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als er an Timotheus die Mahnung schrieb: „Bewahre, was dir anvertraut ist, hüte dich vor unheiligen Wortneuerungen und den Streitigkeiten der fälschlich so genannten Wissenschaft, zu welcher einige sich bekannten und vom Glauben abgefallen sind." Das hindert Uns nicht, nützliche Studien in den verschiedenen Zweigen der Wissenschaft, betrieben von jungen Priestern, um sich zur Verteidigung der Wahrheit und zur Entkräftung gehässiger Verleumdung des Glaubens besser auszubilden, für lobenswert zu erachten. Aber wir verhehlen nicht, sondern geben es ganz offen kund, daß Wir es immer als Hauptsache betrachten, daß der Priester, ohne die natürliche und übernatürliche Wissenschaft zu vernachlässigen, sich dennoch zunächst der Seelsorge widmet und jene Aufgaben in Angriff nimmt, welche einen für Gottes Ehre eifernden Priester zieren. „Große Trauer und beständigen Schmerz tragen Wir immer in Unserem Herzen", wenn wir sehen müssen, daß die Klage des Jeremias auch auf die heutige Zeit paßt: „Die Kindlein heischen Brot, und niemand ist, der es ihnen bricht." Auch im Klerus gibt es Männer, welche, von ihren Neigungen fortgerissen, sich gerne mit Angelegenheiten von mehr scheinbarem als wirklichem Nutzen befassen. Dagegen ist die Zahl jener nicht zu groß, welche nach Christi Beispiel das Wort des Propheten zum Grundsatz wählen: „Der Geist des Herrn hat mich gesalbt und gesendet, den Armen das Evangelium zu verkünden, zu heilen, die zerknirschten Herzens sind, und den Gefangenen Erlösung und den Blinden das Gesicht zu verkünden." || Ist nicht unverkennbar, ehrwürdige Brüder, der Unterricht in der Religion hauptsächlich der Weg, die Menschen, die eben von Vernunft und Freiheit sich leiten lassen, unter Gottes Herrschaft zurückzuführen? Zahlreiche hassen Christus und schrecken vor Evangelium und Kirche mehr aus Unwissenheit als innerer Verkehrtheit zurück. Man kann von ihnen mit Recht sagen: „Sie lästern, was sie nicht verstehen." Nicht allein im Volke oder gar bloß in den untersten Schichten kommt dies vor, wo der Irrtum unter den obwaltenden Verhältnissen leicht obsiegt, sondern auch bei den gebildeten Ständen, sogar bei solchen, die im übrigen über ein hervorragendes Wissen verfügen. Aus diesen Ursachen ist bei den meisten das Daniederliegen des Glaubens zu erklären. Kein Fortschritt der Wissenschaft werde als Gefahr für das Glaubenslicht betrachtet, sondern vielmehr der Mangel an Kenntnissen; je größer deshalb irgendwo die Unwissenheit ist, desto weiter greift der offene Abfall vom Glauben um sich. Aus diesem Grunde ist den Aposteln von Christus der Auftrag gegeben worden: „Gehet und lehret alle Völker." || Die erhoffte Frucht eifriger Lehrtätigkeit zur Reife zu bringen und „Christus in allen zu gestalten", dazu ist nun, wie man, ehrwürdige Brüder, warm beherzigen

Staatsarchiv LXXI.

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muß, nichts so mächtig wie die Liebe. Denn nicht im Schrecken des Erdbebens ist der Herr". Umsonst hoffte man die Herzen durch ein strengeres Auftreten für Gott zu gewinnen. Es bringt sogar manches Mal mehr Schaden als Nutzen, wenn man die Irrtümer mit harten Vorwürfen zurückweist und die Fehler zu scharf tadelt. Den Timotheus mahnte der Apostel wohl: „Überweise, bitte, strafe!" aber er fügte noch bei: „in aller Geduld". Gewiß will Christus hier unser Vorbild sein. „Kommet", so sprach er nach der Schrift, „kommet zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken." Unter den Mühseligen und Beladenen verstand er aber keine andern als jene, welche die Banden der Sünde und des Irrtums tragen. Welche Sanftmut im göttlichen Lehrmeister! Welche Milde, welches Erbarmen gegen die Bedrängten jeder Art! Das ist das Herz desjenigen, dessen Bild Isaias mit den Worten gezeichnet hat: „Ich will meinen Geist auf ihn legen... Er wird nicht zanken noch schreien. Das zerknickte Rohr wird er nicht zerbrechen und den rauchenden Docht nicht auslöschen." Diese Liebe muß „geduldig und gütig" auch jene umfassen, welche unsere Widersacher sind oder uns feindselig verfolgen. „Man schmäht uns, und wir segnen," bekannte Paulus von sich,,,man verfolgt uns, und wir dulden, man lästert uns, und wir beten." Sie scheinen vielleicht schlechter, als sie sind. Der Umgang, Vorurteile, Zureden und Beispiele anderer, zuletzt verführerische Menschenfurcht hat sie in das Lager der Gottlosen hinübergeführt. Doch ihr Wille ist nicht so verdorben, wie sie glauben machen möchten. Sollen wir nicht hoffen, daß die Flamme christlicher Liebe von ihren Seelen die Finsternis vertreiben und Gottes Licht und Frieden ihnen bringen werde? Die Frucht unserer Arbeit wird vielleicht manchmal lange auf sich warten lassen. Doch Liebe wird durch Aufschub niemals ermüdet; sie weiß, daß der Lohn von Gott nicht den Früchten unserer Mühen, sondern dem guten Willen verheißen ist. || Diese Worte nun, ehrwürdige Brüder, sollt ihr nicht so verstehen, als sollten euch und eurem Klerus in diesem ganzen und schweren Werke der Erneuerung der Völker in Christus keine Helfer zur Seite stehen. Wir wissen, daß Gott das Gebot der Nächstenliebe für alle gegeben hat. Nicht nur jenen, welche dem Heiligtum sich geweiht, sondern allen Gläubigen obliegt die Pflicht, der Sache Gottes und der Seele zu dienen, natürlich nicht nach eigenem Ermessen und Belieben, sondern immer unter Führung und Gutheißung der Bischöfe; denn niemand ist befugt, in der Kirche vorzustehen, zu lehren, zu leiten, als ihr, die der Heilige Geist gesetzt hat, die Kirche Gottes zu regieren“. Wo Katholiken zu verschiedenen Zeiten, aber immer im Interesse der Religion, sich zu Vereinen zusammenschließen, haben sie längst die Billi

gung und den Segen Unserer Vorgänger erhalten. Auch Wir sprechen zu diesen trefflichen Veranstaltungen Unsere Anerkennung unumwunden aus, und wünschen, daß ihnen in Stadt und Land weite Verbreitung und reiche Blüte beschieden sei. Doch sei es als Unser Wille bekannt gegeben, daß diese Vereinigungen in erster Linie und hauptsächlich auf einen beharrlichen christlichen Lebenswandel ihrer Mitglieder sehen sollen. Denn es hilft wahrlich wenig, wenn über alle möglichen Dinge weitgehende Erörterungen gepflogen werden und über Recht und Pflicht mit dem Aufwand besonderer Beredsamkeit gesprochen wird, aber die Betätigung derselben ausbleibt. Die Zeit verlangt Taten, Taten ehrfurchtsvoller und ausnahmsloser Beobachtung des göttlichen und kirchlichen Gesetzes, Taten des freien und offenen Glaubensbekenntnisses, Taten allumfassender lebendiger Nächstenliebe ohne Rücksicht auf persönlichen und zeitlichen Nutzen. Die rühmlichen Beispiele der Tat auf seiten der vielen Streiter Christi werden zur Belebung und Begeisterung der Herzen weit mehr beitragen als Worte und noch so wohlgebaute Abhandlungen. Leicht werden jene die Furcht bannen, Vorurteile und Zweifel niederschlagen und scharenweise zum Anschluß an Christus führen, seine Kenntnis und Liebe, welche den Weg zu echtem und beständigem Glück bilden, überall verbreiten. Wahrlich, wenn in allen Städten und Dörfern die Gebote Gottes treu beobachtet werden, wenn man das Heilige ehrt, die Sakramente oft empfängt und alles beobachtet, was zur christlichen Lebensweise gehört, dann, ehrwürdige Brüder, wird zur Erneuerung in Christus fast nichts mehr fehlen. Man möge auch nicht glauben, daß der Gewinn der himmlischen Güter allein als der Erfolg dieser Haltung zu betrachten sei; das Gedeihen der zeitlichen und staatlichen Wohlfahrt wird dadurch auch auf das wirkungsvollste Beförderung finden. Die Herrschaft dieses Geistes wird die Hochstehenden und Begüterten zum billigen und liebevollen Beistand der Schwächeren vermögen, diese hinwieder werden die Lasten ihres sorgenvollen Loses ruhig und geduldig tragen. Die Bürger werden nicht den Leidenschaften, sondern den Gesetzen folgen; die Fürsten und alle Staatslenker, deren Gewalt nur von Gott ist", zu ehren und zu lieben, wird heilige Pflicht sein. Sollen Wir noch mehr anführen? In allen wird die Überzeugung erwachen, daß die Kirche als Gründung Christi volle und ganze Freiheit genießen müsse und keiner andern Herrschaft unterworfen sein dürfe; daß Unser Kampf für diese Freiheit nicht nur die Verteidigung der heiligsten Rechte der Religion bedeutet, sondern auch für das gemeine Wohl und die Sicherheit der Völker ein Schutz ist. „Die Gottseligkeit ist nämlich zu allem nützlich“", und wo sie unangetastet ihre Kraft entfaltet, da ,,wohnt wirklich ein Volk in der Fülle des

Friedens". | Gott, der reich ist an Erbarmen", wolle in seiner Güte diese Erneuerung der Völker in Christus bald sich erfüllen lassen; denn sie ist nicht das Werk des Wollens oder des Laufens, sondern des göttlichen Erbarmens". Wir aber, ehrwürdige Brüder, wollen im Geiste der Demut um der Verdienste Christi willen in täglichem und beharrlichem Gebete dies von Ihm erflehen. Wir wollen zudem die so bereite Fürbitte Marias anrufen. Da Wir dieses Rundschreiben am Festtage des heiligen Rosenkranzes erlassen, so verordnen und bestätigen Wir, um ihre Milde zu gewinnen, gleichermaßen alles, was Unser Vorgänger über die Weihe des Oktobers an die himmlische Jungfrau und über die öffentliche Abhaltung des Rosenkranzgebetes in den Gotteshäusern verordnet hat; überdies ermahnen Wir, auch die Fürbitte des Patrons der Kirche, des reinsten Bräutigams der Gottesmutter, und der heiligen Apostelfürsten Petrus und Paulus anzurufen. || Die segensreiche Erfüllung aller dieser Erwartungen und die glückliche Befriedigung eurer Wünsche erbitten Wir vom Beistand reichlicher Gnade Gottes. Zum Zeugnis Unserer herzlichen Liebe, mit der Wir euch und alle Uns von der Vorsehung anvertrauten Gläubigen umfassen, erteilen wir euch, ehrwürdige Brüder, eurem Klerus und Volk mit größtem Wohlwollen den apostolischen Segen im Herrn.

Gegeben zu Rom, bei St. Peter, am 4. Oktober 1903 im ersten Jahre Unseres Pontifikates.

Pius PP. X.

Grofsbritannien und der Kongostaat über die Eingebornen- und Handelspolitik des Kongo

staats.

1903-4*).

Nr. 13373. GROSSBRITANNIEN. - Der englische Gesandte in

Brüssel an den Minister des Ausw. Berichtet
über die Einsetzung einer Schutzkommission im
Kongostaat für die Schwarzen im Jahre 1896.
Anlagen über die Tätigkeit der Kommission.
Brussels, May 18, 1903. (Received May 19.)

(Extract.) || M. de Cuvelier handed to me this morning the documents herewith inclosed on the subject of the working of the Commission for the Protection of the Natives, instituted by the Congo State Government under the Decree of the 18th September, 1896, which had been collected and prepared for me in consequence of my request made to that effect the day before yesterday. || The following narrative can be elicited from these papers: After the promulgation of the Decree whereby the Commission of six was composed in equal proportions of Protestants and Catholics, no time was lost in conveying instructions to the GovernorGeneral as to its object and its constitution. He, on his part, at once. communicated with the members, appointing Mr. Grenfell as Secretary, and giving him full instructions. The latter proceeded on the 28th December to point out the difficulties in the way of executing the task arising out of the great distances at which the members resided, and of finding a central place for meeting, and of obtaining a quorum. He, however, accepted the appointment, and promised to achieve a meeting in the following February or May. Letters of acknowledgment were received from other members, one of whom declared that in the district. of Stanley Pool there were no acts of violence worthy of notice, and that all the District Commissioners properly performed their duties. || Meantime, on the 27th February, 1897, a fresh Circular was sent from

*) Cd. 1194, 1933, 2097.

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