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der Fall gewesen ist.1) Wir haben auch etwelchen Grund anzunehmen, dass namentlich Deutschland, welches im Jahre 1899 sich einer richtigeren Redaktion dieser beiden Artikel widersetzte, diesen Widerspruch nicht festhalten wird, womit eine grosse Frage des jetzigen Kriegsrechtes aus der Welt geschafft wäre. 2) Natürlich würden die grossen Fragen der allgemeinen Abrüstung und der schiedsgerichtlichen Erledigung von Staatsstreitigkeiten auch wieder auf die Tagesordnung einer solchen Konferenz kommen, wenn auch mit geringer Aussicht auf Erfolg. Immerhin haben die seitherigen Schiedsgerichtsverträge der einzelnen Länder gezeigt, dass die schweizerische Abordnung an der parlamentarischen Conferenz in Bern von 1892 gänzlich im Rechte war, wenn sie, gegenüber den übertriebenen Anforderung von Trarieux und Konsorten, Fragen, die die Ehre und Selbständigkeit eines Staates anbetreffen, nicht einem obligatorischen Schiedsspruch unterwerfen wollte. Ebenso haben die seither ergangenen Schiedssprüche des Haager-Gerichtes dieses

1) Vgl. hierüber Jahrbuch XV «Die Schweiz und die HaagerVerträge».

2) Ein Artikel der «Militärzeitung», der sich auf eine Schrift des deutschen Generalstabs über den Kriegsgebrauch im Landkriege stützt, sagt darüber wenigstens:

,,Man ist in der Praxis zu dem Grundsatz gekommen, dass man von den irregulären Formationen nicht unbedingt die Autorisation des Staates verlangt, sondern sich mit dem Vorhandensein einer militärischen Organisation und damit begnügt, dass sie an ihrer Spitze eine Persönlichkeit haben, welche für das Verhalten seiner Untergebenen der eigenen Regierung verantwortlich ist, dass sie ferner mit deutlich sichtbaren, weithin erkenntlichen (!) Abzeichen versehen sind, und dass sie endlich bei ihrer Kriegführung die Kriegsgesetze und Gebräuche beobachten."

Instrument des Friedens als ein zweckmässiges erscheinen lassen.

Es bedürfte nun nur noch eines weitern Ausbaues dahin, dass ein Krieg unter Vertragsmächten, analog den Bestimmungen des Congo-Vertrages, nicht ohne vorherigen Vermittlungsversuch durch dritte Vertragsmächte angefangen werden dürfe. Damit würde auch die ganze Frage der «Kriegserklärung» erledigt sein. Wir hatten auch diesen Vorschlag 1892 eingebracht, aber die parlamentarische Conferenz hatte auch hiefür, vermöge ihrer wenig geeigneten Zusammensetzung, kein hinreichendes Verständniss. Der gegenwärtige Krieg wäre muthmasslich bei Bestand eines solchen Artikels gar nicht zu Stande gekommen, oder er hätte wenigstens einen ganz anderen Anfang gehabt. Es wäre das das wirksamste Mittel zur Verhinderung der Kriege, das einstweilen zu Gebote steht.

Auswärtige Verhältnisse, die uns interessiren. Amerika. «Denn nach Westen flieht die Weltgeschichte Du, als Herold, schreitest ihr voran.»>

Dieses Wort eines Dichters und Denkers ist während unserer Lebenszeit zur Wahrheit geworden. Die Führung in den Geschicken der Welt ist in dieser Periode von England, das seit dem Wiener-Congress auf der Höhe seiner Bedeutung stand, an Amerika übergegangen, und auch dort geht dieser seltsame Zug von den alten Oststaaten der Republik nach dem Westen und nun seit dem spanischen Krieg über denselben hinaus, bis er jetzt wieder auf diesem Wege im äussersten Osten angelangt ist und der Kreislauf über Japan, China, Indien, Kleinasien, die Kulturländer der alten Welt, Europa im Osten erreicht, da wo der Mann aus Macedonien dem Kleinasiaten Paulus zurief: «Komm herüber und hilf uns»1)

Vor der Hand ist die grosse amerikanische Republik das Hauptland für die politische Geschichte der Welt geworden und feiert gerade in diesem Jahre den Beginn dieses <<Zuges nach Westen», welcher im Jahre 1803 mit dem charakteristischerweise «kaufmännischen» Erwerb von Louisiana seinen Anfang nahm.

Der japanesische Krieg ist eine grosse weitere Etappe in diesem Entwicklungsgang und vielleicht wird ein energischer Staatslenker, wie er muthmasslich in Bälde neuerdings für vier Jahre am Ruder steht, es versuchen, am Ende dieses Krieges den Weltfrieden durch einen auf

1) Ap. Gesch. XVI, 9.

amerikanischem Boden abzuhaltenden Kongress zu sichern und damit für die grösste der Republiken den Ehrenplatz des Weltfriedensstifters zu gewinnen, welchen der mäch tigste und unumschränkteste der Monarchen nicht zu be haupten im Stande war. Die Vollmacht zu einer solchen gewaltigen Evolution über alle ursprünglichen amerikanischen «Staatsgedanken» und über die darauf folgende, lange als Staatsprogramm geltende, Monroe-Doktrine hinaus wird das amerikanische Volk durch die Elektorenwahlen dieses Spätherbstes dem Präsidenten Rooseveldt zu ertheilen, oder zu verweigern haben.

Da vielleicht einigen unserer Leser die Entwicklung des grossen Staates, welcher in dieser Weise bestimmt scheint die republikanische Staatsform auf der ganzen Erde und in der Weltpolitik zur «führenden» zu machen, nicht so geläufig ist als es sein sollte, wollen wir hier eine kurze Uebersicht der Hauptereignisse seines bisherigen politischen Lebens anfügen:

Amerika ist als Staat von vorneherein durch zwei entgegengesetzte Strömungen begründet worden, die noch heute in seiner Entwicklung deutlich sichtbar sind, durch Minengesellschaften und kaufmännische Handelsstationen, die nur auf Geldgewinn ausgingen einerseits, und anderseits durch freigeartete Leute, welche einem politischen oder religiösen Druck entgehen wollten. In dieser Weise erhielten zwei Handelscompagnien 1606 von König Jakob I. von England eine Konzession für das Land vom 34. bis 45. nördlichen Breitegrad, woraus die Colonie Virginien entstand, die dann 1612 den Tabakbau und 1619 die ersten Negersklaven zu diesem Betriebe einführte, während im folgenden Jahre die berühmten Schiffe Speedwell und Mayflower die sog. «Pilgerväter» (religiöse Sek

tirer, die zuerst aus England nach Holland geflüchtet waren) in Massachusetts landeten, welche die noch heute edelste und beste Bevölkerung der Vereinigten Staaten begründet und den Staat mit ihrem puritanischen Geiste erfüllt haben. Hier entstand endlich der Calvin'sche Gottesstaat, der in England nicht zur Ausführung gekommen war, und die erste Universität desselben, Havard College, 1638. Dagegen versuchten schon 1663, unter der Regierung Carls II., einige adelige Charterinhaber von dem Schlage der jetzigen südafrikanischen Minenbesitzer, in einer andern englischen Colonie, Carolina, eine von den Philosophen Locke und Lord Shaftesbury erfundene aristokratische Staatseinrichtung zu begründen und dieser Staat ist auch später, als dieses Kunststück längst missrathen war, das Hauptland der südlichen Pflanzer geblieben und ist es bis auf einen gewissen Grad noch jetzt. Dazu kam dann noch als eine dritte Colonie Pensylvanien, eine Ansiedlung aus allen Nationen Westeuropas mit einem entschieden quäkerischen Typus und einer von Anfang an sehr demokratischen Verfassung. Die Südgränze von Pensylvanien, die in den Jahren 1763 -67 von zwei Feldmessern, Mason und Dixon, gezogen wurde, bildete nachmals die Scheidelinie zwischen Nord und Süd der Vereinigten Staaten, sowie zwischen Sklavenstaaten und Freistaaten. Die Sklavenstaaten, die zuerst Tabak, Reis, Indigo bauten, gingen seit 1793, infolge der Erfindung der Baumwollpresse, mehr und mehr zur Baumwollkultur mittelst Sklavenarbeit über. ,,Cotton is king" wurde das Feldgeschrei der südlichen aristokratischen Pflanzer, wobei sie bis in unsere Tage hinein durch ihre feiner gebildeten Staatsmänner und Staatsrechtslehrer die Union zu beherrschen und ihr System

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