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soll, die Beibehaltung der in dem geltenden Handelsvertrage vorgesehenen Abfertigungsbefugnis für deutsches Getreide, welches zur Vermahlung in der auf russischem Gebiete liegenden Wassermühle nach Rußland eingeht, sowie für das Mehl, das aus dem Getreide gewonnen und demnächst wieder ausgeführt wird. Auch ist nunmehr der Fortbestand aller, selbst der nicht ausdrücklich benannten russischen Zollämter an der deutschen Grenze sowie die Aufrechterhaltung der allgemeinen Ermächtigungen, welche ihnen auf Grund des Artikels 331 des russischen Zollgesetzes verliehen worden sind, vertraglich gesichert. In letzterer Beziehung ist nämlich hervorzuheben, daß zwar in den gesetzlichen Befugnissen der verschiedenen Arten russischer Zollstellen, wie sie in der dem Reichstage vorgelegten Denkschrift zu dem bestehenden Vertrage (Drucksache Nr. 190 der 9. Legislaturperiode II. Session 1893/94 S. 77) aufgeführt sind, eine Änderung nicht eingetreten ist, daß aber der russische Finanzminister von seiner in der genannten Gesetzesstelle vorgesehenen Befugnis zur Zuständigkeitserweiterung vielfach Gebrauch gemacht hat. || Wenn auch nicht alle deutschen Wünsche erfüllt worden sind, so wird doch dem Verkehrsbedürfnis im großen und ganzen durch die neuen Zugeständnisse Rechnung getragen. Zudem haben beide Regierungen sich verpflichtet, begründete Anträge der Gegenseite auf Errichtung neuer Zollstellen sowie auf Rangerhöhung oder Befugniserweiterung vorhandener Ämter auch während der Dauer des Vertrages mit Sorgfalt zu prüfen und ihnen nach Tunlichkeit zu entsprechen. || Die übrigen Bestimmungen dieser Ziffer enthalten teils Festlegungen des bestehenden Zustandes, teils nicht unwesentliche Erleichterungen des Verkehrs. Was insbesondere den neuen § 12a anlangt, so haben die am Export nach Rußland beteiligten Kreise es seit langem beklagt, daß es infolge des Mangels eines amtlichen Warenverzeichnisses zum russischen Zolltarif oder wenigstens einer übersichtlichen Sammlung der zahlreichen, die Auslegung des Tarifs betreffenden Zirkulare des russischen Zolldepartements unmöglich sei, rasch und genau Aufschluß über die Tarifierung der nach Rußland einzuführenden Waren zu erhalten. Wenn sich nun auch die Russische Regierung außerstande erklärt hat, unserem Wunsche entsprechend ein amtliches Warenverzeichnis zu ihrem Zolltarif zu veröffentlichen, so wird sie doch den Interessen des deutschen Ausfuhrhandels dadurch Rechnung tragen, daß sie innerhalb Jahresfrist nach Inkrafttreten des neuen Vertrags eine systematische Sammlung der erwähnten Zirkulare und der Entscheidungen des dirigierenden Senats sowie ein alphabetisches Verzeichnis der Waren herausgeben wird, die im Tarif sowie in diesen Zirkularen und Entscheidungen benannt sind. ||

In dem geltenden § 15 des dritten Teils des Schlußprotokolls hat die Russische Regierung eine Revision und Vereinfachung des Systems der Strafen für unzutreffende Deklaration eingeführter Waren zugesagt. Ihrer damit übernommenen Verpflichtung ist sie durch Erlaß der Strafvorschriften in den Regeln über die Zollabfertigung vom 15. Mai 1901 und den Bestimmungen über die Einfuhr ausländischer Waren vom 8. Juni 1903 im wesentlichen nachgekommen, so daß der geltende § 15 gegenstandslos geworden ist. Die neuerlassenen Strafvorschriften enthalten wesentliche Verbesserungen und Erleichterungen gegenüber dem damals geltenden Rechte. Zunächst ist die wichtige, mit den Vorschriften des Vereinszollgesetzes übereinstimmende Neuerung zu erwähnen, daß Personen, deren Geschäft es nicht ist, ausländische Waren durch die Zollämter zu beziehen, für unrichtige Angaben in den der zollamtlichen Revision zugrunde zu legenden Besichtigungsurkunden nur dann in Strafe genommen werden können, wenn eine Schädigung des Zollaufkommens nachweisbar beabsichtigt gewesen ist. Für Frachtführer, Spediteure, Kommissionäre, Schiffs- und Floßführer sowie sonstige Gewerbetreibende ist sodann allerdings, was jedoch ebenfalls den deutschen Vorschriften entspricht, der Grundsatz beibehalten worden, daß die bloße Tatsache der Abweichung der Angaben in den Besichtigungsurkunden oder des Fehlens von Begleiturkunden überhaupt die Defraudationsoder Kontrebandestrafe nach sich zieht. Aber auch für sie sind die Strafen gegen früher wesentlich ermäßigt, und es wird in vielen Fällen von einer Strafe ganz Abstand genommen, wenn bestimmt vorgesehene Umstände die Unregelmäßigkeit entschuldbar erscheinen lassen. Nur in einer Beziehung enthalten die jetzigen Strafvorschriften eine gewisse Verschärfung. Nach den früheren Bestimmungen war den Gewerbetreibenden bei unrichtigen Angaben allgemein der Gegenbeweis ihrer Unabsichtlichkeit gestattet, und es wurden alsdann kraft gesetzlicher Vorschrift die fälligen Defraudations- oder Kontrebandestrafen in sogenannte Akzidenzien gemildert, deren Höchstbetrag in dem bestehenden Vertrage auf 5 Prozent festgesetzt wurde. Auch stand die Milderungsbefugnis in gewissen Grenzen schon den Zollämtern und den Zollbezirkschefs zu. Die Akzidenzien in diesem Sinne sind nun durch die neuen Strafvorschriften beseitigt, und die allgemeine Milderungsbefugnis der Zollämter und der Zollbezirkschefs ist aufgehoben worden. Abgesehen von dem der Zuständigkeit des Zolldepartements überlassenen besonderen Fall des Artikels 308 der Zollregeln steht gegenwärtig nach Artikel 309 daselbst dem Finanzminister ausschließlich eine allgemeine Nachsichtsbefugnis zu, deren Ausübung allerdings jetzt stets die gänzliche Nieder

schlagung der Strafe ohne Verhängung von Akzidenzien zur Folge hat. || Die Bemühungen, bei der Russischen Regierung hier eine durchgehende Änderung herbeizuführen, und die allgemeine Milderungsbefugnis der Zollämter und der Zollbezirkschefs wiederherzustellen sowie beim Nachweise der Unabsichtlichkeit eines Verstoßes allgemein geringe Ordnungsstrafen an die Stelle der Defraudations- und Kontrebandestrafen zu setzen, sind vergeblich gewesen und mit dem Hinweis auf die erwähnten vielfachen besonderen Fälle der Nichtbestrafung von Unregelmäßigkeiten und die angeführte Befugnis des Finanzministers bekämpft worden. Auch wurde dagegen geltend gemacht, daß die Zollregeln insofern eine außerordentliche Erleichterung gewährten, als die Zollpflichtigen anstatt der Zollerklärungen die ausländischen Originalfakturen und Spezifikationen vorlegen könnten, welche die Menge der Waren nur nach den am Abgangsort gebräuchlichen Einheiten und ihre Beschaffenheit nur nach der handelsüblichen Benennung, nicht nach der Bezeichnung des russischen Tarifs und unter Hinweis auf dessen Vorschriften, zu enthalten brauchten (vgl. Artikel 14 und 15 der Zollregeln). Dadurch würden strafbare Ungenauigkeiten fast ganz vermieden werden können. || In einem wesentlichen Einzelpunkte ist aber auch hier die Russische Regierung entgegengekommen, indem sie, wie in dem neugefaßten § 15 näher bestimmt worden ist, die nach § 292 der Zollregeln straffreie Fehlergrenze in den Gewichtsangaben der Besichtigungsurkunden von 5 Prozent auf 10 Prozent des Gesamtgewichts der zollpflichtigen Waren oder Gegenstände erhöht hat. Dieses Zugeständnis wird in Wirklichkeit die Straffreiheit wohl aller unabsichtlichen Gewichtsabweichungen zur Folge haben und ist daher immerhin von solcher Bedeutung, daß über die anderen abgelehnten Änderungsanträge hinweggesehen werden kann, zumal wenn der Artikel 309 der Zollregeln, der nach Artikel 263 der Einfuhrbestimmungen bei diesen gleichfalls zur Anwendung kommt, weitgehend gehandhabt und damit auch jeder sonstige „ersichtlich ohne Böswilligkeit begangene Fehler" tatsächlich straflos gelassen wird. Unredliche Personen gegen Strafen zu schützen, ist auch nicht der Zweck der früheren Vereinbarungen gewesen. || In dem Unterzeichnungsprotokoll zum Zusatzvertrage sind noch einige Punkte geregelt, von denen folgende hervorzuheben sind: || 1. Die durch die Brüsseler Zuckerkonvention vom 5. März 1902 bedingte Erhebung von Zuschlagszöllen von russischem Zucker hatte seinerzeit der Russischen Regierung Veranlassung zu Vorstellungen bei einzelnen Konventionsstaaten gegeben, welche auf der Auffassung der Unvereinbarkeit dieser Zuschlagszölle mit der allgemeinen Meistbegünstigung beruhten. Soviel

Deutschland anlangt, hat diese Frage ihre Erledigung gefunden durch eine Vereinbarung, nach welcher Rußland die Befugnis Deutschlands zur Erhebung von Zuschlagszöllen von russischem Zucker für die Dauer der Brüsseler Konvention und die Teilnahme Deutschlands an dieser anerkennt, Deutschland dagegen sich verpflichtet, von dieser Befugnis nur nach Maßgabe der Brüsseler Konvention und der Beschlüsse der Brüsseler ständigen Kommission Gebrauch zu machen. || 2. Die drohende Einverleibung des finnischen Zollgebiets in dasjenige Rußlands beunruhigt schon seit geraumer Zeit unsere Geschäftswelt, die von einer derartigen Maßnahme, da die russischen Zölle die finnischen an Höhe weit übertreffen, mit Recht eine schwere Schädigung unseres blühenden Einfuhrhandels nach Finnland befürchtet. Vor allem besteht eine gewisse Besorgnis, daß Rußland ganz unvermittelt diese Einverleibung vornehmen könnte. Bis jetzt war diese Frage in dem, einen Teil des bestehenden Handels- nnd Schiffahrtsvertrags bildenden Notenwechsel vom 10. Februar 1894 geregelt gewesen. Diese Noten sind inzwischen gegenstandslos geworden, denn nach ihrem Inhalt hätte sich die Russische Regierung vom 31. Dezember 1903 an in der Lage befunden, die fragliche Einverleibung in vollem Umfange vorzunehmen. Sie hat indessen von dieser Befugnis bisher noch keinen Gebrauch gemacht, neben anderen Gründen besonders wohl deshalb nicht, weil erst Ende 1905 die Privilegien der finnischen Stadt Tammerfors ablaufen, die einer vollständigen Vereinigung der beiden Zollgebiete ohnedies im Wege gestanden hätten.|| Auf eine weitere Bindung der Zollautonomie Finnlands hat sich Rußland nicht mehr einlassen wollen. Die Zusicherungen, die es uns im Protokolle hinsichtlich der rechtzeitigen Benachrichtigung von seinen Plänen und über deren Ausführung gibt, dürften aber genügen, um dem deutschen Handel für den Fall, daß Finnland wirklich in das russiche Zollgebiet einbezogen werden sollte, hinreichend Zeit zu geben, sich darauf einzurichten.

IV. Rumänien.

1. Zu Artikel 1, IV. Beim Abschluß des bestehenden deutschrumänischen Handels-, Zoll- und Schiffahrtsvertrags vom 21. Oktober 1893 hatten die einzelnen rumänischen Gemeinden und Distrikte das Recht selbständiger Erhebung von Akzisengebühren. Es wurde daher im Artikel 12 des bestehenden Vertrags Vorsorge dafür getroffen, daß durch die Erhebung dieser Gebühren die deutsche Ware nicht stärker als die rumänische (einheimische) belastet werde, und daß keine Akzisenerhebung von ausländischen Waren erfolge, sofern nicht gleichartige Waren in dem Erhebungsbezirk erzeugt werden. Nur von diesem letzteren Grund

satz wurde eine Ausnahme zugelassen für gewisse, in Absatz 3 des Artikel 12 des bestehenden Vertrags aufgeführte Gegenstände. || Die Auslegung des Artikels 12 hat während der Geltung des bestehenden Vertrags insofern zu Schwierigkeiten geführt, als Rumänien, entgegen der deutschen Auffassung, sich für berechtigt hielt, auch dann Akzise von ausländischen Waren zu erheben, wenn die akzisepflichtige Ware zwar nicht im engeren Erhebungsbezirk, wohl aber in einer anderen rumänischen Gemeinde erzeugt wurde. || Inzwischen hat die Akzisenerhebung durch das neue rumänische Akzisegesetz vom 28. Februar 1903 eine wesentliche Veränderung erfahren, indem nunmehr die Akzise. gleichmäßig im ganzen Lande vom Staate erhoben wird. Allerdings erfolgt die Erhebung für Rechnung der Gemeinden und ist auf gewisse Waren (Nahrungsmittel, Brennmaterial usw.) beschränkt, allein sie trägt nicht mehr den Charakter einer inneren Abgabe im Sinne des Artikels 12, da sie im ganzen Lande ohne Rücksicht darauf erhoben wird, ob die Waren innerhalb des Landes erzeugt werden oder nicht. Für wenige, in den deutsch-rumänischen Handelsbeziehungen nicht wesentlich in Betracht kommende Gegenstände ist den Gemeinden das Recht zur Steuererhebung vorbehalten worden. || Angesichts dieser Sachlage erschien es unbedenklich, dem von Rumänien geäußerten Wunsche zu entsprechen und die Erhebung von inneren Abgaben in gleicher Weise wie in den bestehenden Verträgen Deutschlands mit Rußland (Artikel 8) und mit Belgien (Artikel 4) zu regeln. Durch die erfolgte Regelung dürften unsere Interessen insofern hinlänglich gewahrt sein, als die neue Vereinbarung jede schwerere Belastung der deutschen Ware gegenüber der einheimischen gleichen Ware oder den gleichen Erzeugnissen der meistbegünstigten Nation ausdrücklich ausschließt. Überdies hat die Rumänische Regierung gelegentlich der Vertragsverhandlungen zu erkennen gegeben, daß sie die im Tarif C aufgeführten Waren nicht mit inneren Steuern zu belasten beabsichtige. || 2. Zu Artikel 2, I. Verschiedene Beschwerdefälle haben es als wünschenswert erscheinen lassen, dafür Vorsorge zu treffen, daß Deutsche, deren Reichsangehörigkeit rumänischerseits bestritten wird und daher zweifelhaft erscheint, bis zur endgültigen Feststellung der Staatsangehörigkeit weder zu militärischen Leistungen. in Rumänien herangezogen, noch der militärischen Musterung und ärztlichen Untersuchung unterworfen werden können. Zu Artikel 2, II. Schon bei Beginn der Vertragsverhandlungen hat Rumänien entscheidendes Gewicht darauf gelegt, neben Tarifzugeständnissen für Mais und Petroleum auch Vergünstigungen für die Fleischdurchfuhr durch Deutschland, sowie für die Fleisch- und Vieheinfuhr nach Deutschland zu erhalten. Dem

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