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durch den strengsten Föderalismus zu sichern verstanden, föderalistisch soweit es ihr Vortheil war, unionistisch soweit sie herrschen konnten, so wie die Föderalisten eben überall sind. Sie hatten Anfangs alle Vortheile für sich und noch in unserer Jugend wollten uns die Romane Sealsfields überreden die «patriarchalische» Herrschaft von weissen, vornehmgearteten Familien über eine schwarze Sklavenbevölkerung, die sie angeblich wie «Kinder» behandelten (die sie zwar auch oft waren) als etwas Wunderherrliches, oder wenigstens für die Kultur der Union und sogar Europa's Nothwendiges anzusehen, bis «Onkel Tom's Hütte», dieses Truggewebe zerriss. Das Verhältniss der Colonien zum Mutterlande war unsicher, soweit nicht ihre Charten (Conzessionen) entschieden; namentlich war ihr inneres Gesetzgebungsrecht, abgesehen von Handels-, Zollund Schifffahrtssachen, bei der damaligen ungeheuren Entfernung in weitgehendem Masse anerkannt und thatsächlich Steuerfreiheit gegenüber dem Mutterlande vorhanden. Diese Steuerfreiheit war es denn auch, die den Ausgangspunkt zu der Ablösung der nach und nach zu 13 angewachsenen englischen Colonien vom Mutterlande herbeiführte, indem durch Lord Grenville 1765 ein Stempelgesetz durchgeführt werden wollte, zum Zwecke des Unterhalts regulärer Truppen in den Colonien. Beides, die Besteuerung durch das englische Parlament, in dem sie nicht vertreten waren, und der Zweck, Unterhalt von regulärem englischem Militär, widerstand dem Freiheitsgefühl der Colonien, die am 7. Oktober 1765 behufs Organisation einer gemeinsamen Opposition ihren ersten Kongress in New-York abhielten. Da der Stempel sich als nicht durchführbar erwies, fing die englische Regierung statt dessen eine neue Zollpolitik an, nicht unähnlich derjenigen, wie

jetzt Herr Chamberlain sie betreibt, und wollte den Colonien einen Theezoll zu Gunsten der ostindischen Compagnie auflegen, der kleiner war, als derjenige, welchen die Engländer selber zahlten, also eigentlich eine Begünstigung war, aber doch ein Zoll. Dies brachte den Widerstand in Boston zum Ausbruch, wo am 28. Dezember 1773 eine Ladung Thee ins Meer geworfen und hierauf die Stadt militärisch besetzt wurde. Nun erst tauchte das politische Programm auf, die Colonien seien in ihrer inneren Verwaltung überhaupt frei und von England, nur insoweit es die Regelung des äussern Handels betreffe, abhängig, ungefähr ähnlich wie die Stellung von Transvaal, nach englischer Ansicht, vor dem Krieg. In diesem Sinne fand eine erste gesetzgebende Versammlung der 13 Colonialstaaten in Philadelphia statt, und zugleich begann der Krieg, oder wenn man will, die Revolution, mit einem Scharmützel der Massachusetts-Miliz gegen die englischen Truppen bei Lexington, am 19. April 1775. Mit dem Krieg musste erst der Muth zu Weiterem kommen, und am 4. Juli 1776 wurde nun die «Unabhängigkeit» der 13 Colonien in einem berühmten Aktenstück, das im Original jetzt fast unlesbar geworden ist, erklärt, worauf Frankreich, nach einem Siege der amerikanischen Milizen unter Washington über den englischen General Bourgoyne bei Saratoga, die Unabhängigkeit anerkannte und mit den «Vereinigten Staaten» ein Bündniss abschloss, 6. Februar 1778. 1780 landete in Folge hievon eine französische Hülfstruppe unter Rochambeau in Amerika, und 1781 musste der englische General Cornwallis in Yorktown kapituliren. 1783 wurde der Friede mit England unter Anerkennung des neuen Staatswesens geschlossen. Die erste Verfassung des Staates waren die sog. Confödera

tionsartikel von 1778, die bis zum März 1781 von allen 13 Staaten ratifizirt wurden und einen sehr lockern Staatenbund darstellten, mit einem Kongress, in dem jeder Staat, klein wie gross, eine Stimme hatte, wobei für wichtige Sachen 9 Stimmen Mehrheit erforderlich waren. Gesetzgebende Gewalt und Steuerhoheit hatte die Union gar nicht, ebensowenig regelte sie die auswärtigen Handelsbeziehungen und kein Staat konnte überhaupt vom Kongress zu etwas Wesentlichem gezwungen werden. Nicht einmal Einfuhrzölle durfte die Union erheben und doch waren 40 Millionen Dollars Schulden zu decken, worunter 5 Millionen Rückstände an das Heer. Aus diesen innern Schwierigkeiten heraus entstand, nach grossen Kämpfen mit dem unentschlossenen Föderalismus und den verkappten Freunden der Engländer, am 17. September 1787 durch einen Verfassungsrath, die «General Convention», die jetzige Verfassung (ausser den allmählig dazu kommenden 15 Additionsartikeln), die bis 1790 von allen 13 Staaten angenommen wurde. Durch Ueberlassung des von England 1783 abgetretenen Landes zwischen den Alleghanies und dem Mississippi Seitens der einzelnen Staaten, die zuerst darauf Anspruch erhoben hatten, an die Union, erhielt diese nun noch einen gewaltigen Landbesitz und die zeitweilige Regierung desselben durch Unionsbeamte, bis sich durch genügende Ansiedlung daselbst Staaten bilden würden. Denselben wurde die Aufnahme in die Union zu gleichen Rechten zugesichert, aber zugleich die Sklaverei auf immer dort verboten. So entstand allmählig die Unionssouveränität neben und über der Souveränität der Einzelstaaten, die es mehrmals vergeblich, zuerst theoretisch durch Jefferson und Calhoun, sodann praktisch durch die Sezession versuchten, ihre

unbedingte Souveränität aufrecht zu halten und jeden Beschluss der Union für ihr Gebiet verbindlich oder unverbindlich erklären zu dürfen.

Am 4. März 1789 begann unter dem ersten Präsidenten Washington das Staatsleben der Union, mit bloss 4 Millionen Menschen. Die erste grosse Staatsfrage, neben dem Ausbau der Verfassung (namentlich der individuellen Rechte mittelst 10 Additionsartikeln im 1. Congress) war die Frage: Schutzzoll- oder Freihandelssystem und die sog. Assumption, d. h. Uebernahme der sehr ungleichen Staatsschulden der Colonien; ebenso entstand eine Vereinigte Staaten Bank, die aber später wieder durch Jackson beseitigt wurde. Alles das war jedoch von geringerer Bedeutung, als das grosse Verbrechen und Unglück der Sklaverei, das auf der neuen Republik lastete. Zwar war seit 1. Januar 1808 die Einfuhr von neuen Sklaven verboten worden, dafür aber kamen durch den Ankauf von Louisiana von Frankreich im Jahre 1803 eine Masse von solchen und ein grosses neues Gebiet mit Sklavenarbeit in die Union, und in diesen Südstaaten fing nun, neben dem fast ausschliesslichen Baumwollbau, die eigentliche einheimische «Sklavenzüchterei» an. Das führte in den Jahren 1820/21 zu zu dem sog. «Missouri-Compromiss>> durch welchen, entgegen der Mason- und Dixonlinie und der sog. «Ohio-Ordonnanz», Missouri als neuer Sklavenstaat aufgenommen wurde. Damals leuchtete zuerst von Ferne das Wetter auf, das sich dann in den Jahren 1860-65 entlud. Inzwischen erfolgte die grosse Colonisation des neuen Westgebietes und sodann am 2. Dezember 1823 die berühmte Monroe-Doctrin des Präsidenten James Monroe, die bis zum heutigen Zeitpunkt gegolten hat und Colonisation europäischer Mächte auf

dem amerikanischen Continent, in ihrer weitern Auslegung überhaupt Einmischung Europa's in Angelegenheiten dieses Continents, als unzulässig erklärte. Henry Clay wollte schon damals weiter gehen und ganz Amerika als eine staatliche Einheit zusammenfassen. Der ErieKanal wurde 1825 die grosse Verbindung des Nordwestens mit New-York, damals ein so grosses Handelsereigniss, als es jetzt der Panamakanal ist. Mit Jacksons Präsidentschaft 1828 begann die demokratische Korruption, das sog. <Rotationssystem» der hohen, von dem Präsidenten abhängigen Aemter, nach dem Grundsatz «dem Sieger die Beute». Von 1832 ab entstanden daraus die zwei grossen Parteien des Landes mit Gruppenvorberathung (Caucussystem), die fortan Alles entschieden und die Kandidaten für die Präsidentenwahl verbindlich nominirten, womit zuerst die südlichen Föderalisten angefangen hatten; damit natürlich auch das Vorwiegen dermateriellen Interessen über die idealen. Dasselbe wurde durch den grossen materiellen Aufschwung der Zeit noch vermehrt. 1838 gingen die ersten grossen Dampfer über den atlantischen Ocean und gleichzeitig entstanden die grossen Minen- und Eisenindustrien und die Eisenbahnen. 1845 wurde der letzte neue Sklavenstaat, Texas, unter grossem Widerwillen des Nordens aufgenommen; 1848 und 1853 wurden die weitern neuen Staaten, die von Mexiko erobert worden waren, angeschlossen und 1846 mit England die Gränze in Alasca und Oregon festgestellt, die im letzten Jahre wieder streitig geworden ist. 1848 wurde bei der heutigen Stadt Sacramento Gold entdeckt und es entstand mit Californien der erste neue Staat, dessen Verfassung die Sklaverei ausdrücklich ausschloss. Durch die massenhafte Zunahme der Bevölkerung verlor auch

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