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Ein interessantes Zeichen der Zeit ist es, dass auch in katholischen Kreisen wieder mehr Bibellektüre verlangt wird. In einem sehr ultramontanen deutschen Blatte wurde dieserhalb gesagt:

«Pfarrer Hansjakob habe so unrecht gar nicht, wenn er in seiner Schrift: «Stille Stunden» Klage über die mangelhafte Bibelkenntniss und Bibellektüre des katholischen Volkes führe. Gerade jetzt, wo manche protestantische Theologen die Bibel nichts mehr gelten lassen wollen und sie zerzausen, sollten die Katholiken sie um so eifriger lesen und vertheidigen. Die bisherige Gleichgültigkeit rühre <zweifellos daher, dass die Reforma toren ihre Lektüre einzig auf die Bibel stützten, weshalb diese in katholischen Kreisen als ein Werkzeug der Ketzer angesehen und vernachlässigt wurde.»

Dabei ist aber nicht zu übersehen, dass eine Encyclica Gregor's XVI. vom 8. Mai 1844 die Bibelgesellschaften verdammte. Diese Verdammung ist von Pius IX. öfter wiederholt worden. Auch Leo XIII. hat am 25. Januar 1897 alle Bibelausgaben in der Volkssprache verboten, die nicht vom apostolischen Stuhle genehmigt und mit den nöthigen römisch-katholischen Anmerkungen versehen sind. Innocenz III. hatte schon Jahrhunderte vor der Reformation (1199) alle Gläubigen der Diözese Metz aufgefordert, in keinerlei Weise Bibelübersetzungen zu gebrauchen. Weder eine Uebersetzung der Evangelien noch der Briefe Pauli, noch der Psalmen, noch Hiobs oder anderer Theile des Neuen und Alten Testamentes durften in der Volkssprache gelesen und verbreitet werden. Vgl. hierüber Mirbt, Quellen zur Geschichte des Papstthums; Mohr, Tübingen und Leipzig 1901 S. 125, 126, 142, 310. Ueber die «Verschiedenheit der katholischen und der protestantischen Bibel» wird Folgendes aus Amerika herberichtet:

«Une fille très bienfaisante d'un spéculateur très discuté en son temps, Mlle Hélène Gould, fut prise violem

ment à partie par le curé de la localité où elle habite, Irvington, Etat de New-York, pour avoir invité chez elle un vendredi les élèves des écoles professionnelles qu'elle a créées et parmi lesquels se trouvaient un certain nombre de catholiques. La discussion menaçant de s'éterniser dans la presse, où elle s'était transportée, miss Gould finit pas s'écrier qu'après tout le jeûne du vendredi n'était point enseigné dans la Bible. Non pas dans la vôtre celle des protestants, répliqua le prêtre, celle qui a été fabriquée à l'époque d'Henri VIII d'Angleterre, dans le but que l'on sait, mais bien dans la Bible catholique, qui s'est conservée sans changement depuis le temps du Christ et que tout bon catholique doit posséder et lire. Ladessus miss Gould, piquée au jeu, institue un concours avec trois prix de 5000, 2500 et 1250 fr. pour une étude comparée de la version de la Bible approuvée par l'Eglise catholique et de la version reçue de la Bible anglaise, leur origine et leur histoire.» Journal de Genève.

Ueber die beständige Streitfrage des kirchlichen oder bürgerlichen Unterricht es ist, bei Anlass eines solchen Streites mit dem Bischof Korum von Trier, eine Broschüre erschienen, die das Thatsächliche darüber zusammenstellt: «A propos de la liberté d'enseignement» von Frank Puaux. Dieselbe sagt dann aber im Wesentlichen:

«L'encyclique Libertas reste l'exposé le plus complet de la politique pontificale. Elle condamne formellement la liberté des cultes comme la liberté de parler et d'écrire, Quant à la liberté de l'enseignement, elle est «en contradiction flagrante avec la raison, née pour produire un renversement complet dans les esprits; le pouvoir public ne peut accorder une pareille licence dans la société, qu'au mépris de son devoir.» C'est dire que l'enseignement devra reconnaître, pour lui demeurer soumis, «<l'Eglise à laquelle Dieu a accordé le divin privilège de ne pas connaître l'erreur. C'est pourquoi elle est la grande, la sûre maîtresse des hommes et porte en elle un inviolable droit à la liberté d'enseigner

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D'où cette conclusion nécessaire qu'à l'Eglise seule appartient le droit d'enseigner, car nul ne doit enseigner s'il ne se soumet à l'autorité de l'Eglise. Les catholiques en viennent logiquement à refuser à l'Etat le droit d'organiser et de répandre l'instruction.» (Gaz. de Lausanne.)

Mit dem Jesuitenorden, welcher alle Forderungen der Kirche gegenüber dem Staat sowohl, als gegenüber den Andersgläubigen, am schärfsten und unbedingtesten vertritt, ist natürlich kein Friede möglich. In dieser Hinsicht ist berichtweise zu erwähnen ein Werk des Paters de Luca, worin sogar die Forderung vorkommen soll, dass die weltliche Obrigkeit auf Befehl der Kirche die Häretiker mit dem Tode bestrafe. Ein anderer früherer Jesuit, Freiherr von Berlichingen, wurde von dem Schöffengericht in Würzburg wegen ungehörigen Behauptungen über das Leben Luther's bestraft. In dem Streite des Kaplans Dasbach gegen den Grafen Hoensbroch wurde nicht erwiesen, dass der Satz, «der Zweck heiligt die Mittel»> (dem jetzt übrigens noch viele andere «Realpolitiker» ausser den Jesuiten huldigen) wörtlich in den Schriften des Ordens enthalten sei, wohl aber vielfach dem Sinne nach. Auch bei uns hat sich, seit den Vorgängen in Deutschland, eine nicht unbedeutende Tendenz nach Rehabilitation des Ordens gezeigt. Im September predigte ein Jesuit, Namens Bloetzer, ganz öffentlich in der Kirche zu Leuk (Wallis). Das Auffallende dabei war aber nicht das, sondern, dass die Walliser Zeitungen diese mit der Bundesverfassung in offenem Widerspruch stehende Thatsache selbst und mit hoher Befriedigung verkündeten, während man früher in ähnlichen Fällen sie stets möglichst verheimlicht hatte. Soweit sind wir also, in Folge wohl der deutschen Fortschritte in dieser Richtung, bereits gekommen auf dem Wege zu einem neuen «Kultur

kampf.» Wir werden die ultramontan gesinnten Katholiken, welche in dem Jesuitenorden die Hauptstütze ihrer kirchlichen Auffassung erblicken, nicht verhindern können, eine Verfassungsveränderung auf Beseitigung des Art. 51, sei es durch Motion, oder durch Volksinitiative zu begehren; wir glauben zwar, dieselbe würde keinen Erfolg haben. Aber solange sie das nicht thun und die Bundesverfassung besteht, wie sie jetzt ist, müssen sie auch helfen, sie zu erhalten, und es kann nicht angehen, dass Jeder nur die Artikel als verbindlich ansieht, die ihm passen, und andere nicht. Eine solche Praxis würde wohl auf die Dauer gerade ihnen sehr nachtheilig werden.

Der vielbesprochene Orden zählte nach seinen eigenen statistischen Angaben Ende 1902 15,231 Mitglieder, wovon 6743 Priester; in der deutschen Provinz allein 1430 Mitglieder, wovon 595 Priester. 511 Jesuiten leben in Holland, 153 an unserer Gränze im Vorarlberg, wohin öfter junge schweizerische Priester zu «Exercitien» (geistlichen Wiederholungs- und Instruktionskursen) geschickt werden.

Gegen allerlei Anstössiges in dem modernen Katholizismus wendet sich ein sehr weiser Erlass des Bischofs von St. Gallen an den Clerus seiner Diözese, worin u. A. mit Recht gesagt wird, die Andersgläubigen setzten alle <<fromm sein sollenden Extravaganzen» auf Rechnung der Kirche und würden dadurch in ihrer Antipathie bestärkt, <<mit dem Gedanken, dass hinter solchem einfältigem Zeug unmöglich die Wahrheit sein könne. Der hl. Paulus empfiehlt den Gläubigen, sich weise zu verhalten gegen die, welche draussen sind Col. 4,5. Soll dieses Wort unter uns zur Geltung gelangen, so muss offenbar auf dem besprochenen Gebiete noch manches verbessert werden. Der hochwürdige Bischof Henle von Passau gibt dem Gesagten

noch eine weitere Ausdehnung. Er bemerkt in einem Erlasse: «Es soll alles ausgemerzt werden, was den Schein erwecken könnte, als sei es der Kirche bei der Pflege der Religion mehr um die Form als um das Wesen zu thun. Besonders jene sogenannte erbauliche Litteratur, welche unter dem Schein von Frömmigkeit Wahres und Falsches, Geschichte und Legende in Bausch und Bogen untereinander mengt, soll ein für allemal vom katholischen Büchermarkt verschwinden. Dazu rechnet der hl. Vater vor allem Bücher und Schriften, die sich mit solchen Dingen befassen, an denen jeder ernste Christ sich stösst, wie kindische Wundergeschichten, angebliche Geistererscheinungen, neue Offenbarungen, Prophezeiungen u. s. w.»

Als «Geschäftskatholizismus» bezeichnet der Bischof <<mancherlei Praktiken, mit denen Geld gesammelt wird. Eine derselben, und zwar eine recht anstössige, besteht darin, dass Quittungen und Gebetserhöhungen verquickt werden. Im Uebrigen sind diese Missbräuche nicht auf Zeitschriften beschränkt und zu zahlreich, als dass hier auf Einzelheiten eingegangen werden könnte. Im «Katholik» von Mainz, 1904, Februar, S. 61 heisst es: «Noch wäre ein langes Kapitel einzuschalten über ungesunde Erbauungslitteratur Gebetszettelunfug, Gebetsheilungen, Antoniusbriefchen, Devotionalienunfug, Bildervertrieb für Kirchenbauten, Hausierhandel und Versandtgeschäft mit Haussegen, Devotionalienhandel mit Provision für kirchliche Zwecke, Hydra-, Schneeballen- und Lawinensystem, interkonfessionellen Geschäftsbetrieb, jüdische Devotionalienhändler, Missbrauch päpstlicher Auszeichnungen u. s. w. Seit Jahren bin ich den Schleichwegen der unsaubern Industrie etwas nachgegangen und habe die Kunstgriffe und Geschäftskniffe industriöser Händler registrirt. Auf Grund meiner Buchführung bin ich im Stande, über das Raffinement gewisser Geschäftsleute etwas Licht zu verbreiten. Der unter dem Volke angerichtete materielle Schaden ist riesig.» Die ergatterten Summen sind sehr beträchtlich. Auch die Schädigung auf geistigem Gebiete ist nicht gering anzuschlagen. Die schärfsten Mass

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