vollendet sei, mithin habe die Entwickelung jetzt ihren Gipfelpunct erreicht und von einer Zukunft sei nicht mehr die Rede. Dritte Vorlesung:,,Selbstaufhebung des entwickelten Princips und Erscheinung eines neuen Bildungsfermentes". Diese Selbstaufhebung entsteht dadurch, dass in der That das Aufgehen der Unmittelbarkeit in den Begriff gar nicht eintrat, sondern vielmehr wenigstens die Gegenwart immer nur Unmittelbarkeit blieb und nichts weiter. Dadurch ward, was für das einzig Seiende ausgegeben war, zu einem blossen Sollen, und die wissenschaftliche Thätigkeit lief hinaus auf eine die Gegenwart zersetzende Kritik. Diese auflösende Kritik aber löste im Grunde sich selbst, und die Lehre, auf der sie beruhte, auf, denn es lag in ihrem Verhältniss zur Wirklichkeit, dass der Gedanke eben nicht das Treibende sei. Ueberhaupt ist der Gegensatz des Conservativen und Progressiven ein falscher und oberflächlicher; beides hat seine Wahrheit nur in der Wechselbestimmung des organischen Processes der Weltgeschichte; die Idee der Organisation, der organischen Metamorphose. Vierte Vorlesung: ,, Richtung der Zeit im akademischen Leben". Bei diesem neuen Lebensprincip haben nun die Studenten eine ganz eigenthümliche Stellung einzunehmen, sie sollen sich als Wissende zu ihm verhalten. Denn der fernere Fortschritt muss vom Bewusstsein ausgehen, und die Universität ist keine blosse Lehranstalt, sondern eine Bildungsstätte für das Leben in der Idee. Das akademische Leben ist ein Leben in der Theorie, und daher besteht die wahre akademische Freiheit darin, dass es die Theorie des Lebens enthalte, darin besteht seine Stellung im Leben, und hierin muss Jeder, welcher dem akademischen Kreise angehört, seine eigene Stellung finden. Fünfte Vorlesung:,,Das von der Zeit geforderte wahre akademische Bewusstsein". Welches ist nun die wahre Theorie des Lebens? Sie lässt sich nur durch die Philosophie finden, welches das eigenthümlichste und edelste Organ des deutschen Geistes ist, denn die grosse Zeit der sich selbstbewusst vollbringenden Weltgeschichte hat begonnen und zugleich hat eine neue Entwickelung der deutschen Philosophie begonnen, deren Princip die Geschichtsidee ist. Sechste Vorlesung: ,,Von der Geschichtsidee als neuem Bildungsprincip". Die Philosophie unserer Tage soll Geschichtsphilosophie sein, nicht im Sinne der Hegel'schen Philosophie der Geschichte, sondern als

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