wenigstens das bitterste Elend dort oben einigermassen zu lindern. Von einem allmählig wieder beginnenden geordneten Farmbetrieb ist gar keine Rede. Englische Blätter sind es, die in entrüsteten Worten Beschwerde darüber führen, dass die Kommissionen zum Wiederaufbau der Heimstätten und zur Versorgung der Farmer mit Saatgetreide aus den anrüchigsten Kriegshetzern beständen und dass hundertweise Menschen unglaublich hohe Di. äten für diese «Arbeit» bezögen, die vom zehnten Theil der Angestellten bequem erledigt werden könne. An die von Milner und Kitchener, Chamberlain und Edward VII. feierlich zugesagte «baldige Verleihung der Selbstverwaltung» an die Transvaal- und Oranjeburen denkt kein Mensch, und wie einsichtige Briten, die jüngst das Land bereisten, mir versicherten, sind die Buren darauf gefasst, dass sie in den nächsten fünf Jahren noch keine Con., stitution erhalten würden! In Johannesburg regieren lediglich Lord Milner und seine einflussreichen Auftrag. geber, die Herren Beit und Consorten, die einzig das Ohr des hohen Commissars haben und deren Bestechungsgelder vor vierzehn Tagen den «glänzenden Empfang» des zurückgekehrten Milner zuwege brachten, über dessen Humbug sich alle englischen Witzblätter in drastischen Abbildungen lustig machten.» So wird es ungefähr noch bis heute geblieben sein, Ueber Glaubenskämpfe, die gegenwärtig in der Burenkirche ausgefochten werden, berichtet Pfarrer Schowalter in der «Christl. Welt». Die erste Landessynode der Buren nach dem Kriege, die im Mai 1903 stattfand, beschäftigte sich auch mit der Frage der surrenders und scouts, d. h. derjenigen Buren, die nicht bis ans bittere Ende ausgehalten, sondern aus irgend welchen Gründen freiwillig die Waffen niedergelegt hatten. Das Resultat der Verhandlungen war ein Hirtenbrief, der am 20. Mai gegen die «Untreuen» veröffentlicht wurde. Die Kirche von Transvaal gab darin ihrer Ueberzeugung Ausdruck, dass diese «Abtrünnigen» schwere Sünde gegen Gott und Menschen auf sich geladen hätten und das hl. Abendmahl nicht mehr mit Gewissensruhe geniessen könnten, so lange sie sich nicht gebessert und bekehrt hätten. In diesem Sinne aber bot der Hirtenbrief den surrenders und scouts die Hand zum Frieden. Die letztern aber wollten nicht einsehen, dass sie ein religiöses und kirchliches Unrecht begangen haben, für das sie Busse thun müssten. Sie stellen Gotteswort gegen Gotteswort. Abgeordnete dieser «Untreuen» verständigten sich zunächst mit dem englischen Gouverneur, der ihnen weitgehende Unterstützung zusagte, und verlangten darauf Zurücknahme des Hirtenbriefes. Als dies verweigert wurde, berieten die «Abtrünnigen» auf einer im Oktober vorigen Jahres abgehaltenen Conferenz darüber, eine eigene Kirche zu gründen. Nach vielem Streiten und Verhandeln wurde im Februar dieses Jahres mit 28 gegen 25 Stimmen die Neugründung wirk. lich beschlossen. Das Gouvernement hat unablässig zu dieser Neugründung angereizt; denn England hofft durch diese kirchliche Spaltung die Kraft des Burenthums endgültig zu brechen. Wenn die Separation auch nicht auf einen grossen zahlenmässigen Erfolg rechnen darf und wenn auch täglich heute in den Schoss der Mutterkirche zurückkehren, so ist die kirchliche Spaltung der Buren doch Thatsache geworden. Der Führer der «Abtrünnigen >> ist Pastor Brink, der seit 1895 unablässig gepredigt hat, dass eine bewaffnete Opposition gegen die Weltmacht England dem Volke Unheil bringen müsse. Jetzt eifert er gegen die, die «unreines Herzens» sind und «die Po. litik in die Kirche tragen» und verdammt den Hirtenbrief der Burenkirche als widergöttlichen «päpstlichen Bannfluch.» (Reichsbote). Im Mai wurde eine Delegirtenversammlung der Boeren in Pretoria abgehalten, deren Stimmung nicht absolut englandfeindlich zu sein schie n. Man muss jedoch dabei stets die Boeren-Natur mit in Rechnung ziehen. Der Congress beschloss wenigstens die Einsetzung einer «permamenten Commission zur Wahrnehmung der Interessen der Boeren-Nation in der Colonie Transvaal»; daraus kann dann gelegentlich wieder eine provisorische Nationalregierung werden. Die Kleinsta a ten spielen in der Weltpolitik jetzt eine sehr kleine Rolle. Es ist daher gut, wenn sie sich recht bewusst bleiben, was dagegen ihre Aufgabe ist, und dass die höchsten Lebensgüter der Menschheit, hellenische Geistesfreiheit, christliche Tugend, schweizerische, holländische und amerikanische republikanische Freiheit ihren Ursprung sämmtlich nicht in Grossstaaten gehabt haben. Das wird muthmasslich auch noch lange Zeit so bleiben. Die Grossstaaten werden stets mit ihrer wechselvollen und nicht immer ganz tadellosen Politik zu viel zu thun haben, um mehr metaphysischen Interessen gehörige Aufmerksamkeit erweisen zu können, während die kleinen hingegen einstweilen ihr Reich nicht in dieser Welt zu suchen haben. Ein Mittelding zwischen Gross und Klein ist, vermöge seiner Verbindung mit der grossen afrikanischen Politik und der Natur seines gegenwärtigen Herrschers, der Neutralstaat Belgien. Es ist schon auffallend, dass diese Neutralität plötzlich und fast gleichzeitig der Gegen. stand mehrerer gelehrter Untersuchungen geworden ist, von denen wir sofort im nächsten Kapitel sprechen wer: den. Denn es ist im Allgemeinen von ihr (wie von den . guten Frauen) zu sagen, es ist besser, wenn man nicht viel von ihr redet. Was ist das aber, ganz abgesehen von der Frage über die Entstehung und die Art der Garantie der belgischen Neutralität, für ein neutraler Staat, dessen Souverän gleichzeitig ein ungeheures und von mehreren Nachbaren heftig begehrtes afrikanisches Reich regieren soll und es, allem Anschein nach, auf eine sehr mangelhafte Art regiert. Diese Verhältnisse des Congostaates kamen im Juni dieses Jahres in dem englischen Parlament zur Besprechung und wir gestehen, dass wir daraus, wie das Genfer Journal, zu der Ueberzeugung gelangt sind, dass es sich doch nicht bloss um eine zu egoistischen Zwecken erhobene englische Anschuldigung, sondern um eine wirkliche grausame Ausbeutung der dem König von Belgien anvertrauten Afrikaner handelt. Es war besonders ein Buch eines von dort zurückkehrenden belgischen Junkers, de Mandat Grancey, das in ganz scherzhaftem suffisantem Tone und ohne alle Entrüstung Scheusslichkeiten in der Behandlung der Eingebornen durch die dortige Administration erzählt, welches es nicht unwahrscheinlich macht, dass dieselbe die Theorien Nietzsche's vom «Herrenrecht» und von der Verwerflichkeit alles Mitleids im afrikanischen Urwald verwirklicht habe. Ziemlich gleichzeitig stieg der König (in dessen Kasse das den Eingeborenen abgepresste Geld fliesst, soweit es die Kosten der Administration übersteigt) durch Prozesse vor den belgischen Gerichten gegen seine Töchter, denen er die Erbschaft ihrer Mutter unter Berufung auf seine exceptionellen Souveränitätsrechte vorenthielt, nicht in der allgemeinen Achtung, von der er ohnehin, vermöge seines Privatlebens, nur einen Bruchtheil besass, während hinwieder auch diese Töchter, die eine wegen einer für sie nnpassenden Heirath, die andere wegen noch weniger, als das, das wenig anziehende Bild einer ganz «modernen» Königsfamilie vervollständigten. Eine Zeitung sagt darüber folgendes Richtige: «Aucun lien de sentiments n'a attaché les deux Léopold à leurs provinces. Ils l'ont senti et se sont efforcés de les remplacer par de bons services au pays et beaucoup d'habileté. Chacun doit reconnaître que pendant . les 57 années qui se sont écoulées depuis la déclaration de l'indépendance, les deux princes ont grandement contribué au développement actuel de la Belgique. Le peuple ne peut refuser de reconnaître que Léopold mérite sa reconnaissance pour ce qu'il a fait. Toutefois, il semble que le roi avec son médiocre souci de la morale a tout à fait négligé le côté sentimental de la question, le considérant sans valeur politique. L'homme d'affaires n'est pas sentimental en Belgique, mais tous les Belges ne lui ressemblent pas. Par-dessus tout il y a des femmes qui ont des fils et des époux et qui les influencent. Un peuple ne se gouverne pas seulement par l'intérêt.» Wenn ein ohnehin nicht historisches Königthum vor seinen eigenen Gerichten so kritisirt werden darf, wie es in diesem Prozesse geschah und wie es kaum ein Privatmann ruhig hingenommen hätte, da sind die Grundmauern der Monarchie nicht mehr intakt, und man kann sich auf Aenderungen gefasst halten. Nicht entfernt ähnlich, aber auch nicht ganz festge. stellt, sind die monarchischen Verhältnisse in zwei andern Kleinstaaten, Schweden-Norwegen und Serbien, wo ebenfalls keine historischen Dynastien bestehen. In Schweden. Norwegen bestehen Reibungen über das Verhältniss der beiden Länder zu einander, namentlich über die selbständige diplomatische Vertretung des letztern; in neuerer Zeit auch noch Verhandlungen mit Dänemark über eine Art von Union zum Zweck einer «ewigen» gemeinsamen Neutralität, woran manche etwas phantastischen Leute bereits die weitergehende Idee einer Zollunion und sogar eines Gesammt. parlaments mit Sitz in Gothenburg knüpfen. Das norwe |